I. Allgemeines
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Wie bereits dargestellt,1 gibt die ausschließliche Lizenz dem Lizenznehmer das auch gegen Dritte wirkende Recht, in einem bestimmten Gebiet des Marktes den Lizenzgegenstand alleine zu benutzen. Diese dingliche Wirkung der ausschließlichen Lizenz2 hat Auswirkungen, die von erheblicher Bedeutung sind, insbesondere hinsichtlich der Rechte und Befugnisse des Lizenznehmers. Bei der folgenden Darstellung wird dabei nicht zwischen der ausschließlichen und der alleinigen Lizenz unterschieden, da die alleinige Lizenz nur ein Sonderfall der ausschließlichen Lizenz ist.3
1 Vgl. Rn. 36. 2 Vgl. dazu BGH, 23.3.1982, GRUR 1982, 411, 413; LG Mannheim, 27.2.2009, GRUR-RR 2009, 222 = Mitt. 2010, 25 ff. – Erklärung des Patentinhabers gegenüber einer Standardisierungsorganisation, jedem Interessenten zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen eine Lizenz zu erteilen, ist keine dingliche Verfügung über das Patent, sondern bewirkt allenfalls schuldrechtliche Verpflichtungen im Sinne eines pactum de non petendo, die nicht dem Sukzessionsschutz nach § 15 Abs. 3 PatG unterfallen; BGH, 26.3.2009, BGHZ 180, 344, 353 (20) = GRUR 2009, 946, 948 = NJW-RR 2010, 186, 189 = ZUM 2009, 852, 854 = CR 2009, 767 ff. – Reifen Progressiv; letztere Entscheidung geht davon aus, dass das einfache (urheberrechtliche!) Nutzungsrecht – wie auch das ausschließliche Nutzungsrecht – keinen schuldrechtlichen, sondern dinglichen Charakter habe; der dingliche Charakter der einfachen (urheberrechtlichen!) Lizenz wird in einer weiteren BGH-Entscheidung, GRUR 2010, 628, 631 = ZUM 2010, 580, 583 – Vorschaubilder, bestätigt; siehe ausführlich zum Sukzessionsschutz für Lizenzen im Immaterialgüterrecht Marotzke, ZGE/IPJ 2 (2010), 234 f., der aber davon ausgeht, dass der, der Lizenzen als dingliche Rechte einordnen möchte, aus dieser dogmatischen Betrachtungsweise keine Rechtsfolgen ableiten dürfe, die im Widerspruch zu einer einschlägigen spezialgesetzlichen Regelung ständen; siehe zur Verdinglichung lizenzvertraglicher Vertriebsregelungen (Marken) auch Fröhlich, MarkenR 2010, 241 ff.; OLG München, 20.5.2010, Mitt. 2011, 1 f. – Zinkelektrode: Lizenzgeber ist der materiell berechtigte Inhaber und nicht der formell berechtigte Anmelder (§ 15 PatG). Vgl. auch LG Mannheim, 23.4.2010, GRUR-RR 2011, 49 ff., das zu Recht davon ausgeht, dass eine in einem dem ausländischen Recht unterstellten Lizenzvertrag aufgenommene Klausel eines „covenant not to sue“ ein schuldrechtlicher Prozessvertrag ist, der sich nach dem Verfahrensrecht des Gerichtsortes, hier deutsches Recht, richtet. Auch geht das LG Mannheim davon aus, dass der Rechtsnachfolger in das so lizenzierte Patent mangels gesetzlicher Normierung und wegen fehlender Publizität nicht an ein solches Stillhalteabkommen gebunden ist. Auch § 15 Abs. 3 PatG findet auf derartige, kein positives Benutzungsrecht gewährende Klauseln keine Anwendung. Siehe auch LG Mannheim, GRUR-Prax. 2011, 149, zum verneinten Sukzessionsschutz bei deutschem Anteil (eines europäischen Patents), der übertragen wurde, nachdem FRAND-Erklärungen gegenüber ETSI abgegeben worden waren. Adolphsen/Tabrizi, GRUR, 2011, 384 ff.; BGH, Urt. v. 19.7.2012, NJW 2012, 3301 ff. – M2Trade = CR 2012, 572 ff. = Mitt. 2012, 466 ff. = ZUM 2012, 782 ff.; BGH, Urt. v. 19.7.2012, Mitt. 2012, 469 ff. – Take Five = CR 2012, 575 ff. = ZUM 2012, 788 ff.; Trimborn, MarkenR 2012, 460 ff.; Szalai, ZUM 2012, 790 ff.; Klawitter, GRUR-Prax 2012, 425 ff.; Haedicke, Mitt. 2012, 429 ff.; Cepl, GRUR-Prax 2012, 393; Czychowski/Nordemann, GRUR-RR, 2012, 233 ff., 234; dies., NJW 2013, 756 ff., 759; Rieken/Conraths, MarkenR 2013, 63 ff.; Seegel, CR 2013, 205 ff.; Greifeneder/Veh, WRP 2014, 17 ff.; McGuire/Kunzmann, GRUR 2014, 11 ff.; die Fülle dieser Aufsätze zeigt die hohe Praxisrelevanz der BGH-Entscheidungen M2Trade und Take Five. In der Lizenzvertragspraxis wurden allerdings seit vielen Jahren schon Regelungen eingesetzt, die z.B. den Bestand von Unterlizenzen vom Bestand der Hauptlizenz abhängig machen oder dem Hauptlizenzgeber und dem Unterlizenznehmer beim Wegfall der Hauptlizenz/des Hauptlizenznehmers unter bestimmten Bedingungen es ermöglichen, dass Hauptlizenzgeber und Unterlizenznehmer in den Unterlizenzvertrag bzw. in den Hauptlizenzvertrag eintreten können. Auch ist der Hauptlizenzgeber beim Wegfall der Hauptlizenz nicht schutzlos: Ihm stehe nach Auffassung des BGH, Urt. v. 19.7.2012, NJW 2012, 3301 ff., 3303, Rn. 26, dann noch gegen den Hauptlizenznehmer nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB ein Anspruch auf Abtretung des gegen den Unterlizenznehmer bestehenden Anspruchs auf ausstehende Lizenzzahlungen zu. Im Falle der Insolvenz des Hauptlizenznehmers bestünde dieser Anspruch auch dann, wenn der Insolvenzverwalter gem. § 103 Abs. 1 InsO die Nichterfüllung des Haupt-, aber die Erfüllung des Unterlizenzvertrags wählt. Vgl. auch Rn. 495 zur Unterlizenz bei Insolvenz des Lizenznehmers und Rn. 494, Fn. 64 zur Insolvenz des Lizenzgebers. Spindler, CR 2014, 557 ff.; Dombrowski, GRUR-Prax 2017, 43. 3 Vgl. dazu oben Rn. 38.
II. Wirkung der ausschließlichen Lizenz gegen den Rechtsnachfolger des Patentinhabers
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Bei dem Patentrecht selbst handelt es sich gem. § 9 Abs. 1 PatG um ein dingliches, gegen jedermann wirkendes Recht. Dies hat zunächst die Konsequenz, dass durch eine Vereinbarung z.B. zwischen Patentinhaber und Lizenznehmer das Patent mit rechtlicher Wirkung für Dritte nicht unübertragbar gemacht werden kann. Dies gilt unabhängig von der Gültigkeit der schuldrechtlichen Vereinbarung über die Unübertragbarkeit zwischen den Parteien.4 Daher geht ein abredewidrig veräußertes Patent auch auf den Erwerber über, wenn dieser die Abrede kennt.5
Ist das veräußerte Patent mit einer ausschließlichen Lizenz belastet, muss der Erwerber des Patentes die ausschließliche Lizenz gegen sich gelten lassen. Diese bleibt nach absolut herrschender Meinung bestehen, d.h. genießt sog. Sukzessionsschutz.6 Diese Lösung ergibt sich nach herrschender Meinung aus der dinglichen Natur der ausschließlichen Lizenz, ohne dass es dafür einer Eintragung in die Patentrolle bedürfte.
Diese übereinstimmende Lösung der herrschenden Meinung erscheint jedoch alles andere als unproblematisch, da der Erwerber eines Patentes ggf. weder weiß noch wissen konnte, dass eine ausschließliche Lizenz von Seiten seines Rechtsvorgängers erteilt war. Erwirbt er in diesem Fall das Patentrecht mit der ausschließlichen Lizenz belastet, kann dies die Konsequenz haben, dass je nach Ausgestaltung der ausschließlichen Lizenz das Patentrecht weitestgehend ausgehöhlt, ggf. sogar praktisch wertlos ist. Es wäre daher durchaus wünschenswert zu überlegen, ob nicht wenigstens das Vertrauen des gutgläubigen Erwerbers in den Bestand des Patentes bzw. die Freiheit von Belastungen durch ausschließliche Lizenzen schützenswert ist.7
Im Zusammenhang mit den Fragen des Schutzes des gutgläubigen Erwerbers eines Patentes ist auch auf ausländische Rechtsordnungen hinzuweisen, die entsprechende Regelungen enthalten. Im Schweizer Patentgesetz vom 25.6.19548 wurde dem Schutz des gutgläubigen Erwerbers durch eine einfache und praktische Regelung Rechnung getragen, indem Art. 34 Abs. 3 bestimmt: „Gegenüber einem gutgläubigen Erwerber von Rechten am Patent sind entgegenstehende Lizenzen unwirksam, die im Patentregister nicht eingetragen sind.“ Eine ähnliche Vorschrift enthält auch das österreichische Patentgesetz von 1970.9
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Eine sinnvolle Regelung