In grauen Zonen. Christian Toepffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Toepffer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738031447
Скачать книгу
gehen kann ich wohl auch hier. Meine Familie weiß, dass ich nicht korrupt bin, unsere Freunde werden sich das auch denken, und auf den Rest lege ich ohnehin keinen Wert. Wenn das alles vorbei ist, werde ich allerdings auf einer Genugtuung bestehen.“

      Als sie aufstanden, sagte Husmeyer noch: „Ich habe mich noch auf die Schnelle über deine Oberstaatsanwältin erkundigt. Sie heißt Hohlmüller, ist politisch schwarz, sozial tätig, sehr ehrgeizig, eine Gutmenschin auf Kriegspfad.“

      Kurz darauf trafen sie sich vor dem Haftrichter mit der Staatsanwältin. Sie trug einen dunklen Hosenanzug, der ihre schlanke Figur betonte, eine Brille mit schwarzem Gestell und einen Haarknoten. Das und ihre Stimme erinnerten Georg an seine Tante Luise und deren Erziehungsversuche.

      Wie erwartet, wurde er aufgefordert, näheres zu dem Memorandum zu sagen. „Dazu gibt es nichts weiter zu bemerken, das Memorandum erklärt sich aus sich selber, es steht schon alles drin, was ich zu der Angelegenheit sagen kann.“ „Was halten Sie von jemandem, der einen Mord beobachtet, aber eine Aussage verweigert mit der Begründung, er habe schon einen Aufsatz über das fünfte Gebot geschrieben?“ „Ich habe weder selber ungesetzliche Handlungen begangen noch war ich Zeuge von solchen.“

      „Das ist nicht wahr. Ich habe hier eine Zusammenfassung von Aussagen, die ein Dr. van Reenen bei der Untersuchung gegen Dr. Malandela Gumede gemacht hat.“ Also doch ein Renegat, jetzt verrät er uns.

      „Sie haben sich vor fünf Jahren unter konspirativen Umständen an einem geheimen Ort in Südafrika getroffen.“ „Erst in Gumedes Dienstvilla in Johannesburg, dann in einer Station der Grenzpolizei, die war zwar abgelegen, aber aus Sicht der südafrikanischen Behörden sicher nicht geheim.“ „Liegt diese Station nicht etwa in Crook's Corner?“ „So heißt seit über hundert Jahren die nordöstliche Ecke des Krügerparks, am Limpopo, wo sich Südafrika, Zimbabwe und Mozambik treffen.“

      Die Staatsanwältin wollte unbedingt einen Punkt machen: „Muss man das nicht mit ‚Gaunerecke‘ übersetzen?“ Husmeyer griff ein: „Lassen Sie doch bitte diese Polemik! Der Name des Ortes, an dem eine Handlung stattfand, kann doch nicht deren Schuldhaftigkeit begründen.“ Der Haftrichter knurrte zustimmend, die Staatsanwältin wechselte das Thema.

      „Sie haben keine Dienstreise abgerechnet, wollten keine Spuren hinterlassen.“ „Meine Frau und ich waren aus privatem Anlass in Südafrika, aus Spaß, wenn sie so wollen, wegen einer Sonnenfinsternis.“ „Sie haben doch aber mit Gumede und van Reenen über Geschäfte geredet?“ „Ja.“

      „Sehen Sie, und van Reenen sagt, Sie hätten dort ein Scheingeschäft zugunsten einer Firma ‚African Electric‘ verabredet. Diese Firma haben Sie zusammen mit Gumede und anderen schon Jahre vorher zu eben diesem Zweck gegründet. Wir haben zahlreiche Schriftstücke, Berichte, Reden, aus denen eindeutig hervor geht, dass Sie darauf sogar stolz sind.“ „Sie vermischen hier Wahres mit Unwahrem. Es ist richtig, dass ich an der Gründung von African Electric beteiligt war und dass ich den Anstoß dazu sogar selber gegeben habe. Aber wir haben nicht beabsichtigt, Scheingeschäfte zu tätigen, und solche sind mir auch nicht bekannt. Ganz bestimmt haben ich aber bei meinem Treffen mit Gumede und van Reenen anlässlich der Sonnenfinsternis im Dezember 2002 nichts Korruptes oder sonst Unrechtes verabredet. Unsere Zusammenarbeit war in jeder Beziehung einwandfrei.“

      „Nicht doch, warum sollte Gumede denn dann verhaftet worden sein? Sie haben vielmehr Geld gewaschen – mithilfe eines Vorhabens, das Herr van Reenen als völlig unnütze Pseudoforschung bezeichnet. Sie wollten dünne photovoltaische Schichten herstellen, gut. Aber statt sich dafür gleich für das aussichtsreiche Verfahren zu entscheiden, haben Sie parallel dazu auch noch eine veraltete Methode vorgeschlagen. Da ist viel ElteX-Geld verbrannt worden. Oder eben nicht verbrannt, sondern in den Taschen von Gumede und seinen African Electric Genossen gelandet.“

      Wir mussten Gumede und den Seinen auch etwas zum Forschen geben, das war einfach nötig, um ihnen Respekt zu zeigen. Aber ich fürchte, das übersteigt ihr Vorstellungsvermögen. Lieber nicht so. „Nein, eben weil die neue Technik einer Abscheidung aus einem Plasma zwar vielversprechend, aber noch nicht ausgereift war, haben wir daneben noch die andere Methode weiterverfolgt, Abscheidung aus dem Dampf, bei der die Südafrikaner schon einige Erfahrungen hatten. Es gab einen freundschaftlichen Wettbewerb zwischen beiden Gruppen, schließlich entschieden wir uns aus wirtschaftlichen Gründen für die Plasmamethode. Darüber gibt es Projektbeschreibungen, Fortschrittsberichte, Ergebnisprotokolle und sogar Veröffentlichungen in allgemein zugänglichen wissenschaftlichen Zeitschriften. Van Reenens Behauptung, die Sie ja unbesehen übernehmen, es seien keine Leistungen für die gezahlten Gelder erbracht worden, ist frei erfunden.“

      „Sie räumen doch aber selber ein, dass die Dampfmethode nicht leistungsfähig war.“ „Nicht so leistungsfähig wie die andere, aber dazu mussten wir doch erst einmal beide Verfahren untersuchen. In der wissenschaftlichen Forschung, Frau Oberstaatsanwältin, strebt man nach Erkenntnissen über das noch Unbekannte. Es gibt keinen Königsweg, der sicher zum Erfolg führt. In diesem Fall haben wir eine unternehmerische Entscheidung getroffen, der wissenschaftliche Überlegungen zugrunde lagen. Das entzieht sich überhaupt einer juristischen Beurteilung.“ Fehler, ich habe zwar recht, aber hier will ich Recht bekommen und hänge dafür von drei Juristen ab. Mallwitz sah mit einem Blick: Die Staatsanwältin presste ihre Lippen beleidigt aufeinander, der Haftrichter zog, Erstaunen spielend, die Augenbrauen hoch, während Husmeyer die Augen zusammenkniff und eingriff:

      „Selbst eine fachlich mangelhafte Abwägung zwischen verschiedenen technischen Verfahren kann keine Untersuchungshaft begründen. Dazu können sich, falls gewünscht, Sachverständige im Hauptverfahren äußern, wenn ein solches überhaupt stattfindet. Jetzt muss die Anklage Beweise für einen dringenden Tatverdacht vorlegen und nicht lose Verknüpfungen von Vermutungen und Behauptungen. Mein Mandant hat innerhalb des Hauses ElteX nachweislich darauf gedrängt, die jeweiligen gesetzlichen Regeln für den Geschäftsverkehr einzuhalten, und daran hat er sich auch selber gehalten. Sie haben nichts, was das Gegenteil beweist, außer einer Zusammenfassung angeblicher Aussagen eines Herrn van Reenen vor den südafrikanischen Strafverfolgern. Sie haben sich nicht einmal die Mühe gemacht, das in die Gerichtssprache, Deutsch, zu übersetzen. Aber auch das würde nichts daran ändern, dass die Äußerungen von van Reenen für uns wertlos sind, solange wir ihn nicht selber befragen können und uns davon überzeugen können, dass sie unter rechtlich einwandfreien Bedingungen zustande gekommen sind. Es ist bekannt, dass sich die National Prosecution Agency politischem Druck unterwirft.“

      Der Haftrichter mischte sich ein: „Das klingt mir doch etwas polemisch. Wir erkennen Südafrika als Rechtsstaat an. Mit einer solchen Unterstellung können sie den dringenden Tatverdacht nicht ausräumen.“

      Dann kündigte die Staatsanwältin an, gleich im neuen Jahr nach Südafrika zu fliegen und dort selbst weiter zu ermitteln. „Und bis Sie da fertig sind, soll mein Mandant erst mal in Untersuchungshaft sitzen? Mit welcher Begründung? Fluchtgefahr? Dann nehmen Sie ihm doch seinen Pass ab. Wiederholungs- oder Verdunkelungsgefahr? Wie sollte er Abreden mit Gumede treffen, der in Südafrika einsitzt? Sie wollen Herrn von Mallwitz mit der Untersuchungshaft einschüchtern. Sie wollen ihn ausforschen, in der Hoffnung irgendwelches Material zu gewinnen, dass die unter politischem Druck stehenden Ermittlungen gegen ElteX voranbringen könnte. Das ist ganz ausdrücklich kein Haftgrund.“ „Nein, außer dem dringenden Tatverdacht besteht eben auch die Gefahr der Verdunkelung. Über Jahre hinweg hat Herr v. Mallwitz nicht nur Scheinfirmen gegründet, sondern deren wahren, rechtswidrigen Zweck erfolgreich verschleiert. Der ElteX-Vorstand räumt ein, dass Handlungen von großer krimineller Energie vorgefallen sind. Es kann nicht bezweifelt werden, dass Herr v. Mallwitz versuchen würde, seine Spuren weiter zu verwischen, wenn er in Freiheit bleibt.“

      Das überzeugte den Haftrichter, er entschied auf Untersuchungshaft bis zu einem Prüfungstermin nach Rückkehr der Frau Hohlmüller aus Südafrika. Die verabschiedete sich mit froher Miene, hatte aber immerhin den Anstand, Wünsche für ein frohes Fest zu vermeiden. Husmeyer zuckte mit den Achseln. „Halte den Kopf weiter hoch, ich bin für dich da.“ Ein Wärter brachte den Häftling zurück in seine Zelle.

      Die bisherigen Abläufe erschienen Georg folgerichtig. Natürlich war ihm die Haft nicht