In grauen Zonen. Christian Toepffer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Toepffer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738031447
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absehbare Zeit auch nichts laufen, wir verfolgen zu unterschiedliche Konzepte. In Deutschland sind wir froh, den Europäischen Druckwasserreaktor zu haben, als ein ausgereiftes Arbeitspferd, mit dem man dem hochgeputschten Misstrauen gegen die Kernenergie noch am ehesten begegnen kann. Ehrgeizige neue Entwicklungen wie den Kugelhaufenreaktor haben wir euch überlassen. Es würde mich nicht wundern, wenn wir die einmal von euch kaufen müssten. Aber wir müssen auf die zeitlichen Maßstäbe von Politikern achten, eine Wahlperiode, und auf die der Wirtschaft, ein Quartal, und da liegt das noch in ferner Zukunft. Bei der Photovoltaik mit dünnen Schichten ist das anders. Da kann ich mir gut vorstellen, dass ihr euch bestens einbringen könnt. Das kann und werde ich beim ElteX-Vorstand vertreten. Natürlich müssen beide Seiten mit offenen Karten spielen. Die Experten müssen sich treffen: Wer kann schon was, wie viel ist das wert, wer muss noch was machen und wie viel wird das kosten? Da werden die Wissenschaftler und Ingenieure gefordert sein, denn die Kaufleute werden Zahlen haben wollen, die man bestenfalls nur schätzen kann. Und unsere Lieblinge, die Controller und Juristen, werden sich nach allen Seiten so absichern wollen, dass sich gar nichts mehr bewegen lässt. Wir haben da diese Bedenkenträger, die einem immer sagen, was nicht geht. Ein guter Jurist sollte einen beraten, wie man sein Ziel auf legale Weise erreichen kann.“ „Du weißt doch“, sagte Gumede, „dass wir Afrikaner zäh verhandeln können, das haben wir seit Jahrhunderten in unseren Stammesversammlungen geübt. Das Vorhaben braucht sowohl unsere staatliche Rückendeckung als auch privaten Schwung. Euer Partner wird African Electric sein, van Reenen sitzt dort für uns im Aufsichtsrat.“ Meine Eltech-Ausgründung aus den achtziger Jahren hat uns über die politische Wende geholfen. Doch noch mal an alte Erfolge anknüpfen. Jetzt noch ein klarer Morgen für die Sonnenfinsternis, und die Reise wäre ein voller Erfolg.

      Als sie am nächsten Morgen aufstanden, lag ein dünner, hoher Cirrusschleier vor der Venus. Die Sonne ging auf und stieg, es sammelten sich tiefer liegende Wolken und zogen über den ganzen Himmel. Aber gelegentlich schien die sich verfinsternde Sonne durch eine Lücke. Sie hatten Glück, in den letzten Sekunden vor der Totalität verschwand das Licht, als ob es mit einem Dimmer auf der ganzen Welt abgeschaltet worden wäre. Trotz der Cirruswolken sah man die Korona, die Venus und einige Sterne. Nach einer guten Minute ging das Licht wieder an, alle, auch die herumstehenden Grenzpolizisten und die Flüchtlinge auf dem Hof der Baracke klatschten. Mallwitz hatte gehört, dass alle Sonnenfinsternisse für alle Betrachter nur Sekunden dauern. So hatten sie es erlebt. Er war froh, das Amateurfernrohr seines Sohnes zu Hause gelassen zu haben, es hätte eher vom Gesamteindruck abgelenkt.

      Einige Monate später hörte Mallwitz von Freunden aus Südafrika, dass der Kommandant eben jener Station wegen Übergriffen auf Flüchtlinge, Ausplünderung und Vergewaltigung vor Gericht stehe.

      3. Glänzende Geschäfte

      Husmeyer übernahm das Mandat, konnte aber erst am nächsten Tag kommen. Sie trafen sich in einem kahlen Besprechungszimmer. „Ich verteidige ungern Verwandte oder Freunde in kitzligen Angelegenheiten. Da besteht die Gefahr, dass sie glauben, die persönliche Beziehung verschaffe ihnen einen Anspruch auf einen Bonus bei der Wahrhaftigkeit. So etwa: Ich müsse es doch schon schaffen können, obwohl sie flunkern. Dabei gibt es für einen Verteidiger nichts Schlimmeres, als dass ihn der Staatsanwalt mit einer Lüge des Angeklagten bloß stellt. Umgekehrt erfreut die Verteidigung eine überschießende Phantasie der Anklage.“ Mallwitz erzählte von seinen Gesprächen mit Gumede und van Reenen während seiner Reise nach Südafrika. „Und was ist aus dem Projekt geworden, wie ging es weiter?“ „Ich trug das im Vorstand vor, der gab grünes Licht für Verhandlungen. Die wissenschaftlichen und technischen Dinge waren schnell geklärt. Jedenfalls bei bestem Wissen und Gewissen nach dem damaligen Stand der Kenntnisse. Und genau damit beginnen die Probleme. Wer das Unbekannte erforscht und das Neue entwickelt, kann die Kosten unmöglich genau angeben. Das ist ein Teil des unternehmerischen Risikos, über das die Manager gern reden, wenn es um ihre Bezüge geht, das sie aber in Wirklichkeit scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Jeder will sich absichern, mein Kollege Kallsen ganz besonders. Sehr anstößig war natürlich die parallele Entwicklung einer Abscheidung der dünnen photovoltaischen Schichten aus Dampf einerseits und aus einem Plasma andererseits. Zum einen hatten wir noch nicht die praktischen Erfahrungen, um eines der Verfahren vorzuziehen, zum anderen war klar, dass es in Südafrika ohne eine lokale Beteiligung an der Forschung und Entwicklung auch keine Produktion geben würde. Welchen Wert der Beitrag haben würde, war zweitrangig. Außerdem stand natürlich auch die Konkurrenz auf der Schwelle.“ „Das sollten wir besser nicht vertiefen. Selbst wenn man es beweisen könnte, würde es dich nicht entlasten.“

      „Ich möchte ja nur, dass du ein wenig unsere damalige Stimmung verstehst. Es ging einfach darum, um eines höheren Ziels willen auch solche Kosten in Kauf zu nehmen, die sich später als verloren herausstellen könnten. Unter ständigem Druck von Kallsen zerlegten wir das ganze Projekt in Teilschritte. Für jeden Schritt schätzten wir, so gut es eben ging, die Kosten, die Dauer, und welche Unsicherheiten dabei noch für uns erträglich sein würden. Einige Aufgaben würden unabhängig voneinander sein und könnten parallel erledigt werden, anderes müsste notwendigerweise aufeinander aufbauen. An geeigneten Schnittstellen sollte der erzielte Fortschritt aufgenommen und bewertet werden. Nicht alles war vorhersehbar, aber wir würden auf Unvorhergesehenes reagieren können. Die Planung musste belastbare Zahlen liefern, um die Kaufleute zufrieden zu stellen, und technisch hinreichend flexibel sein. Ich glaubte, an der Quadratur des Kreises zu arbeiten. Nein, eigentlich nicht mal in zwei Dimensionen, sondern in mehreren. Denn dann kamen die Juristen: Wer wäre für was verantwortlich, Vertragsstrafen, natürlich am besten nur für die jeweils andere Seite, wenn ein Ziel nicht erreicht würde. Unsere Regierung hat die Verhandlungen ausdrücklich unterstützt. Schließlich kam es zum Abschluss mit African Electric in Sachen Forschung und Entwicklung der Produktionstechnik. Bei der Unterzeichnung war der Botschafter dabei. Für die Produktion der Dünnschichtmodule wurde kurz darauf ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet, 51% Eltech, 49% Südafrika, teils Staat, teils Private. Die Controller sollten mal herauskriegen, wie viel eigentlich schon solche Verhandlungen kosten.“

      „Welches Verfahren hat sich denn durchgesetzt?“ „Unseres. Nach den Laborversuchen wurde klar, dass es einfacher war, die Plasmaabscheidung großtechnisch umzusetzen.“ „Wem war das klar, waren die Südafrikaner nicht enttäuscht?“ „Die Wissenschaftler waren sich im Grunde einig. Da gab es zwar noch Schaukämpfe, aber die erledigten sich, nachdem wir African Electric eine etwas höheren Anteil am Gewinn aus der Fertigung versprachen. Das kostete uns eigentlich nichts, weil mit unserer Methode billiger produziert werden konnte.“

      „Das Wort 'eigentlich' solltest du in diesem Zusammenhang nicht einmal denken! Das dreht dir der Staatsanwalt im Mund herum. Was hast du eigentlich von den Patenten der Südafrikaner gehalten?“ „Eigentlich? Die wirkten etwas bieder auf mich.“

      „Was heißt das?“ „Solide, aber nicht wirklich innovativ.“ „Was ist der Unterschied zwischen innovativ und wirklich innovativ?“ „Innovativ reicht hin, um die Patentanwälte und Patentämter zu überzeugen. Was wirklich innovativ ist, weiß man eigentlich erst nach Jahren.“

      „Hast du die Südafrikaner für fähig genug gehalten, die Leistungen in Forschung und Entwicklung zu bringen, die den geschätzten Kosten entsprachen?“ „Ja.“ „Und was ist aus dem Projekt geworden?“ „Es könnte nicht besser laufen. Die Nachfrage kann nicht befriedigt werden. Vor allem die aus dem Sonnengürtel – Nordafrika, Arabien, der Golf, Persien. Die Moslems kaufen lieber in Südafrika ein als in Europa oder gar in den USA.“

      „Und dieser Gumede, könnte er in die eigene Tasche gewirtschaftet haben?“ „Fällt mir schwer zu glauben. - Meine Mutter war begeistert von ihm, ein Schwarzer aus einem guten Stall. Er hat die ganz natürliche Ausstrahlung einer Führungskraft. Da gibt es eine Wechselwirkung, die ererbte Autorität wird geachtet und der entbotene Respekt stärkt.“ „Wir suchen hier doch keinen Ehemann für eine von Mallwitz.“

      Mallwitz lachte, sie kamen so wirklich auf Abwege. „Inzwischen hat er vielleicht etwas Bodenhaftung verloren, die Schadow-Kopie in seinem Haus hat mich irritiert. Gumede wollte sicher eher Einfluss, etwas