(3) Vorbenutzungsrecht117
(a) Allgemeines
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Ähnlich war die Rechtslage, wenn sich nach Abschluss des Lizenzvertrages herausstellte, dass an der Erfindung ein Vorbenutzungsrecht bestand.118 Die Ausschließlichkeitswirkung des Patentes, nämlich das Recht, andere von dem Gebrauch des Patentgegenstandes auszuschließen, trat nicht gegen denjenigen ein, der z.Z. der Anmeldung die Erfindung bereits in Benutzung genommen oder die dazu erforderlichen Anstalten getroffen hatte. Der Vorbenutzer musste also Besitz an der Erfindung haben. Erfindungsbesitz nahm die Rechtsprechung und Rechtslehre im Gegensatz zu älteren Rechtsprechungen nicht nur bei der sog. Doppelerfindung, sondern auch bei Vorliegen anderer Tatbestände an.119 Man verstand unter Erfindungsbesitz den tatsächlichen Zustand, der nach der Verkehrsauffassung die Möglichkeit gewährte, die Erfindung so zu genießen, wie es ihre Natur gestattete. Erforderlich war daher die Kenntnis der Erfindung oder der Besitz von Zeichnungen, Beschreibungen oder ähnlichen Unterlagen, aus denen diese Kenntnis genommen werden konnte.120 Das Vorbenutzungsrecht sollte daher nur den durch den Erfindungsbesitz untermauerten Besitzstand erhalten, was daraus abgeleitet wurde, dass das Gesetz die Inbenutzungsnahme einer „Erfindung“ verlangt.121 Der Erwerb und die Ausübung des Besitzes mussten jedoch redlich sein, wenn ein Vorbenutzungsrecht entstehen sollte.122 Es handelte sich hier also um eine Billigkeitsvorschrift, durch die vermieden werden sollte, dass Aufwendungen, die zur Verwertung der Erfindung bereits gemacht wurden, wertlos wurden. Derartige Erwägungen waren jedoch dem unredlichen Besitzer gegenüber fehl am Platze. Derjenige, dem ein Vorbenutzungsrecht zustand, durfte die Erfindung für die Bedürfnisse seines Betriebes in eigenen oder fremden Werkstätten ausnutzen. Das Vorbenutzungsrecht stellte nicht eine Belastung des Rechtes am Patent dar, es bedeutete vielmehr die Anerkennung des auf Kenntnis und Erkenntnis des Erfindungsgedankens beruhenden Besitzstands.123 Es war ein originäres Recht. Soweit es reichte, konnte zugunsten des Inhabers des Patents kein Schutz bestehen.124
(b) Auswirkungen auf die ausschließliche/alleinige Lizenz
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Stellte sich nach Abschluss eines Lizenzvertrages heraus, dass ein Vorbenutzungsrecht an dem Lizenzgegenstand bestand, so waren die Auswirkungen unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um eine ausschließliche bzw. alleinige oder einfache Lizenz handelte. Durch die ausschließliche Lizenz – das Gleiche galt im Prinzip auch für eine alleinige Lizenz – sollte dem Lizenznehmer eine Monopolstellung eingeräumt werden.125 Diese wurde durch das Vorbenutzungsrecht in einem mehr oder weniger starken Maß beeinträchtigt. Das Reichsgericht hatte daher schon in seiner Entscheidung vom 3.2.1912 dem Lizenznehmer ein Minderungsrecht eingeräumt.126 Die Lizenzgebühr konnte dabei in dem Verhältnis herabgesetzt werden, in dem der Wert der Lizenz ohne Vorbenutzungsrecht zu dem der Lizenz mit Vorbenutzungsrecht stand. In der Entscheidung des Reichsgerichts vom 25.4.1936127 wurde lediglich festgestellt, dass das nachträgliche Bekanntwerden von Vorbenutzungsrechten nicht ohne Weiteres eine Kündigung des Vertrages rechtfertigte. Es wurde dazu ausgeführt, dass es sich für den Lizenznehmer um ein gewagtes Geschäft handle, und nicht jede Enttäuschung in seiner Erwartung berechtige ihn, sich davon loszusagen. Er müsse mit dem Bestehen solcher Vorbenutzungsrechte rechnen. Das Reichsgericht ging offenbar auch hier davon aus, dass in erster Linie ein Minderungsrecht in Betracht kam. Ein Kündigungsrecht sei nur zu bejahen, wenn besondere Umstände vorlägen. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Lizenz infolge des Vorbenutzungsrechts nahezu wertlos werde. Die Auffassung des Reichsgerichts stützte sich auf die im Schrifttum herrschende Meinung.128
Reimer schloss sich der von Rasch vertretenen Auffassung an, wonach der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz zwischen Kündigung und Minderung wählen konnte, wenn sich herausstellte, dass ein Vorbenutzungsrecht bestand.129 Begründet wurde dies damit, dass bei der ausschließlichen Lizenz dem Lizenznehmer das alleinige Verwertungsrecht eingeräumt werden sollte; dies sei jedoch beim Bestehen eines Vorbenutzungsrechts nicht möglich.
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Entsprechend dieser Auffassung war dem Lizenznehmer ein Wahlrecht zwischen Kündigung und Minderung einzuräumen, sofern in das Lizenzrecht durch das Vorbenutzungsrecht nicht nur unerheblich eingegriffen wurde oder die Auswirkungen nicht eindeutig überschaubar waren.130 Das Kündigungsrecht und das Recht auf Minderung konnten dabei ohne Schwierigkeiten aus dem Pacht- und Mietrecht abgeleitet werden.131 Einen Anspruch auf Schadensersatz hatte der Lizenznehmer nur, wenn den Lizenzgeber ein Verschulden traf.
(c) Auswirkungen auf die einfache Lizenz
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Zu der Frage der Auswirkung eines Vorbenutzungsrechts auf eine einfache Lizenz lagen, soweit ersichtlich, keine gerichtlichen Entscheidungen vor. In diesem Fall war das Vorliegen eines Vorbenutzungsrechtes auch weniger schwerwiegend, weil der Inhaber einer einfachen Lizenz ohnedies damit rechnen musste, dass weitere Lizenzen erteilt werden. Dementsprechend wurden in der Literatur dem Lizenznehmer regelmäßig keine Ansprüche gegen den Lizenzgeber zugestanden, weil der vertragsgemäße Gebrauch weder ganz noch teilweise entzogen wurde.132 Rasch133 wollte jedoch in diesem Fall dem Inhaber einer einfachen Lizenz das Recht zur Minderung und auch zur Kündigung geben. Er begründete dies damit, dass weitere Lizenzen nur gegen Entgelt erteilt werden dürfen, während das Vorbenutzungsrecht unentgeltlich sei und daher dem Berechtigten Konkurrenzvorteile verschaffe. Abgesehen davon, dass der Inhaber des Vorbenutzungsrechtes häufig Entwicklungskosten zu tragen hat, besteht auch bei Erteilung einer einfachen Lizenz die Gefahr, dass sich die Konkurrenzlage zuungunsten des Lizenznehmers verschlechtert. Dem Lizenznehmer wird durch die einfache Lizenz lediglich ein Benutzungsrecht am Monopolrecht des Patentinhabers eingeräumt. Die Absicht, einen Vorsprung vor der Konkurrenz zu erlangen, wird zwar oftmals für den Lizenznehmer Beweggrund zum Abschluss des Vertrages sein, die Sicherung des Konkurrenzvorsprungs ist jedoch in der Regel nicht Vertragsinhalt. Ein evtl. Vorsprung kann schon durch die Erteilung weiterer Lizenzen verloren gehen. Wird die Produktion durch das Bestehen eines Vorbenutzungsrechtes für den Lizenznehmer unrentabel, so kann er aufgrund allgemeiner Grundsätze ggf. kündigen, weil es ihm nicht zugemutet werden kann, mit Verlust zu arbeiten.
(4) Zwangslizenz
(a) Allgemeines
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Eine Zwangslizenz wird nach § 24 des Patentgesetzes auf Antrag eines Lizenzsuchers erteilt, wenn die Erteilung im öffentlichen Interesse geboten ist und der Patentinhaber sich weigert, die Benutzung der Erfindung dem Lizenzsucher zu gestatten, der sich erbietet, eine angemessene Lizenz zu zahlen. Das Patent muss jedoch bereits erteilt sein.134
Das öffentliche Interesse, das zur Erteilung einer Zwangslizenz erforderlich ist, kann auf den verschiedensten Gründen beruhen.135
(b) Auswirkungen auf die ausschließliche/alleinige Lizenz
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Über die Auswirkung einer