Zauberer und Höllentore: Acht Fantasy Krimis. Rolf Michael. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rolf Michael
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Год издания: 0
isbn: 9783956179044
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die singende Frau saß. Im Hintergrund hob sich ein dunkler Schatten aus dem Nebel heraus. Bei näherem Hinsehen stellte sich heraus, dass es sich um eine Holzhütte handelte.

      Ein paar Raben saßen auf dem Dach und krächzten vor sich hin.

      Die Frau unterbrach ihren Gesang. Sie war in einen dunklen Umhang gehüllt, sodass ihr Gesicht im Schatten lag. Zunächst sah es so aus als wäre unter diesem Umhang nichts außer absoluter Dunkelheit. Doch dann fielen Robert die leuchtenden Augen auf. Weiß waren sie. Weiß, wie das grelle Feuer der Sonne. Unwillkürlich wich Robert diesem gleißenden Blick aus und Brenda erging es nicht anders. Sie hob die Hand um sich davor zu schützen.

      „Guten Abend!“, sagte Robert, obwohl das sicherlich nicht die richtig Bezeichnung der Tageszeit sein konnte.

      Schließlich währte diese Nacht schon so lange, wie es die beiden in die bizarre Welt jenseits des Höllentores verschlagen hatte. Andererseits war es auf seiner Uhr immer noch wenige Minuten nach halb sechs.

      Die Albino-Wölfe fletschten die Zähne. Der Speichel troff in Strömen aus ihren Mäulern heraus. Dumpfe Knurrlaute kamen tief aus ihren Wolfskehlen.

      Die weißen Bestien rückten näher.

      Da brauchte man wohl kein Begleit-Booklet zu Hellgate mehr zu lesen, um zu erfassen, worauf es die Albino-Wölfe offensichtlich abgesehen hatten.

      „Die denken wohl, dass wir ihre nächste Mahlzeit sind!“, brachte es Brenda auf den Punkt.

      „Tut mir leid, aber so groß ist mein Herz für Tiere dann allerdings doch nicht, Brenda!“, gab Robert zurück.

      „Wem sagst du das? Aber sie kommen immer näher!“ Die Frau stieß einen Pfiff aus.

      Er war so durchdringend, wie Robert zuvor noch nie jemanden hatte pfeifen hören. Für den Bruchteil einer Sekunde, glaubte er taub zu ein.

      Die hechelnden Bestien zogen winselnd davon.

      Sie verzogen sich mit eingekniffenem Schwanz und verschwanden in den wabernden Nebelschwaden. Es dauerte nur wenige Augenblicke und keiner von ihnen war noch zu sehen.

      Brenda atmete hörbar auf und senkte den Bogen. Dann steckte sie den Pfeil zurück in den Köcher.

      Jetzt erhob sich die Frau.

      Von der Singstimme her hatte Robert damit gerechnet, es mit einer jungen Frau zu tun zu haben.

      Aber das war offensichtlich eine Illusion gewesen. Sie hatte eine stark gebeugte Körperhaltung. Auf ihrer Schulter hatte sich ein Buckel gebildet und der flackernde Schein des Feuers erhellte nun ihr Gesicht.

      Es war uralt.

      Ein von runzeliger, faltiger Haut bedeckter Totenschädel.

      Es gab fast kein Bindegewebe mehr und als sie den lippenlosen, eingefallenen Mund verzog, kam ein einziger Zahn zum Vorschein.

      Nur die leuchtenden Augen schienen irgendwie nicht zu ihr zu passen.

      Ihr irres Kichern mündete schließlich in einem heiseren Räuspern. Sie stützte sich auf einen Stock, in dessen Knauf der Totenschädel eines Nagetiers eingearbeitet war. Eine Ratte, schätzte Robert.

      „Kommt näher!“, sagte die Alte mit ihrer überraschend jugendlichen Stimme. „Kommt näher, ihr Beiden. Ich bekomme leider nicht sehr oft Besuch in der Einsamkeit meiner Wald-Residenz!“

      Robert und Brenda ließen sich das nicht zweimal sagen.

      Insbesondere Brenda war froh, endlich näher ans Feuer treten und sich wärmen zu können. Sie streckte die völlig verfrorenen Hände aus.

      „Hier können wir wenigstens wieder auftauen“, sagte sie.

      Robert betrachtete die Alte.

      Eine Hexe!, das war sein erster Gedanke. Die Tatsache, dass sie offenbar auf geheimnisvolle Weise Macht über die Albino-Wölfe besaß, schien ihm ein weiteres Argument für seine Annahme zu bieten.

      „Ihr wollt sicher zu dem Dorf, das zu Füßen des Schlosses liegt“, stellte die Alte fest.

      Robert sah sie erstaunt an. „Woher weißt du das?“, fragte er.

      Ein meckerndes Gelächter drang aus ihrem eingefallenen Mund. „Dorthin wollten sie alle!“

      „Von wem sprichst du?“

      „Von denen, die vor euch hier her kamen und von denen sich der Verdammten des Dorfs so viel erhofften. Aber diese Hoffnungen waren vergebens. Der Schlossherr residiert noch immer unverändert in seinem Gemäuer. Und jede Nacht schickt er seine Schattenkreaturen aus, um nach Beute Ausschau zu halten, deren Blut sie trinken können.“

      „Dann stimmt es, dass die Nachtkreaturen am Tag nicht existieren können?“, fragte Robert.

      „Wer hat dir das gesagt, junger Mann?“

      „Habe ich gehört.“

      Sie lachte in sich hinein. „Ja, du hast Recht. Am Tag sind die Schattenkreaturen der Burg Gefangene ihres grauen Gemäuers. Die Sonnenstrahlen würden sie töten. Aber seit diese Kreaturen der Nacht die Herrschaft über dieses Land errungen haben, hat sich manches geändert. Der Tag ist nichts weiter als eine kurze Dämmerung geworden und ich fürchte, es wird irgendwann so aussehen, dass die Dunkelheit gar kein Ende mehr nimmt. Aber das soll euch Narren nicht kümmern.“

      „Du stehst nicht auf der Seite dieser Monstren?“

      „Ich stehe auf meiner eigenen Seite“, erklärte die Alte.

      „Ich komme aus dem Dorf, in das ihr wollt und wo ihr Näheres über die Burg und ihre schaurigen Bewohner zu erfahren hofft.“

      „Warum bist du dann jetzt nicht mehr dort, sondern kampierst hier draußen?“, fragte Brenda, die sich die Hände über dem Feuer rieb und langsam wieder auftaute.

      Die Alte räusperte sich geräuschvoll.

      „Es gab ein paar Unstimmigkeiten mit den Dorfbewohnern.

      Sie haben mich verbannt, weil sie glaubten, dass ich das Unheil über die Bewohner gebracht habe! Dabei ist das nicht wahr! Sie waren von Anfang an verdammt dazu, den Blutsaugern vom Schloss als willenlose Opfer zu dienen, die schon ein hypnotischer Blick in die Knie zwingt. Ich bin sicher, dass ihr auch eines Tages so enden würdet, wenn nicht…“ Sie brach ab. Ihr Satz endete in einem irren, schrillen Kichern. Plötzlich schossen die Flammen des Lagerfeuers hoch empor, so als hätte jemand etwas extrem leicht Brennbares in die Glut hineingeworfen.

      Brenda zuckte zurück.

      „Wenn was?“, hakte Robert nach.

      Aber die Alte schien nicht dazu bereit zu sein noch mehr Preis zu geben. Plötzlich schien sie gar nicht genau zu wissen, worüber sie gerade noch gesprochen hatte. „Ich bin eine alte Frau, was verlangst du von mir? Erinnerungen sind für mich wie der flüchtige Wind. Sie kommen und gehen, lassen sich aber nicht festhalten.“

      „Wieso glaubst du, dass wir zu Verdammten werden - wie die Bewohner des Dorfes?“, hakte Robert nach.

      „Robert, wir sollten von hier verschwinden!“, raunte Brenda plötzlich ihrem Begleiter auf dieser unfreiwilligen Reise in den Schrecken zu.

      „Ich will das jetzt wissen!“, beharrte Robert.

      „Du trittst ja recht selbstbewusst auf!“, tönte die Alte.

      Hatte ihre Stimme soeben dem Krächzen eines altersschwachen Raben geähnelt, so wirkten ihre Worte jetzt wieder jugendlich frisch. Ihr Tonfall war darüber hinaus von einer überraschenden inneren Stärke gekennzeichnet. Robert spürte das sofort. Und diese plötzlichen Schwankungen, irritierten ihn.

      Brenda hielt sich dicht neben ihm. Sie stieß ihn an.

      „Robert! Wir müssen so schnell wie möglich weg von hier!

      Mit