»Ein Geschenk, für mich? Habe ich das verdient?«
Sie lächelte. »Ich helfe dir beim Auspacken.«
Vorsichtig zogen sie die Schleife ab und entfernten das Papier. Hervor kam die Pferdefigur, die Scarlett erstanden hatte.
Philipp staunte. »Liebes, ein tolles Geschenk, trifft voll meinem Geschmack. Das bekommt einen Ehrenplatz auf meinem Kaminsims. Vielen Dank, ich freue mich.« Er drückte sie zärtlich und sagte: »Ich stelle dir die wichtigsten Leute vor, danach stürzt du dich ins Vergnügen. Ich bin bei dir. Ein Höflichkeitsplausch mit Gästen zwischendurch ist unerlässlich. Übrigens: Du siehst bezaubernd aus. Gerne würde ich dich auf der Stelle küssen. Wir holen es nach.«
Sein Versprechen konnte Philipp nicht halten. Bekannte nahmen ihn in Beschlag, was sie verstand. Sie schaute in den Boxen nach den Pferden, nach Fee, mit der sie ihre Ausritte unternahm. Das Tier wieherte erfreut. Es hatte sie erkannt. Scarlett streichelte es und ging zurück in den Trubel. An einem der Stände, ergatterte sie sich ein Getränk. Eine junge Frau, die dort stand, sprach sie an. »Hallo, Sie kenne ich nicht. Gehören Sie zu den Touristen?«
»So kann ich das nicht sagen. Ich bin zu Besuch bei meiner Grandma, die hier seit fünfzig Jahren lebt.«
»Oh, sorry, ich wollte nicht unhöflich sein. Ellie Smith«, stellte sie sich vor und reichte Scarlett die Hand.
»Scarlett Södermann, meine Grandma ist Lady Montgomery.«
»Das ist schön. Ich kenne Ihre Grandma flüchtig von vorjährigen Festen. Ich bin eine Pferdenärrin. Wo Pferde sind, bin auch ich«, lachte sie.
»Ich liebe Pferde ebenfalls«, sagte Scarlett.
»Wollen wir uns setzten, da vorne sind noch Plätze frei?«, fragte Ellie.
»Warum nicht.«
Ellie entpuppte sich als eine gebildete junge Frau. Sie war gleichaltrig mit Scarlett, studierte Rechtswissenschaft, im 4. Semester.
»Haben Sie Ihre Reitbekleidung mitgebracht?«, fragte Ellie.
Scarlett schüttelte bedauernd den Kopf.
»Kein Problem, ich habe zwei davon. Haben Sie Lust?«, fragte sie schelmisch.
»Gerne, sagen wir Du zueinander.«
»Einverstanden.«
Scarlett konnte Philipp nirgendwo entdecken, um ihm Bescheid zu sagen. Sie informierte einen Pferdepfleger, als sie Fee bestieg.
»Reiten wir zum Strand, da gibt es einen schönen Pfad«, schlug Scarlett vor.
Die beiden Frauen hatten erstaunlich viele gemeinsame Interessen und vergaßen die Zeit.
»Wie geht es deiner Grandma?«, fragte Ellie.
»Jeden Tag besser. Bald reise ich zurück nach Deutschland«, antwortete Scarlett.
»Schade, hätte gerne öfter mit dir geplaudert«, sagte Ellie.
»Vier Wochen habe ich noch«, entgegnete Scarlett und schaute erschrocken auf die Uhr. »Reiten wir zurück, es sind zwei Stunden vergangen.«
Sie brachten die Pferde in die Box und zogen sich um. »War schön mit dir auszureiten, Ellie.«
»Gleichfalls, Scarlett. Vielleicht wiederholen wir es mal. Ich gebe dir meine Karte. Wenn du erneut deine Grandma besuchst, melde dich.«
»Das mache ich, versprochen«, sagte Scarlett und reichte ihr ebenfalls ein Kärtchen. Die beiden umarmten sich kurz und gingen ihrer Wege.
Scarlett schaute sich suchend um. Wo war Philipp? Sie schlenderte in Richtung Wohnhaus, da war es ruhiger. Sie traute ihren Augen nicht, als sie ihn eng umschlungen, mit einer jungen Frau, an der Seitenwand des Hauses, stehen sah. Scarlett sog die Luft ein, ihr Herz drohte auszusetzen. Sie drehte sich um und tauchte in der Menschenmenge unter. Das darf nicht wahr sein, mich derart zu betrügen. Liebe? Für ihn ist es nur ein Wort. Sie wollte fort, weit weg von ihm. Da sie keinen Wagen dabei hatte und Dr. Miller nicht fragen wollte, entschied sie sich, zu Fuß zu gehen. Zwei Kilometer lange Weg, war kein Problem. Unterwegs flossen die Tränen in Strömen. Sie fühlte sich enttäuscht und hintergangen. Zuhause stahl sie sich die Treppe hinauf. Doch Jenny und Grandma bemerkten ihr Kommen.
»Wieso bist du schon zurück?« Gloria war erstaunt.
»Es hat mir nicht zugesagt. Die vielen Menschen, keinen den ich kannte.«
»Und Philipp?«
»Den habe ich kaum zu Gesicht bekommen. Er musste sich um die Gäste kümmern.«
»Ich habe mir gleich gedacht, das ist nicht das Richtige für dich. Wer hat dich hierher gebracht?«
»Ich bin gelaufen.«
Gloria seufzte. »Trinken wir Tee, es ist gleich fünf.« Sie hakte Scarlett unter und tätschelte ihren Arm.
Kapitel 7
»Dr. Miller, wissen Sie, wo sich Scarlett aufhält? Ich habe sie seit Stunden nicht gesehen«, fragte Philipp.
»Hätten Sie Zeit für sie gehabt?« Der Arzt schaute ihn forschend an.
»Das geht Sie zwar nichts an, aber ich gebe Ihnen Recht. Ich war zu beschäftigt mit den Gästen. Scarlett ist möglichweise nach Hause gefahren.«
»Womit? Sie ist mit mir gekommen«, sagte der Doktor.
»Stimmt.«
Eine junge Frau schlenderte heran. »Ich habe den Namen Scarlett gehört. Suchen Sie nach ihr?«
»Hallo, Ellie, willkommen. Sie kennen Scarlett nicht.« Philipp tat erstaunt.
»Was Sie nicht sagen«, lachte sie. »Scarlett und ich machten einen tollen Ausritt am Strand entlang, nachdem sie vergeblich nach Ihnen gesucht hatte. Wir sind uns zufällig über den Weg gelaufen und haben uns auf Anhieb gut verstanden.«
»Wo ist sie jetzt?«, fragte Philipp.
»Das letzte Mal, als ich sie sah, stand sie vor dem Tor.«
»Sie ist zu Fuß nach Hause«, mischte sich Dr. Miller ein.
»Danke, ich werde sie anrufen.«
»Und wenn sie das nicht will?«, fragte Ellie.
Philipp schnellte herum. »Wie meinen Sie das?«
»Weibliche Intuition.«
»Einen Versuch ist es wert und zwar jetzt gleich. Dr. Miller wird Sie gerne zu einem Drink einladen«, bemerkte er, bevor er grinsend davon eilte.
Scarlett saß am Frühstückstisch und rührte nervös in ihrer Kaffeetasse. »Grandma, ich habe beschlossen am Mittwoch abzureisen. Dir geht es soweit gut, dass du mit Jennys Hilfe zurechtkommst.«
»Das wäre in drei Tagen.« Gloria schaute Scarlett ungläubig an. »Warum der überstürzte Aufbruch? Du hast noch drei Wochen Zeit, bis zu deinem Arbeitstermin.«
»Grandma, es war schön bei dir. Letztendlich ist der Abschied unvermeidbar. Mama und Papa warten auf mich. Ich werde hierher zurückkommen, bald. Nicht erst in fünf Jahren, versprochen.«
»Ich weiß, dass du nicht ewig bleiben kannst. Ich habe mich an dich gewöhnt. Ein bisschen mehr Aktion im Haus tat meiner Seele gut«, brachte Grandma traurig hervor. »Aber was sein muss, muss sein, und ich gebe klein bei.« Gloria lachte, aber es klang traurig.
Scarletts Handy läutete zum zweiten Mal. Sie wehrte den Ruf ab. Genauso, wie die am gestrigen Abend.
»Willst du nicht rangehen, wer ist das?«, fragte Gloria.
»Das ist nicht wichtig. Eine junge Frau, die ich auf dem Fest kennengelernt habe. Ich rufe sie später zurück.«
»Was