Wie ich endlich den richtigen Mann gefunden habe. Brigitte Körner. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Brigitte Körner
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847636311
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Woche mit mir. Dass irgendeine Kollegin oder Mitarbeiterin Herzklopfen bekam, sobald sie in seine Nähe geriet, konnte ich mir nicht vorstellen. Es gab einfach keinen Grund dafür. Er war nicht der Typ, der Frauenherzen höher schlagen ließ. Das tun die witzigen, schlagfertigen Männer, die mit ihrem Charme brillieren. Zu der Sorte zählte Er nicht. Es machte keine Frau kribbelig, wenn er in ihre Nähe kam, wozu auch, was hätte ich denn davon gehabt? Er war nicht hässlich, aber gut aussehend und anziehend ist anders. Das war er von Anfang an nicht, jedenfalls nicht, seitdem wir uns kennen. Viel wichtiger für unsere Ehe war seine Häuslichkeit. Er war gern zu Hause, im Wohnzimmer vor der Glotze, aber auch in der Küche. Hin und wieder kochte er, vor allem für Gäste. Die waren dann hingerissen von seinem Menü. Mir schmeckte es auch, aber bis es dazu kam, knirschte ich mehrfach mit den Zähnen. Um ihm beim Kochen nicht die Laune zu verderben, schluckte ich meinen Unmut hinunter und bat ihn nicht mehr, die Kartoffel- und Gemüseschalen in den Müll zu werfen anstatt sie auf der Arbeitsplatte liegen zu lassen. Ich unterbrach auch ständig ohne aufzumucken meine eigene Tätigkeit, wie aufräumen, Tisch decken oder meine Arbeit am Schreibtisch, weil er weder die Gewürze noch die nötigen Utensilien sofort fand und von mir verlangte, dass ich sie ihm suchte. Wenn er von unseren Gästen für das leckere Essen gelobt wurde, freute ich mich mit ihm. Es war schön einen Mann zu haben, der gut kocht, so ein Glück hat nicht jede Frau.

      Erik hat gute Seiten, im Laufe unserer gemeinsamen Zeit hielt ich mir das zunehmend vor. Zu meinem fünfzigsten hat er mir rote Rosen geschenkt.

      „Für deinen Mann bleibst du immer zwanzig“, sagte mein Bruder und deutete auf den Strauß.

      „Du hast gut reden, deine Frau hat im Juni Geburtstag, fuhr Erik ihn an. Weißt du, was die jetzt kosten? Wenn Hella ebenfalls..“

      Er sprach den Satz nicht zu Ende oder ich hörte nicht weiter zu. „Wozu auch?“, sagte ich mir. „Was kann er dafür, dass er anders empfindet als ich? Ich darf nicht so kritisch sein. Es bringt einfach nichts, es macht mich nur wütend oder was noch viel schlimmer ist, traurig.“

      Erik lud sich das zweite Tortenstück auf den Teller, als mein Bruder und ich das erste zur Hälfte aufgegessen hatten.

      „Von dem Käsekuchen muss ich auch gleich probieren“, verkündete er unbekümmert.

      Diesen Geburtstagsnachmittag habe ich noch deutlich vor Augen. Ich wollte nicht feiern und hatte niemanden eingeladen. Mein Bruder kam trotzdem zum Gratulieren auf einen Kaffee. Erik lästerte über zwei Kolleginnen, wie die aus der Form geraten wären. Dabei lachte er und sein Doppelkinn zitterte. Das konnte auch der gestutzte Vollbart nicht verstecken. Beim Käsekuchen machte er den obersten Hosenknopf auf. Seine Wampe quoll über den Bund. An meinem fünfzigsten Geburtstag erschrak ich, weil ich einen Anflug von Ekel verspürte, als ich meinem Mann beim Essen zusah.

      „Mit diesem Tortenbauch will er sich heute Nacht bestimmt nicht auf mich legen“, dachte ich und fühlte so etwas wie Erleichterung.

      Der fünfzigste Geburtstag wird oft als Ende des ersten Lebensabschnitts bezeichnet. Als ich an meinem fünfzigsten darüber nachdachte, wie ich mich fühle, stand eins für mich fest: Auf Sex hatte ich keine Lust mehr, definitiv. Trotzdem wollte ich mich meinem Mann nicht verweigern, sondern mich meiner ehelichen Pflicht stellen, wenn auch mit zusammengebissenen Zähnen. Eine andere Entscheidung traute ich mir weder zu, noch erlaubte ich sie mir, sie wäre mir unfair und ungerecht vorgekommen. Außerdem schreckte ich vor Offenheit zurück. Wie hätte ich es denn erklären sollen, wie erklärt man so etwas einem Mann, der sich nichts zuschulden kommen lässt? Mein Ehemann hatte einen guten Job und war treu. Außerdem war ich davon überzeugt, dass ihm nie der Gedanke gekommen ist unsere Ehe infrage zu stellen. Für ihn war alles in Ordnung. Zaghafte Kritik von mir tat er mit dem Hinweis auf die Wechseljahre ab. Das machte mich dann so sauer, dass ich lieber den Mund hielt. Mein fünfzigster sollte kein Wendepunkt werden, sondern unsere Ehe sollte weitergehen wie gewohnt und wie bisher. Das wollte ich nicht gefährden, da schien es mir besser, ihn einfach machen zu lassen. Schließlich waren wir miteinander verheiratet. Und auch wenn ich keine Lust mehr auf unseren Sex hatte und es nicht mehr schön fand, so fand ich es doch nicht schlimm. Es als Zumutung zu bezeichnen, wäre übertrieben. Eine Zumutung war es nicht für mich, ich hätte es nur lieber gelassen. Wenn Erik seine Einmal-die Woche-Nummer haben wollte, zogen wir das durch. Danach drehte ich mich zur Seite und versuchte schnell einzuschlafen. Er fiel sofort in seinen gewohnten Tiefschlaf und schnarchte Sekunden später. Darum beneidete ich ihn.

      Einige Wochen später veränderte sich mein Leben grundlegend. Beim Frühstück ahnte ich noch nichts davon, auch als ich das Haus verließ und Erik „Tschüs!“ zurief, war es wie an jedem Morgen. Ich stieg wie an anderen Tagen auf mein Fahrrad und machte mich auf den Schulweg. In Gedanken war ich schon bei meiner Klasse, als mich unterwegs etwas Unvorhergesehenes aufhielt. Es war ein Plakat, das mich wie ein Magnet anzog. Es zog mich so in seinen Bann, dass ich nicht mehr weiterfahren konnte, sondern stattdessen mit solcher Wucht auf die Bremse trat, dass ich um ein Haar kopfüber über den Lenker gestürzt wäre. Es zwang mich anzuhalten und vom Fahrrad abzusteigen. Was ich erblickte, war nicht einfach irgendein Plakat von der Sorte, wie sie haufenweise an jeder Ecke herumhängen und die Stadt zumüllen. Es war nicht die übliche Werbung für Dinge, die mich nichts angehen und nichts mit mir zu tun haben. Was mich jetzt aufhielt, war ein Ereignis, eine Erscheinung, eine Begegnung der besonderen Art. Es traf mich ins Mark und ließ mein Herz so laut klopfen, dass es mir in den Ohren dröhnte. Ich kniff meine Augenlider zusammen und befahl mir ruhig zu bleiben und regelmäßig zu atmen. Ich drehte meinen Kopf mit einem Ruck in eine andere Richtung weg von dem Plakat, wandte mich aber gleich wieder zurück und spürte eine Welle des Glücks, die mich vom Kopf bis zu den Fußspitzen einhüllte. Es war kein Traum, keine Vision und ich hatte mir nichts eingebildet. Er war immer noch da, dieser braun gelockte Adonis auf dem Plakat. An ihm kam ich nicht vorbei, er stellte sich mir in den Weg. Nie in meinem Leben bisher hatte ich so einen wunderschönen Mann gesehen, solch ein Bild von einem Mann. Verwirrt ließ ich meinen Blick hin und her wandern. Sein Gesicht war schmal und von dunkelbraunen Locken umrahmt. Die vollen, schön geschwungenen Lippen waren leicht geöffnet, als wollten sie mir etwas sagen. Es war nicht nur dieser verführerische Mund, der zu mir sprach, es waren vor allem seine Augen. Sie hatten ein Blau, das Erinnerungen an Ferien am Mittelmeer wach rief, das warme Sommerabende heraufbeschwor, an denen man mit einem Glas Wein in der Hand auf der Terrasse irgendeiner Taverne saß, es war das Blau der Ägäis im Hochsommer. Sie flüsterten von Verheißung, brachten in mir die viel beschworenen unbekannten Saiten zum Klingen, rührten etwas tief in meinem Innersten an und erweckten es zum Leben. So ermuntert ließ ich nun meine Augen mit großem Vergnügen weiterwandern. Was mir da gegönnt wurde, war ein Genuss. Mein Blick spazierte über den Hals bis zu den breiten Schultern, hin und her über diesen herrlichen, nackten, muskulösen Oberkörper. Makellos wie der Körper einer griechischen Statue, aber nicht kalt und steinern, sondern voll pulsierendem Leben, hocherotisch und fast animalisch.

      „Was war da passiert?“, fragte ich mich erschrocken und betrachtete die Stücke von zerrissenen Fesseln, die an seiner Brust und seinem Waschbrettbauch herunterhingen.

      SEI WIE DU DICH FÜHLST

      stand am unteren Rand des Plakates. Der Mann war nicht mehr ganz jung und bezauberte mich vielleicht gerade deshalb so sehr, dass ich mir einbildete, seine Haare und seine Haut zu spüren, wenn ich ihn nur lange genug betrachtete. Ich schloss die Augen und sog die Luft ein. Erschrocken riss ich die Augen wieder auf.

      „Bloß nicht durchdrehen und auch noch seinen Duft schnuppern wollen! Es ist ja lachhaft, was hat mich denn erwischt?“

      Ich biss mir auf die Lippen und hörte, wie meine Zähne heftig knirschten, als ich mich anstrengte um mich aus dem Bannkreis dieses Mannsbildes wegzubewegen, ihm den Rücken zuzuwenden und mich auf mein Rad zu setzen. Mit aller Kraft trat ich in die Pedale ohne mich noch einmal umzudrehen. Den Vormittag in der Schule brachte ich hinter mich. Gedanken an den Plakatmann lagen auf Eis.

      Auf dem Heimweg lauerte er mir wieder auf. Er brachte mich wie heute Morgen dazu mein Fahrrad anzuhalten und abzusteigen, damit ich ihn in Ruhe betrachtete. Je länger ich ihn mit den Blicken abtastete, desto größer wurde mein Verlangen. Wie gern hätte ich die Sehnen und Muskeln seiner Arme gefühlt,