Scarlett und der Lord. Rita Hajak. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rita Hajak
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742730350
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an. »Und du kennst ihn näher?«, fragte sie spöttisch.

      »Wir sind seit über fünfzig Jahren Nachbarn. Ich kannte seine Eltern gut und habe seine Geburt erlebt. Wir haben Feste zusammen gefeiert, den Tod seines Vaters, seiner Frau und den seines Bruders betrauert. Als dein Großvater gestorben war, hat er sich rührend um mich gekümmert.«

      »Sieh an. Was ist er für ein Mensch, erzähle mir mehr von ihm.«

      »Hat er dein Interesse geweckt?«

      »Mal sehen«, sagte Scarlett.

      »Lord Philipp Sinclair trägt seinen Titel mit Würde, obwohl er in der heutigen Zeit nicht mehr präsent ist«, verriet Gloria.

      »Was, er ist kein richtiger Lord?«, meinte Scarlett aufsässig. »Dafür eingebildet wie zwei von der Sorte.«

      Gloria lachte. »Er stammt von einer Adelsfamilie, der Grafschaft Cornwall, ab. Der Titel hat in der heutigen Zeit jedoch geringen Wert. Ich mag Philipp. Er hat viele Schicksalsschläge erlitten.«

      »Du nimmst ihn in Schutz, Grandma?«

      »Er hat seine guten Seiten. Wird er gebraucht, ist er da. Die Menschen in der Nachbarschaft und Umgebung, die seinen Vater und Großvater gut kannten, nennen ihn aus Ehrfurcht Lord. Philipp gedenkt es nicht zu ändern; er verlangt von seinen Mitarbeitern gebührenden Respekt. Er hält die Anrede für passend«, erklärte sie.

      »Dann ist er ein Herrschertyp und seine Mitarbeiter haben nichts zu lachen?«, vermutete Scarlett.

      »So würde ich das nicht sehen. Er zahlt gut und ist gerecht. Deshalb respektieren ihn die Leute.«

      »Woran ist seine Frau gestorben?«

      Gloria zögerte. »Er sagte, sie sei ertrunken.«

      Scarlett schwieg einen Moment, bevor sie fragte: »Und sein Bruder?«

      »Ein Reitunfall. Mehr weiß ich nicht. Ich werde ihm demnächst eine Einladung zum Tee zukommen lassen und du machst dir dein eigenes Bild.«

      »Warum nicht.« Scarlett nickte zufrieden. »Wird er die Einladung annehmen?«

      Gloria schmunzelte. »Davon bin ich überzeugt.«

      Es klopfte. Jonathan schaute herein und fragte: »Darf ich die Damen zum Abendbrot begleiten?«

      »Danke, wir kommen gleich nach«, sagte Gloria.

      Nachdem Scarlett ihrer Grandma beim Auskleiden und Waschen geholfen hatte, wünschte sie gute Nacht und begab sich in ihr Zimmer. Entspannt legte sie sich auf das Bett und drückte die Kurzwahltaste ihres Handys. »Hallo Mama, läuft alles gut bei euch?«

      »Liebes, hier ist die Hölle los. Sonst alles Bestens. Wie war die Reise?«

      »Lange hat sie gedauert, aber ich bin gut angekommen, ohne Probleme.«

      »Das ist schön. Wie geht es Gloria? Dein Vater macht sich Gedanken um seine Mutter.«

      »Braucht er nicht. Sie ist gut versorgt und kann mit einem Stock und meiner Hilfe gehen. Sie zieht das eine Bein hinterher und eine Hand kann sie gut bewegen. Sie ist nicht zimperlich und eine tolle Frau. Jetzt, wo ich da bin, braucht sie die Pflegekraft nicht mehr.«

      »Dein Vater wird sich darüber freuen. Wir werden morgen mit Grandma telefonieren. Ich mache Schluss, Liebes, Vater braucht mich. Grüße schön und melde dich.« Ihre Mutter hatte aufgelegt.

      Scarlett blieb noch eine Weile liegen. Sie dachte an Lord Sinclair, diesen arroganten Fremden, an dem ihre Grandma einen Narren gefressen hatte. Kinder gingen aus seiner Ehe keine hervor. Grandma hatte nichts erwähnt. Scarlett schlüpfte aus ihrer Kleidung und begab sich ins Bad. Sie war rechtschaffen müde und begnügte sich mit einer schnellen Wäsche. Als sie im Bett lag, hörte sie jemand über den Gang schlurfen. Das ist Jonathan, bei seinem all abendlichen Kontrollgang, ging es ihr durch den Kopf. Sie war eingeschlafen.

      Als sie nach einem erholsamen Schlaf erwachte, erkannte sie im ersten Moment nicht, wo sie sich befand. Sekunden später fiel es ihr ein. Sie war zu Besuch im Hause ihrer Grandma. Sie streckte die Glieder, gähnte herzhaft und schlüpfte aus dem Bett. Da sie nicht wusste, wann im Haus das Leben begann, steckte sie den Kopf zur Tür heraus. Verführerischer Kaffeeduft stieg ihr in die Nase, und wie auf Befehl knurrte ihr Magen. Sie freute sich auf ein leckeres Frühstück. Nach einer ausgiebigen Dusche, zog sie Jeans und eine weiße Bluse an. Gutgelaunt ging sie die Stufen hinab, in das Esszimmer. Ihre Grandma saß am Tisch.

      »Guten Morgen«, grüßte Scarlett fröhlich und gab ihr einen Kuss auf die Wange.

      »Guten Morgen, mein Kind. Ich hoffe, du hast gut geschlafen?«

      »Herrlich, Grandma. Wie lange bist du auf?«

      »Zwischen sieben und halb acht, hilft mir Jenny beim Ankleiden. Anschließend brauche ich mein Frühstück.«

      »Ich werde dir helfen, solange ich hier bin. Dann kann sich Jenny um andere Dinge kümmern«

      »Wenn du das übernehmen magst, freue ich mich«, sagte Gloria.

      »Ich staune!«, rief Scarlett erfreut, »ein deutsches Frühstück, wunderbar.«

      Der Tisch war reichhaltig gedeckt, mit Wurst, Käse, Butter, Marmelade, Honig und einem Frühstücksei.

      Gloria lächelte. »Ich konnte mich mit dem englischen Breakfast nicht anfreunden. Ist mir zu üppig. Habe es sonntags deinem Großvater zuliebe mitgegessen. Lass es dir schmecken. Was möchtest du heute unternehmen, Scarlett?«

      »Ich werde mir den Stadtkern anschauen und bummeln.«

      »Mach das. Eine steile Treppe führt hinunter in die Stadt. Es gibt viele Lädchen, in engen Gassen, mit wichtigen und unwichtigen Dingen. Schaue dir in Ruhe alles an. Bis zum Mittagessen hast du genügend Zeit«, sagte Gloria.

      »Danke. Ich bin gespannt, was ich zu sehen bekomme.«

      »In den letzten Jahren hat sich einiges verändert. Du wirst es bemerken.«

      Gloria hatte ihr erklärt, wo sich die Treppe befand, die hinunter in die Stadt führte. Scarlett konnte sich nicht mehr erinnern. Unten angekommen, war sie gleich mittendrin im Geschehen. Die Gassen waren teilweise übersät mit Touristen. Es war Urlaubszeit und diese schöne Gegend lockte die Menschen an. Sie streifte durch einen Antiquitätenladen und fand ein entzückendes Pferd aus Bronze, dessen Vorderbeine, wie zum Sprung, erhoben waren. Sie verhandelte mit dem Verkäufer und erstand es zu einem vertretbaren Preis. Ein inneres Gefühl hatte sie zum Kauf verleitet. Anschließend schlenderte sie durch eine Boutique, kaufte sich einen Sonnenhut, eine bunte Bluse, und für ihre Grandma ein hübsches Seidentuch mit Schmetterlingen. In einem der Pubs bestellte sie sich ein englisches Bier. Es schmeckte ihr nicht. Gemütlich schlenderte sie nach Hause. Als sie die Treppe hinaufging, kam ihr Jenny entgegen.

      »Hallo, Miss Scarlett, Sie waren in der Stadt? Haben Sie sich zurechtgefunden?«

      »Manches habe ich nicht wiedererkannt.«

      Jenny nickte. »Kann ich mir denken. Ich habe Zutaten für das Mittagessen vergessen und muss bei der Post vorbei. Bin gleich zurück.«

      »Bis später.« Scarlett hechelte die letzten Stufen hoch. Oben angekommen, tauchte ein Mann aus dem Nichts auf. Mit einem Schritt zur Seite, verhinderte sie einen Zusammenstoß.

      »Entschuldigen Sie«, murmelte er leise und eilte nach unten.

      Sie schüttelte den Kopf. Wenn das nicht dieser Lord gewesen war, sinnierte sie. Das würde zu ihm passen.

      Als sie zum Haus zurückkam, sah sie einen Wagen vor der Tür stehen. Im Flur begegnete ihr Jonathan.

      »Haben wir Besuch?«, fragte sie.

      »Es ist Dr. Miller, der Hausarzt. Er schaut ein Mal in der Woche nach Lady Gloria.«

      »Danke, Jonathan.«

      Scarlett eilte nach oben. Der Arzt trat aus dem Schlafgemach