Ich war es gewohnt, dass ich, wie die jüngsten, viele meiner Bekanntschaften bereits nach kurzer Zeit nie wieder traf. Oftmals hatte ich sie nur für wenige Stunden erdulden können. Die Geschöpfe schmissen sodann beleidigt den Kopf in ihre Nacken und straften mich mit dem letzten Rest ihres Stolzes ab. Zickig löschten sie jeden Kontakt. Es war mir gleichgültig, denn ich gestand mir allmählich eine andere Wahrheit ein. Im Grunde war ich von den Frauen seit langer Zeit schon gelangweilt, enttäuscht und frustriert. Mehr, als sie mit höchster, innerlicher Genugtuung nach dem Gebrabbel wirrer und fadenscheiniger Eingeständnisse zu ficken, interessierte mich nicht. Ein Zeitfenster der Liebe namens Eve war die Ausnahme. Meine Absicht und mein Triumph zugleich waren, gesunde zwanzig Zentimeter Männlichkeit in die dafür vorgesehenen Spalten dieser Stadt zu stecken, vielleicht noch sie kurz vor ihrem Orgasmus in die Warteschleife zu schicken, damit sich ihre Geilheit steigerte. Die Dame mit jener herrlich üppigen Oberweite war die letzte Begegnung meiner Gerissenheit gewesen. Nach Lage der Dinge war sie der Beginn in alte Zeiten zu verfallen. Meine Kompromissfähigkeit bestand allein darin, den Verstand aus und die Ohren auf Durchzug zu schalten.
Eine Ehrlichkeit nach der anderen begann mich taumelähnlich und doch in nie zuvor erlebter Deutlichkeit zu beschäftigen. Ich war es ganz einfach leid geworden, mich mit Frauen auseinanderzusetzen. Ich befriedigte in ihrer Anwesenheit allein meine Triebe. Die Welt der Frauen, so wie ich sah, war ein verlogenes Schauspiel ihrer Ängste. Saß ich in fröhlicher Runde zusammen, gefiel ich mir, kam die Sprache auf die Unmöglichkeiten zwischen Frauen und Männern, mit dem Vortrag, dass Frauen das einzige Thema war, über das ich reden konnte, ohne die geringste Ahnung davon haben zu wollen. Mit ging nicht und ohne auch nicht. Wie oft denn noch, schrie ich innerlich auf.
Ihre Reden, ihr Gehabe, ja ihr grundsätzliches Wesen rüttelten seit Jahren schon an den Fundamenten meiner Großzügigkeit. Wenn Frauen nicht schön waren. Ein Großteil ihrer Sätze fing zu oft mit eigentlich an und endete nie. Ich ertrug ihre Stimmungen nicht mehr. Ihre ständigen Launen waren mir zum Gräuel geworden. Sollten sie doch komplexer sein in ihrem Seelenleben, als ich es jemals werden würde. Auf diese Komplikationen hatte ich einfach keine Lust mehr. In gewisser Weise hatte ich vor ihnen kapituliert. Und. Ich selbst war ebenfalls austauschbar geworden. Ich spielte ihre Spiele, ich redete ihnen nach dem Mund, ich dosierte Widerstand, ich begegnete ihnen mit Charme, ich interessierte mich für ihre Probleme, ich fragte nach und hörte zu, ich übte Verständnis, ich lud sie ein. Doch alle Zugeständnisse waren einzig dem Willen und Zwang untergeordnet, sie ordentlich zu ficken. Eve hatte ich in den letzten Wochen bereits mehrfach belogen und betrogen. Es war, wie es früher gewesen war. Ich bestrafte mich mit meinem Umgang mit ihnen für mein eigenes, unerfülltes Dasein.
Wie in der Vergangenheit interessierte mich auch jetzt wieder nicht, was die Frauen suchten, was Sabrina suchte. Was ich suchte, fand ich auch. Spätestens aber, wenn sich ein Liebesakt ausschließlich auf ausgeprägten Oralverkehr beschränkte, fing stets das gleiche Drama an. Es war der Startschuss für ihren Drang mich verändern zu wollen, wohl weil sie dachten, einen Dienst genauso geleistet wie erduldet zu haben, der meine Trimmung auf ihr langweiliges Maß rechtfertigte.
In mir begann es zu hämmern und zu dämmern. Ich dachte an Eve. Reihenweise würde sie die Kerle in ihrer Heimat verrückt machen, dessen war ich mir sicher. Ihr Liebreiz war betörend. Trat sie Menschen gegenüber, verursachte ihre Faszination unverzüglich das Verlangen, in ihrer Nähe sein zu wollen. Sie war mir zehn Stunden Lebenszeit voraus. Ich fragte mich, ob sie gerade schlief oder in einer der beiden Bars abhing, die rund um die Uhr geöffnet hatten und in der man sich in Melbourne traf, wenn es einen juckte. Vielleicht würde sie ihn dort treffen, ihren Befreier. Wieder quälte mich meine Eifersucht, diese hässliche Raserei. Doch was nutzte es? Die Wahrheit stand unverrückbar vor uns.
Zwei Jahre hatten ausgereicht, um mit Eve erneut an der Nulllinie zu stehen. Das Glück der einzigen, wahren Liebe im Leben war eine Illusion, fluchte ich innerlich, auch wenn sich die amerikanische Filmindustrie und ein paar letzte, aufrechte Romanromantiker beharrlich alle Mühe gaben, das Gegenteil zu erzählen. Sie verdienten mit der zentralen Sehnsucht der Menschen Geld. Sie zockten mit uns. Sie wussten es besser. Ganze Wirtschaftszweige vermarkteten die Emotionen der Menschheit. Eine Versicherung für die Liebe aber hatte niemand im Angebot.
Ihr zu begegnen schloss ein, sie erkannt zu haben. Sie erkennen zu können bedeutete, selbst für sie in der Lage zu sein, was die meisten schon grundsätzlich nicht waren. Der milliardenfache Kompromiss der Menschen, mit einem anderen zusammen zu sein, um nicht alleine zu sein, stank wie fauler Fisch. Doch wenn man ihn jeden Tag roch, gewöhnte man sich selbst daran. Ich kannte die scheinbar unausweichliche Entwicklung, wenn die Glückshormone in einem so lange wie Brausepulver mit Spucke versehen in der Hand sprudelten, bis einen der einst so prickelnd süße Geschmack abstieß und man schließlich kotzen musste. Ich kannte diese bleiernen Zeiten, die der Liebe folgten, die mir genommen worden war. Meine erste Freundin, die ich wahrlich geliebt hatte, ging zu ihrem ersten Freund zurück. Meine zweite Freundin, die ich wahrlich geliebt hatte, verließ mich, weil ich aus mir etwas machen wollte. Meine dritte Freundin, die ich wahrlich geliebt hatte, entzog mir ihre Gefühle, weil ich noch mehr aus mir machen wollte. Meine vierte Freundin, die ich wahrlich geliebt hatte, machte sich davon, weil ich mich selbst für das, was ich geschafft hatte, nicht lieben konnte. Und seit zwei Jahren liebte ich eine Frau, die sich selbst irgendwo zwischen diesen Lebensabschnitten im Weg stand. Früher oder später. Die Lieben meines Lebens waren in der Bilanz die Angelegenheiten eines Schlappschwanzes, der ich nie sein wollte.
Ich versuchte eine Größe für die Zeiten zu finden, in denen ich die Liebe suchte aber nicht gefunden hatte. Ich versuchte, eine Größe für die Zeit zu finden, in der ich das Gefühl besaß, der Liebe begegnet zu sein und glücklich war. Das eklatante Missverhältnis machte mich noch unruhiger. Dachte ich über die vielen Millionen von Menschen nach, denen es bislang ähnlich ergangen war, schüttelte ich fassungslos den Kopf ob all der schönen, vergeudeten Zeit. Die Folgen millionenfacher Rosenkriege, gleichgültig ob mit oder ohne Unterhaltsstreitigkeiten, waren unabschätzbar geworden. Seelische Schäden durch Liebeskummer waren genauso schwerlich zu beziffern wie die Kosten für Psychiater, Medikamente und Krankentage. Wollte man ein Auto fahren, musste man seine Sozialverträglichkeit mit einem Führerschein nachweisen. In der Liebe und auf der Suche nach ihr wurde jeder auf jeden losgelassen, ohne auch nur irgendeine taugliche Befähigung vorlegen zu müssen.
Eine andere Qualität menschlicher Ignoranz beschäftigte mich. Waren neunzig Prozent der Menschheit dumm und blöd, machten sie sich diese und andere Gedanken nicht, etwa den der Gefahr für unsere Gesellschaft, wenn der Rückzug ins Private ausschließlich das eigene Heil kannte und jede Energie samt Aufmerksamkeit für globale Zusammenhänge fraß. Sie waren glücklich, nach ihrem Maß jedenfalls, sobald sie die Liebe gefunden hatten und in ihrer kleinen, beschränkten Welt vor sich herlebten. Was ging einen da noch das große Ganze an? Dass sie mit ihrer Beschränktheit, Bequemlichkeit und Gleichgültigkeit zu Volksverdummung, Krisen, Kriegen, Klimakatastrophen und letztlich zum Untergang der Menschheit beitrugen, störte sie nicht. Warum auch? Sie waren zu blöd um zu begreifen, was ihr Liebesglück wirklich wert war, wenn alles um sie herum in Schutt und Asche lag.
3
Das einzige, das Frauen niemals werden
manipulieren können, ist der Augenblick.
Bedrückender, als in der Liebe von den Menschen enttäuscht zu werden, war der grundsätzliche Zweifel an diesem Gefühl. Seit Wochen kam es mir so vor, dass ich meinen eigenen Willen nicht mehr kannte. Alle Zumutungen und Enttäuschungen wogen einfach zu schwer, als dass Seele sie unbeschadet ertragen hatte. Die Herausforderung war groß und bedeutete Auseinandersetzung statt Flucht zu suchen, im Unglück Klarheit über sich selbst zu gewinnen. Wie war es möglich, dass ich der einst so starken Gefühle zu Eve müde und