Solange sie schlief. Matthias Rathmer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Matthias Rathmer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844271591
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mir ein, weil mein Verstand sich regte und mitteilte, wie stumpf und oberflächlich meine Gedanken waren, dass er einer Frau, die er zum ersten Mal gesehen hatte, nicht auf ihre Brüste und ihren Hintern geschaut hatte, in welcher Reihenfolge auch immer, so log er. Je wohlgeformter desto höher das Gefallen in ihm, desto leichtsinniger wurde er, desto teurer wurde sie. Auf welche Äußerlichkeiten die Frauen bei den Männern achteten, wenn sie paarungswillig waren, war gewiss breitspanniger, auch deswegen, weil ein wesentlicher körperlicher Unterschied bis zu seiner Offenbarung allein der Vision mit einer großen Portion Hoffnung überlassen blieb.

      Sie trug eine kurze, weiße Hose, ein hellblaues Shirt mit einer nichts sagenden Aufschrift, ein schwarzes Bikinioberteil darunter, modische Flipflops mit Strasssteinen besetzt, eine Sonnenbrille mit Gläsern, die ihr fast das ganze Gesicht nahmen und, natürlich, eine Handtasche. Beide hatten mit ihrer Namensnennung nach offensichtlich vorheriger Anmeldung ganz behördlich korrekt den für diesen Tag freigehaltenen Bereich des Lokals passiert, der für die Grillparty eines Klamottenlabels abgesperrt worden war. Sie ließ ihre Begleiterin vorgehen und damit die letzte Hürde zuerst nehmen. Schlaue Frauen drängten sich nicht gleich auf, urteilte ich erfreut über die Fähigkeit ihres Benimms. Waren sie zu zweit oder zu mehreren unterwegs, ließen die der klugen Art immer die vorangehen, die über den größeren Anteil des Mannes in sich und ihrem Benehmen verfügte. Besaß man genügend Zeit und noch mehr Lust Frauen in verschiedenen Lagen zu studieren, war es ein Leichtes, ihnen auf ihre Schlichen zu kommen. Es war erstaunlich, wie viel Zeit und vor allem Geld Männer sparen konnten, wenn sie sich die Frauen genauer ansahen.

      Die beiden bezogen eine Bettliege, die das Strandlokal anbot, um sich so schamlos wie möglich den warmen Strahlen zu ergeben. Die Matratze war mit einem leuchtend weißen Laken bespannt, auf dem nicht ein Krümel Sand lag und dessen Enden längs wie quer so penibel unter- und eingeschlagen worden waren, dass jeder Rekrutenausbilder der Bundeswehr seine Freude daran gehabt hätte. Sie zogen dennoch kleine Deckchen aus einem bereitgestellten Korb und legten sich dann erst ab.

      Was genau ihr Unbehagen erzeugt hatte, konnte ich nach ihrem kurzen Dialog abermals nicht sofort deuten, jedenfalls wechselten sie schon nach ein paar Sätzen wieder den Platz. Die Liege stand in der Mitte des abgesperrten Areals. Möglicherweise befürchteten sie, wahllos zum Objekt von Tratsch oder Begierde zu geraten, oder sie bemängelten die Aussicht, um selbst ungestört glotzen und quaken zu können. Es war der Sonnenstand, der ihnen missfallen hatte, wie der Umzug auf eine andere Liege gleicher Art ein paar Meter weiter zeigte. Sie waren früh genug gekommen, um an Sitz- und Liegemöglichkeiten wählen zu können. Entweder kannten sie die Beliebtheit der Strandbar und hatten schon Tage zuvor in bester weiblicher Vorausplanung berechnend die Rahmenbedingungen für ihr Sonnenbad festgelegt, oder sie hatten einfach Glück, weil eine Vielzahl der erwarteten Gäste an diesem Sonntagmittag noch beharrlich mit der Spaltung diverser Alkoholketten nach durchzechter Nacht beschäftigt waren.

      Sie brauchten nur eine kurze Zeit der Eingewöhnung. Geübt darin, zügig Besitz zu ergreifen, hatte sie die neue Umgebung beobachtet, allzu aufdringliche, potenzielle Gefahrenherde in Form von geifernden Männeraugen weitestgehend ausgeschlossen und ein erstes Mal an dem Strohhalm ihrer Drinks genippt. Dann fielen die Hüllen. Die bevorstehende Offenlegung ihrer Brüste lud mich unverzüglich zu einer Reihe nicht zu verhindernder Vorstellungen ein, zuallererst jedoch mich an ihnen auszuruhen. Ihre Haut war Sonne gewohnt. Nahtlos glänzte mir ihre Bräune auf jenem Deckchen entgegen, das sie so sorgfältig ausgebreitet hatte, wie das Laken gewaschen und die Liege bezogen worden war. Das Selbstbewusstsein einer Frau, so überlegte ich, war vortrefflich daran zu erkennen, ob und mit welchem Bikini sie sich bei Gelegenheiten wie dieser der Allgemeinheit stellte. Die, die es sich ohne jeden Makel leisten konnten, verschwendeten nicht einen Zweifel daran, sich in ein paar Stofffetzen zu hüllen, die jedem Typen Wellen von Begierden im Kopf und eine Dauererektion in der Hose verursachten. Die Frauen, die schlichtweg zu dick oder zu dünn waren oder andere Übel an sich peinlich fanden, kamen entweder erst gar nicht, trugen Badeanzüge, Strandkleider oder die Shirts ihrer Männer, die an beiden Zuständen litten. Entsprechend unterkühlt waren ihre Blicke. Die der Frauen natürlich. Meine Auserwählte trug einen geradezu unanständigen Stringtanga, der an ihren Hüften mit je einem Bändchen zusammengeknotet war. Wann und von wem wohl diese Schlingen das letzte Mal gelöst worden waren, fragte ich mich und schwelgte sogleich in neuen Fantasien, deren Entstehung nicht zu steuern war.

      Ich schätzte sie so um die dreißig. Immerzu gierte ich nach ihren so reizenden Rundungen. Ihre Brüste lagen auf ihrem Oberkörper wie zwei erschlaffte Kriegerinnen, die sich von der täglichen Doppelbelastung zu erholen schienen. Ich fragte mich, welche Nippel sie wohl besaß und ob sie ihren Unterleib genauso akkurat rasierte wie ihre Achsel- und Beinhaare, denn nichts war schlimmer, als Turnübungen auf einer Bastmatte vollziehen zu müssen oder einen Dschungel zu durchforschen, der kein Ende nehmen wollte. Die Enge und Knappheit ihrer reizenden Genitalbedeckung ließen Erfreuliches vermuten. Da nämlich konnte reden, wer wollte. Eine Vagina zu küssen oder einen Kitzler zu bezüngeln geriet nur dann zum wahren Genuss, wenn diese weibliche Natürlichkeit auch beschnitten war. Schamhaare zwischen den Lippen oder auf der Zunge waren einfach unangenehm, vor allem aber ein Indiz weiblicher Verschlafenheit. Verängstigte Männer, die meinten ein Kind oder eine Minderjährige vor sich zu sehen, wenn Frauen schamhaarbefreit vor ihnen lagen, waren Wirrköpfe. Sie taten genauso simpel wie gut daran sich zu erinnern, wem sie Momente zuvor das Höschen ausgezogen hatten.

      Dass sie vor kurzem noch in südlicheren Gefilden unterwegs gewesen sein musste, verriet dazu ihr souveräner Umgang mit Sonnencreme. Flink wie Mütter Kinderhäute mit jenem Schutz versahen, waren die weißen Schlangen einmassiert. Sie musste mit einer Arbeitskollegin gekommen sein, schätzte ich, denn eine Freundin wäre ihr beim Eincremen des Rückens gewiss ohne Zögern hilfreich zur Seite gestanden. Gerne hätte ich ihr den ganzen Körper mit Babyöl eingerieben, um anschließend mit ihr zusammen ins Reich der Sinne davonzufließen. An ihren Oberschenkeln schimmerte Orangenhaut, gerade so viel, dass es zu ertragen war. Ich erinnerte mich plötzlich an eine Diskussion mit Eve, die mich energisch unterbrochen hatte, als ich eher zum Spaß lapidar dahergequatscht hatte, dass Zellulitis unwiderruflich und eindeutig ein Scheidungsgrund war. Eve empörte sich über Minuten, wie ich so etwas auch nur denken konnte. Sie hatte mich einfach nicht ausreden lassen, denn Bierbäuche waren es auch.

      Die unbekannte Schönheit sonnte sich ausgiebig, schien jedoch nicht die Behaglichkeit zu finden, nach der ihr war. Genau wie ich auch. Sie drehte auffällig Haare, wie jede Frau Haare drehte, wenn sie mehr sagen wollte, als sie konnte oder durfte. Legte sie sich auf den Bauch oder auf die Seite, schloss ich die Augen. Ihre Nähe musste wunderbar sein. Ich sah mich bereits erschöpft und beseelt neben ihr liegen und visionierte, wie meine Säfte langsam ihre Schenkel hinunterflossen, nachdem ich sie zuvor von hinten genommen hatte, ihr jedoch versprechen musste, nicht in ihr zu kommen, weil sie nicht verhütete, und wir uns auf diese Art verständigt hatten, wo wir doch immerhin schon kein Kondom benutzten. Ich fragte mich, ob sie wohl die Penetration anderer Körperöffnungen mochte und zog eine Reihe weiterer, erotischer Wünsche in Betracht, während sie ein Buch las, sich die Lippen einschmierte, an ihrem Strohhalm nippte und vom Buffet aß.

      Sie kam zweimal von den dargereichten Auslagen zurück und bevorzugte Salat und mageres Grillfleisch, dessen Zubereitung Rauchschwaden erzeugte, die sich kreiselnd in die Lüfte schwangen und deren Geruch an noch niedere Instinkte appellierte. Wie ein Adler visierte ich sie weiterhin mit hoher Konzentration an. Dann und wann schwatzte sie, doch wohl ohne Belang. Längere Konversationen schienen ihr fremd, zumindest an diesem Tag, wie ich hoffte. Sie trug keinen Ring und aß ein Schokoladeneis. Darauf trank sie eine Diätcola. Dann ging sie.

      Ich war gekommen, um an diesem Ort ein Manuskript zu polieren. Abwechselnd waren meine Gedanken zuvor bei Eve, dem Drehbuch und einigen anderen Frauen in und außerhalb dieses Lokals gewesen. Nun ließ mich dieses Fabelwesen nicht mehr los. Ich hatte das drängende Bedürfnis, sie für mich begeistern zu wollen. Ich verspürte wie einst, als ich Eve zum ersten Mal gesehen hatte, das Begehren in jede ihrer Körperöffnungen eindringen zu wollen, ohne zu wissen, wer sie war, was sie dachte, wie sie lebte und ob sie das mochte. Sie verschwand im Gewühl der Gäste. Als ich ihr nachblicken wollte, den Gedanken im Kopf hinter ihr herzuhecheln, etwas reichlich Dummes zu fragen oder mich vor ihr Auto zu werfen, war sie bereits nicht mehr auszumachen.