Wie ich endlich den richtigen Mann gefunden habe. Brigitte Körner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Brigitte Körner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847636311
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die das Haus betraten oder es verließen. Mich interessierten aber nicht die Männer, die waren mir völlig schnuppe, ich betrachtete nur die Frauen. War etwa die Dicke mit den schwarz umrandeten Augen Frau Kiepert? Oder war es die mit den hellblonden langen Haaren, die zu Miniröcken Stiefel trug, deren Schaft bis zur Mitte ihrer schlanken Oberschenkel reichte? Vielleicht war es auch die Rothaarige. Sie hatte ihre Haare streng aus dem Gesicht gekämmt und zu einem Knoten hochgesteckt.

      „Die könnte eine Domina sein“, dachte ich.

      Ich stellte sie mir in schwarz glänzendem Korsett aus Leder, mit Strapsen und Peitsche in der Hand vor. Wie viel bekam eine Domina wohl für eine Behandlung oder wie man das nannte? Was verlangte Frau Kiepert für ihre Arbeit? Das hing sicher auch von ihrem Aussehen ab.

      „Wenn sie gut aussah, konnte sie mehr verlangen“, dachte ich. „Das wäre jedenfalls gerecht“.

      Frau Kiepert wohnte im neunten Stock, mehr hatte ich noch nicht herausgefunden. Ich ertappte mich dabei, dass ich meine Taktik geändert hatte und unnötig lang am Briefkasten oder bei den Mülltonnen stand und meinen Müll besonders hingebungsvoll trennte in der Hoffnung, endlich Frau Kiepert zu Gesicht zu bekommen. Einmal glaubte ich mich am Ziel, als eine Frau mittleren Alters den Briefkasten, auf dem der Name Kiepert stand, aufschloss und die Post herausholte. War diese ungeschminkte, unscheinbare Frau etwa die Hure Kiepert?

      Ich platzte fast vor Neugier und sprach sie an: „Guten Tag, Frau Kiepert!“

      Bevor ich weiterreden und ihr erklären konnte, dass ich nicht an der Hexenjagd gegen sie teilnahm, sagte sie laut und deutlich: „Ich bin nicht Frau Kiepert, ich mache nur ihre Wohnung sauber.“

      „Einen schönen Gruß auch“, murmelte ich verlegen.

      Die Frau wandte sich wortlos um und ging die wenigen Stufen, die zum Aufzug führten, hinauf. Hier wartete sie und ich traute mich nicht mich daneben zu stellen, sondern kramte in meiner Post herum, bis sie denn Aufzug betrat.

      „Neugier gehört bestraft“, schimpfte ich mit mir und stellte mich nun vor die Aufzugstür, um auf den nächsten zu warten.

      In der folgenden Zeit fanden wir immer wieder Einladungen in unseren Briefkästen oder am Schwarzen Brett zu neuen Versammlungen. Auf der Tagesordnung stand jedes Mal das leidige Thema „Prostitution in unserem Haus – Wie können wir dagegen vorgehen?“ Frau Kiepert war offensichtlich nicht klein zu kriegen und hielt der feindlichen Hausgemeinschaft stand. Gregor und ich gingen nie mehr zu solch einem Treffen, wir verabredeten uns lieber aus anderen Gründen.

      „Wenn ich dich sehe, will ich mir nicht den Abend durch dieses Dauerthema verderben lassen. Du interessierst mich mehr als Frau Kiepert, obwohl die mich auch nicht kalt lässt, das muss ich zugeben“, sagte Gregor als Erklärung, warum er den Einladungen der Bauses nicht mehr folgte.

      Mir ging es genauso, von den Hetztiraden hatte ich genug, aber auf Frau Kiepert war ich immer noch neugierig. In solchen Dingen bin ich hartnäckig. Ich brannte darauf sie kennen zu lernen oder wenigstens einmal zu sehen. Es war wie verhext und wollte mir einfach nicht gelingen. Uns trennten zu viele Etagen und ich bekam nur mit, wie in einer dieser Debattiergruppen vor oder im Haus über sie hergezogen wurde.

      Gregor und ich fanden es wunderbar in getrennten Wohnungen im gleichen Haus zu leben. Keiner von uns beiden dachte laut über eine gemeinsame Wohnung nach. Wir versicherten uns im Gegenteil hin und wieder, wie genial es sei, seine Unabhängigkeit und die in Minuten herzustellende Nähe gleichzeitig zu haben. Es war ein schönes Gefühl für mich, nur dann Zeit mit meinem Freund zu verbringen, wenn ich es wirklich wollte. Und wir suchten oft die gegenseitige Nähe, tagsüber und nachts, aber wenn einer von uns beruflich oder aus anderen Gründen viel auf dem Hals hatte, ließen wir uns in Ruhe und rückten uns nicht auf den Pelz. Für mich war es das Modell der idealen Beziehung.

      Wenn wir Freunden oder Bekannten erzählen sollten, wie wir uns gefunden haben, dann sagte Gregor: „Die Prostitution hat uns zusammengebracht. Wir haben diesem ältesten Gewerbe der Welt so viel zu verdanken.“

      Nur wenn es jemand genau wissen wollte, gaben wir unsere Kennen Lernen-Geschichte zum Besten.

      „Und du? Hat dich das nie gestört?“, wurde ich manchmal gefragt.

      „Was soll mich denn daran gestört haben?“

      „Na, die wildfremden Kerle im Haus. Fühltest du dich dadurch nie bedroht?“

      „Ich habe das überhaupt nicht mitgekriegt. Die nahmen den Fahrstuhl und ich die Treppe. Außerdem hätte ich bei einer Begegnung im Treppenhaus gar nichts gemerkt. Soweit ich weiß, sieht man Männern nicht an, ob sie in Puffs gehen. Im Übrigen wollten sie nicht zu mir, sondern zu Frau Kiepert.“

      Das klang cool und entsprach der Wahrheit. Als ich auf dieser Versammlung vermutlich als eine der Letzten im Haus erfahren habe, welchem Gewerbe Frau Kiepert nachging, waren mir die Bauses und einige andere so unangenehm, dass ich zu der mir unbekannten Hure gehalten habe. Außerdem habe ich auch so etwas wie Respekt und Bewunderung für sie entwickelt. Sie musste in Drachenblut gebadet haben, wenn sie sich dieser geballten Ladung von Anfeindungen der Hausgemeinschaft entgegenstellen konnte. Wie hielt sie das aus? Weigerte sie sich Briefe und Anschläge am Schwarzen Brett zu lesen? Wie schaffte sie es unbehelligt das Haus zu verlassen und wieder zu betreten, wenn sie Einkäufe oder Arztbesuche oder anderes erledigte? Hatte sie verschiedene Perücken um nicht erkannt zu werden? Wie regelte sie in dieser Umgebung, wo sie von Feinden umzingelt war, ihren Alltag? Am liebsten hätte ich sie das alles gefragt.

      Gregor ließ mich allein grübeln und ging kaum auf meine Fragen ein. Er hatte keine Lust zu Mutmaßungen darüber. Umso mehr hat er mir mit einem Geständnis den Boden unter den Füßen weggezogen.

      „Leider haben wir uns niemals bei Frau Kiepert bedankt“, sagte ich einmal.

      „Du nicht, ich schon“, antwortete Gregor trocken. „Außerdem hast du mich doch damals gefragt, wie sie aussieht. Hübsch, habe ich vermutet und es stimmt. Sie ist eine verdammt hübsche Person. Und sehr charmant. Die Freier stehen sich die Füße platt, Skandal um Rosi.“

      Wenn er jetzt wenigstens gegrinst hätte, hätte ich es für einen Witz halten können, aber er verzog keine Miene.

      „Im Ernst, du warst bei der Kiepert?“

      Ich war verwirrt. Stimmte das oder nahm er mich auf den Arm? Und wenn es wirklich wahr wäre?

      „Ich glaube, ich hätte mich lieber selber bei ihr bedankt“, erklärte ich und versuchte zu lächeln.

      „Wie solltest du? Sie zeigt sich nur Eingeweihten, du gehörst nicht dazu.“

      „Du doch genauso wenig.“

      „Wenn du dich da mal nicht täuschst.“ Gregor wiegte seinen Kopf hin und her.

      Ich antwortete nicht gleich. „Blödes Geplänkel“, dachte ich. Seine Bemerkung ließ mir aber doch keine Ruhe. Als wir abends nebeneinander im Bett lagen, konnte ich es nicht lassen.

      „Eine blöde Frage“, fing ich an und fühlte mich auch blöd, „aber deine Bemerkung über die Kiepert vorhin, wie meintest du das?“

      „So, wie ich es gesagt habe, sie ist hübsch und charmant.“

      „Und weshalb kannst du das beurteilen?“

      „Weil ich sie gesehen habe.“

      „Aber woher weißt du, dass sie charmant ist?“

      „Ich kenne sie halt.“

      „Was?“

      „Mach` kein Problem draus, bitte! Du hast doch auch über die Leute gelästert, die der Kiepert das Leben schwer machen. Diese, Spießer, diese Kleinbürger, usw. Soll ich noch einige Zitate bringen? Du und ich, wir beide haben während der ganzen Hexenjagd zur Kiepert gehalten. Irgendwie hat sie das herausbekommen.“

      „Ja und?“ Ich rückte zum äußersten Bettrand.

      „Sie hat sich bei mir bedankt, auf ihre Art,