Besondere Bedeutung haben im EU-Regelungssystem die Vorschriften zu den Voraussetzungen für die Aufnahme von Tätigkeiten als Finanzintermediär und die dann einzuhaltenden Kapitalanforderungen. In Bezug auf Banken finden sich die betreffenden Regelungen in einer Verordnung und einer ergänzenden Richtlinie über Eigenmittelvorgaben (CRR/CRD IV).627 Diese Regelungen sollen nicht nur den Binnenmarkt stärken, sondern explizit auch der Umsetzung der G 20-Erklärung vom April 2009 und der Harmonisierungsempfehlungen der so genannten Larosière-Gruppe dienen.628 Abgesehen von diesen Zielen soll die CRR das europäische Vertragsziel der Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen beachten.629 Die CRD IV hat ergänzende Funktionen.630
Ähnlichen Schutzgütern dienen die Zulassungsvoraussetzungen und Kapitalvorgaben für andere Finanzintermediäre, allerdings ohne dass die relevanten Rechtsakte in der Regel explizit auf die G 20-Beschlüsse Bezug nehmen würden. So soll die Zweite Solvabilitätsrichtlinie vom November 2009 zum einen die Rechtsvorschriften über die Aufnahme und Ausübung des Versicherungs- und Rückversicherungsgeschäfts harmonisieren und damit der Entwicklung des Binnenmarkts für Versicherungsprodukte dienen, zum anderen „den jüngsten Entwicklungen in anderen Finanzbranchen“ Rechnung tragen und die im Lichte der Marktentwicklung „nicht mehr angemessen[en]“ Kapitalvorgaben für die Versicherungsbranche reformieren. Der durch die Richtlinie bewirkte Schutz soll dabei zwar vorrangig den Versicherungsnehmern und Anspruchsberechtigten (= Kapitalgebern) zugute kommen, aber auch insgesamt der Stabilität des Finanzsystems.631
In Bezug auf Investmentfonds soll die Richtlinie für (nicht geschlossene) Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) die Wettbewerbsbedingungen für die relevanten Organismen angleichen, die Stabilität der OGAW und damit den Anlegerschutz fördern, aber auch Einheitlichkeit und Kohärenz „mit allen einschlägigen Rechtsvorschriften im Finanzsektor“ gewährleisten.632 Die Richtlinie über die Verwalter (häufig geschlossener) Alternativer Investmentfonds (AIF) soll dem Beitrag der Geschäfte der Verwalter von AIF, „Risiken über das Finanzsystem zu verbreiten oder zu verstärken“, entgegenwirken und dafür einen „harmonisierte[n] und strikte[n] Regulierungs- und Kontrollrahmen“ schaffen. Dabei geht es um die mit dem AIF-Geschäft verbundenen „Risiken und deren Folgen für Anleger und Märkte“.633 In der Verordnung über Geldmarktfonds steht der Schutz des „reibungslose[n] Funktionieren[s] des Marktes für kurzfristige Finanzierungen“ deutlich im Vordergrund. Daneben gewährleistet die Verordnung zwar auch einen Anlegerschutz, hier aber vor allem, „[u]m Anteilsrückgaben von Anlegern bei angespannter Marktlage entschärfen zu können“.634
In Bezug auf den Handel mit Finanzinstrumenten, die Abwicklung des Handels über zentrale Infrastrukturen und die Handelstransparenz sind als weitere relevante Regelungen insbesondere die Verordnungen und Richtlinien über Finanzinstrumente und über zentrale Finanzmarktinfrastrukturen zu nennen.635 Diese knüpfen ebenfalls an die Beschlüsse der G 20 und die Empfehlungen der Larosière-Gruppe an.636 Die Hauptziele der einschlägigen Verordnungen und Richtlinien sind die Verbesserung der Transparenz des Handels, der diskriminierungsfreie Zugang zu zentralen Infrastrukturen (insb. Handelsplätzen, Zentrale Gegenparteien), die Minderung systemischer Risiken, der Anlegerschutz und der Schutz vor Marktmissbrauch.637 Zur Bekämpfung von Marktmissbräuchen wurden zusätzlich eine Verordnung und eine Richtlinie mit speziellen Vorschriften erlassen.638 Die Transparenz von Leerverkäufen und die Koordinierung darauf bezogener aufsichtsrechtlicher Maßnahmen sind Gegenstand einer weiteren Verordnung.639 Zur Erhöhung der Transparenz bei Kapitalmarktprodukten ist ferner auf die Rechtsakte betreffend die in Prospekten enthaltenen Angaben sowie die Offenlegung von Informationen im Handel und bei Übernahmevorgängen (Wertpapierübernahmen) zu verweisen.640 Besondere Vorschriften gelten in Bezug auf Investmentfonds und von diesen ausgegebene Anteile; außerdem in Bezug auf den Vertrieb anderer Finanzinstrumente und -produkte als Finanzanlagen. Auch insofern stehen Transparenz und Anlegerschutz als Regelungsziele im Vordergrund.641 Die genannten Hauptziele werden in den Erwägungsgründen der betreffenden Vorschriften und der vielfach erforderlichen Durchführungsrechtsakte weiter konkretisiert.
Insbesondere das Ziel des Anlegerschutzes ist dabei vorrangig als institutioneller Schutz des allgemeinen Anlegervertrauens und nicht als Schutz einzelner Anleger ausgestaltet. Das lässt sich daraus ableiten, dass zwar die Notwendigkeit des Anlegervertrauens in das ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte betont wird, den Anlegern in den relevanten Rechtsakten aber vielfach keine gesetzlichen Ansprüche (z.B. auf Schadenersatz bei Rechtsverletzung) eingeräumt werden.642 Dem Ziel des Anlegerschutzes lassen sich kontextabhängig verschiedene Teilziele zuordnen, die im Schrifttum – zum Teil über die Erwägungsgründe der relevanten EU-Rechtsakte und die einschlägige Rechtsprechung hinaus – weiterentwickelt worden sind (Anlegergleichbehandlung, Förderung rationaler Anlegerentscheidungen durch Aufklärung, anlegerbezogene Beratung, Sicherstellung einer professionellen Vermögensverwaltung).643 Auch bei diesen Regelungen gilt ergänzend das EU-Vertragsziel der Sicherung gleicher Wettbewerbsbedingungen.644
Einen weiteren, hier allerdings nicht relevanten Regelungsbereich bildet die Regulierung von so genannten Zahlungsdiensten. Diese Regulierung betrifft nur die Abwicklung von Zahlungsvorgängen durch Geldzahlungen und den Einsatz von Zahlungsinstrumenten, enthält aber keine Regelungen über den Einsatz der von den zuvor behandelten Regelungen erfassten Finanzinstrumenten.645 Zahlungsvorgänge innerhalb von Zahlungs- und Wertpapierabwicklungssystemen sind vom Anwendungsbereich zudem ausdrücklich ausgenommen.
Die oben genannten Verordnungen sind jeweils in der gesamten EU unmittelbar anwendbar und verbindlich (Art. 288 Abs. 2 AEUV). Die Richtlinien sind dagegen für die Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet sind, nur hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlassen jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Der unionsrechtliche Regelungsrahmen ist somit nicht abschließend.
2. Deutschland
a) Einführung
Im deutschen Finanzaufsichtsrecht ist es allenfalls bei einer sehr abstrakten Betrachtungsweise möglich, Schutzgüter zu bezeichnen, die für alle Regelungsbereiche einheitlich gelten. Diese Schwierigkeiten liegen in der gewachsenen Struktur des relevanten Aufsichtsrechts begründet und in den bislang nicht immer eindeutig geklärten Aufgaben der Aufsicht. Eine begrenzte Systematisierung der Schutzgüter ist ausgehend vom Regelungsansatz möglich, wenn eine an einzelne Institutionen anknüpfende Aufsicht (Abschn. b)) und eine marktbezogene Aufsicht (Abschn. c)) unterschieden werden.646
b) Institutionelle Aufsicht
Das deutsche Aufsichtsrecht schützt – im volkswirtschaftlichen Interesse – vor allem das Vertrauen in die Stabilität und gewerbliche Zuverlässigkeit von Finanzintermediären (Banken, Versicherungen, Investmentfonds usw.) und ergänzenden Dienstleistern (z.B. Finanzanlagenvermittler) und eine entsprechende Organisation bestimmter Finanzmarktinfrastrukturen (Börsen, Zentralverwahrstellen).647 Es geht insofern, wie angesprochen, von einem rein institutionellen Ansatz aus, regelt also die Zulassung und Tätigkeit der jeweiligen Unternehmen, ungeachtet ihres Geschäftsmodells im Einzelfall und unabhängig von den damit konkret verbundenen Risiken.
Eine Aufsicht ist insbesondere über das von Banken betriebene Kreditgewerbe erforderlich, was sich schon aus den Gesetzgebungsmaterialien von 1961 zum Kreditwesengesetz (KWG) ableiten lässt. Dort wurde darauf verwiesen, dass Banken als Kreditgeber und Geldsammelstelle für alle wesentlichen Zweige der Volkswirtschaft dienen, sodass Störungen in diesem Wirtschaftszweig leicht auf die gesamte Volkswirtschaft übergreifen.648 Banken treten tatsächlich als „Finanzintermediäre“ zwischen Einleger und Kreditsuchende. Sie nehmen also (i.d.R. jederzeit abrufbare) Einlagen gegen einen geringen Zins entgegen und vergeben mit den eingelegten Geldern (bis zu einem Fälligkeitszeitpunkt laufende) Kredite gegen einen höheren Zins (Stichwort: Fristentransformation).649 Eine Folge dieses Geschäftsmodells ist es, dass die Stabilität der Banken und – schwerwiegender – sogar des gesamten Finanzsystems schnell gefährdet sein