Parallelnormen zu § 50 Abs. 1 PolG NRW (Gestrecktes Verfahren): § 6 VwVG; Art. 53 Abs. 1 BayPAG; § 53 Abs. 1 BbgPolG; § 47 Abs. 1 HSOG; § 80 Abs. 1 MVSOG; § 64 Abs. 1 NdsSOG; § 50 Abs. 1 RhPfPOG; § 44 Abs. 1 SPolG; § 53 Abs. 1 LSASOG; § 229 Abs. 1 SchlHLVwG; § 51 Abs. 1 ThürPolG
2. Zulässigkeit des Zwangsmittels (§ 51 PolG NRW)
Zwangsmittel sind in § 51 PolG NRW abschließend aufgezählt, d. h. mit anderen Mitteln dürfen polizeiliche Maßnahmen nicht durchgesetzt werden. In Betracht kommt Ersatzvornahme (§ 52 PolG NRW).32 Ersatzvornahme ist die Ausführung einer (vertretbaren) Handlung durch die Polizei oder einen Dritten anstelle des Pflichtigen. Ersatzvornahme scheidet naturgemäß im Hinblick auf Duldungen und Unterlassungen aus.33 Ersatzvornahme ist die Ausführung der eine vertretbare Handlung gebietenden Verfügung auf Kosten des Verantwortlichen.34 Das Wort „vertretbar“ wird hier nicht im Sinne von verhältnismäßig oder angemessen verwandt. Eine vertretbare Handlung ist immer dann gegeben, wenn sie nicht ausschließlich von dem Pflichtigen selbst, sondern auch von einem anderen vorgenommen werden kann. Die Ersatzvornahme ist demnach für unvertretbare Handlungen ausgeschlossen; diese können nur mit Zwangsgeld oder mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.
Die Polizeibeamten haben die Tür des A von einem Schlüsseldienst öffnen lassen und haben dadurch genau den Zustand hergestellt37, den auch A herbeigeführt hätte, wenn er die Tür von innen geöffnet hätte. Daher liegt eine Ersatzvornahme in der Form einer Fremdvornahme vor.38
3. Art und Weise des Verwaltungszwangs
Das Öffnen der Tür mittels Schlüsseldienst wurde angedroht (§§ 51 Abs. 2, 56 Abs. 1 Satz 1 PolG NRW).
4. Ermessen (§ 3 PolG NRW) / Übermaßverbot (§ 2 PolG NRW)
Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Die Ersatzvornahme war zweifelsohne (auch) geeignet. Mit der Heranziehung des Schlüsseldienstes wählten die Polizeibeamten auch ein milderes Mittel, als wenn sie z. B. die Wohnungstür eingetreten hätten. Im Verhältnis zu den bedrohten Rechtsgütern war die Ersatzvornahme auch angemessen.
Lösung zu Aufgabe 2
Die strafprozessuale Sicherstellung von sog. Zufallsfunden ist geregelt in § 108 StPO.39 Diese Norm geht über §§ 94, 98 StPO insoweit hinaus, als dadurch eine sofortige, vorläufige Zugriffsmöglichkeit auf Beweismittel für ein anderes Verfahren geschaffen wurde. Zufallsfunde sind solche Gegenstände, die nicht zur Anlasstat der jeweiligen Durchsuchung gehören, sondern zufällig bei der Durchsuchung aufgefunden werden. § 108 StPO stellt eine Erweiterung, nicht aber eine Einschränkung des allgemeinen Beschlagnahmerechts nach den §§ 94 ff. StPO dar. Zufallsfunde dürfen mithin auch dann nach § 108 StPO vorläufig sichergestellt werden, wenn die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme nach den §§ 94 ff. StPO nicht vorliegen. Das ist – obwohl es in der Praxis kaum vorkommen dürfte – dann der Fall, wenn die durchsuchenden Polizeibeamten nicht Ermittlungspersonen der StA sind oder keine Gefahr im Verzuge besteht und die Beamten deshalb nach § 98 Abs. 1 StPO zur Anordnung einer Beschlagnahme nicht befugt sind, oder dann, wenn der vollstreckende Beamte die Beweisbedeutung des Gegenstands für ein anderes Verfahren nicht abschätzen kann und nicht weiß, ob ein solches anderes Verfahren bereits eingeleitet ist. Die Sicherstellung nach § 108 setzt also insbesondere nicht voraus, dass bereits jetzt davon ausgegangen werden kann, der Gegenstand könne i. S. des § 94 als Beweismittel für eine Untersuchung von Bedeutung sein. Liegt ein solcher Ausnahmefall indes nicht vor, so bilden auch § 94 Abs. 1, Abs. 2 und § 98 Abs. 1 StPO eine gesetzliche Grundlage für die Beschlagnahme. Str. ist, ob es sich um eine strafprozessuale Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) handeln muss oder ob auch eine polizeirechtliche Durchsuchung (§§ 41, 42 PolG NRW) in Frage kommen kann. Dagegen spricht die Stellung des § 108 StPO im Zusammenhang mit den Durchsuchungsvorschriften der StPO, die auf eine ausschließlich nach der StPO vorgenommen Durchsuchung hindeutet. Indes spricht der Wortlaut des § 108 StPO („bei Gelegenheit einer Durchsuchung“) dafür, auch polizeirechtliche Durchsuchungen mit einzubeziehen. Unter Zugrundelegung der teleologischen Auslegung des § 108 StPO will die Beschlagnahme von Zufallsfunden verhindern, dass die Polizei zwar von solchen Gegenständen anlässlich einer rechtmäßigen Durchsuchung Kenntnis nimmt, sie aber nicht beschlagnahmen kann und im Nachhinein, wenn die Erkenntnisse für eine Sicherstellung vorliegen, diese nicht mehr möglich ist, da die Gegenstände zwischenzeitlich beiseitegeschafft wurden. Letztlich sind auch Durchsuchungen aus präventiv-polizeilichen Gründen erfasst. Es kommt mithin nur auf die Rechtmäßigkeit der Anlassdurchsuchung an, d. h. eine Durchsuchung nach dem PolG NRW reicht tatbestandlich aus.40 Anordnungsgefugt sind Polizeibeamte. Gefahr im Verzuge i. S. von § 98 Abs. 1 Satz 1 StPO oder die Eigenschaft als Ermittlungsperson (§ 152 GVG) ist nicht erforderlich. Die StA ist in Kenntnis zu setzen (§ 108 Abs. 1 Satz 2 StPO).