Mondgesicht und Panne im Archenland. Hans-Walter Euhus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hans-Walter Euhus
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844257052
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Das klingt so nach Loser.“ „Was soll`s. Wenn es keine Anmache ist, kann es mir wurscht sein, wie ich heiße. Ein Vollmond hat auch seine guten Seiten.“ „Von mir aus kannst du mich auch Panne nennen, wenn du mich nicht mit so blöden Reimen wie neulich beleidigst, okay?“

      „`tschuldigung, war nicht so gemeint. Ist übrigens besser, wenn wir uns gegenseitig so nennen, sonst könnten die anderen etwa denken, wir gehen miteinander.“ Anne wurde etwas rot und lachte verlegen auf: “Das wäre wohl das Letzte!“ „Also, dann sind wir uns ja einig, Panne!“, grinste Philipp. „Man sieht sich, Mondgesicht!“, feixte Anne zurück.

      Nachdenklich bog Philipp Noffke, genannt Mondgesicht, nach der Schule mit seinem Fahrrad in den Südengraben ein, wo seine Mutter eine Pension betrieb. Sie hatte ein geräumiges Haus geerbt und umgebaut, so dass sie mit Philipp von der Witwenrente und den Einkünften aus der Ferienpension gut leben konnte. Sein Vater war früher Dachdecker und, als Philipp keine zwei Jahre alt war, durch einen Sturz von einem Hochhaus ums Leben gekommen. Er hatte seinen Vater nie richtig kennengelernt und keine Erinnerungen an ihn. – ›Eigentlich ist Panne ganz nett, wenn sie nur nicht so komische Ansichten über Gott und die Evolution hätte. Was hat sie wohl für Hobbies?‹, fragte er sich. „Hallo!“, rief er in der Haustür. „Hallo Phil, Essen ist gleich fertig. Wie war’s in der Schule?“ – „Gut!“ – „Was Besonderes?“ „Nee! – Das heißt, hab ich dir schon mal was von Panne erzählt?“ „Wieso? Hat dein Mountainbike eine Panne? Bist du über einen Nagel gefahren?“ – „Nee, Mama“, lachte Philipp. „Panne ist der Spitzname von Anne Mitscherlich, die letztes Jahr mitten im Schuljahr zu uns in die Klasse gekommen ist. Die ist eigentlich ganz okay.“ „Und ich dachte, du findest Anne zickig.“ „Übrigens heiße ich jetzt Mondgesicht. Das ist deine Schuld, Mama“, wich Philipp aus. „Ach du Schlingel, lass das! Ich finde unsere runden Gesichter jedenfalls ganz in Ordnung. Kann sich wenigstens keiner dran stoßen“, zwinkerte sie Philipp zu. „Nun iss! Das Essen wird ja kalt.“

      Ein böser Unfall mit guten Folgen

      Das „Man sieht sich“ kam nach ein paar Tagen am späten Nachmittag. Anne hatte ihre Mutter gebeten, sie zum Sportplatz der Schule zu begleiten, um beim 75m -Lauf ihre Zeit zu stoppen. Anne war im Sprint sehr gut und hatte den Ehrgeiz, bei den nächsten Bundesjugendspielen Beste zu werden.

      Frau Mitscherlich hatte als Krankenschwester eine halbe Stelle beim hiesigen Krankenhaus und jetzt zwei Tage frei, so dass sie dem Wunsch ihrer Tochter gern nachkam und sie mit ihrem Minivan hinfuhr. Nach dem Warmlaufen holte Anne die Startmaschine aus dem Wagen, schlug sie hinter der Startlinie ein, pellte sich aus ihrem Trainingsanzug und ging in die Hocke. Ihre Mutter stand am Ziel, breitete beide Arme aus, den rechten Daumen auf dem Auslöser der Stoppuhr und rief: „Auf die Plätze ---fertig--- los!“ Anne drückte sich vom Start ab und sprintete erst mit schnellen kleinen und dann mit immer größeren Schritten wie eine Gazelle los. Ihre Spikes trommelten über die Aschenbahn. Vor dem Ziel lief sie locker aus.

      Als sie zurückkam und keuchend nachfragte: „Wie viel?“, las ihre Mutter ab: „Zehn vier!“ „Mist“, rief Anne enttäuscht. „Ich war doch schon unter Zehn!“ „Kein Wunder“, lachte Frau Mitscherlich, „du hast dich ja schon bei fünfzig Metern treiben lassen. Aber dein Start und die ersten Schritte waren super. Noch mal!“ – „Okay!“ Sie joggte auf die Startlinie zu und schüttelte vor dem Tiefstart noch einmal ihre Beine aus.

      Gerade als sie sich hinknien wollte, entdeckte sie einen Radfahrer, der in waghalsigem Tempo aus dem angrenzenden Wald gekeucht kam. „Mondgesicht!“, fuhr es Anne durch den Kopf. Sie streckte sich schnell und winkte ihm zu. Jetzt hatte Philipp Panne auch erkannt und winkte aufgeregt zurück. „Nette Überraschung“, freute er sich, beeindruckt von ihrer sportlichen Erscheinung.

      Während seine linke Hand heftig winkend in der Luft wedelte und die rechte den Lenker hielt, machte das Vorderrad den Schlenker mit. Als Phil versuchte, durch Nachfassen und schnelle Gegenbewegung auszugleichen, krachte sein Vorderrad diesmal gegen die Bordsteinkante. Er spürte nur noch, wie in Zeitlupe, dass sich sein Körper vom Fahrrad löste und in hohem Bogen über den Lenker flog. Dann wurde es schwarz vor seinen Augen. Als er benommen aus seiner kurzen Ohnmacht aufwachte, fühlte er einen stechenden Schmerz am rechten Knie und hatte dröhnende Kopfschmerzen. Er lag am Rand des Bürgersteigs auf dem Grasstreifen zwischen Straße und Sportplatz. Sein Mountainbike mit sich noch drehendem Vorderrad lag fünf Meter weiter.

      Zwei besorgte Gesichter beugten sich über ihn. „Mama, er ist wieder da!“, seufzte Anne erleichtert. „Phil, wie geht’s dir?“, fragte sie besorgt. „Könnte nicht besser gehen“, stöhnte Philip mit schmerzverzerrtem Gesicht. “O, mein Kopf!“ „Wo tut es noch weh?“, fragte Frau Mitscherlich und sah dann auch schon das aufgeschlagene und blutende Knie. Aber Philipp schien nur eine äußerliche Schürfwunde erlitten zu haben, die vom Schotterbett herrührte, denn er konnte es noch beugen und strecken. „Ich glaube, Anne, wir fahren

      deinen Freund erst mal zu uns, damit ich ihn notdürftig verarzten kann. Das Rad passt in den Kofferraum. Ich mache eben die rechten Sitze flach, damit wir ihn liegend transportieren können.“ Und so hievten Mutter und Tochter Mondgesicht in ihren Wagen, fuhren ihn zu sich nach Hause und betteten ihn in ihrem Wohnzimmer vorsichtig auf das Sofa. Frau Mitscherlich desinfizierte seine blutende Schürfwunde und verband sie fachlich. Anne umwickelte schnell ein Kühlkissen mit einem Geschirrtuch und legte es Philipp auf die Stirn. „Danke, geht schon etwas besser“, kam es gequält aus ihm heraus. Nachdem Annes Mutter Frau Noffke informiert hatte, wurde Philipp wieder vorsichtig in den Wagen verfrachtet und zu seiner besorgten Mutter nach Hause gefahren. Die rief sofort ihren Hausarzt an. Nach zwei Stunden erschien er, stellte eine Gehirnerschütterung fest und schrieb ihn für zunächst sieben Tage krank. In den ersten zwei Tagen konnte von Schularbeiten nicht die Rede sein. Aber danach hatten die Kopfschmerzen nachgelassen. Zwar schmerzte das Knie noch stark, weil irgendein Nerv unter der Haut beleidigt war, aber Philipp konnte endlich sein begonnenes Buch zu Ende lesen.

      Am vierten Tag klingelte es an der Haustür. Er hörte seine Mutter sagen: „Tag Anne! Danke, es geht ihm schon besser. Du kannst ihm ruhig die Hausaufgaben reinbringen.“ Philipp sagte bei ihrem Eintreten mit gespieltem Entsetzen: „O Schreck, jetzt kommt die Arbeits-Panne!“ „Hi Mondgesicht. Es scheint dir ja wieder gut zu gehen, wenn du mich so anmachst.“ „War nicht so gemeint, Panne. Wie war’s so in der Schule?“ „Wie immer. Keine Arbeit geschrieben, keine zurück gekriegt. Sascha und Frau Moltke vermissen dich und deine flotten Sprüche und wünschen dir, dass du dich besserst!“, grinste sie. „Hey, Mondgesicht, was liest du denn da gerade?“ „Erst mal ein Vorschlag zur Güte: Könnten wir uns vielleicht mit unseren bürgerlichen Vornamen anreden, wenn wir unter uns sind? Also, unter besseren Feinden heiße ich Phil.“, sagte Philipp. „Freut mich, deine Bekanntschaft gemacht zu haben“, erwiderte sie gespielt förmlich, „und mich darfst du als entfernte Bekannte Anne nennen.“ Beide lachten verlegen und Anne wiederholte ihre Frage: „Aber jetzt mal im Ernst. Liest du gerade das rote Buch da?“ „Hab ich eben durch: ›Der König von Narnia‹! Ich hab‘ die drei Filme gesehen und mir jetzt das Buch zur ersten Folge vorgenommen. Kennst du es?“ „Na klar, ich habe schon alle sieben Narnia-Bücher durch. Das erste hat mein Pa uns vorgelesen, als mein kleiner Bruder Pitt sieben Jahre alt war. Danach habe ich die anderen selbst durch geschmökert. Und wie findest du es?“ „Spannend, sogar besser als den Film. Die Flucht vor der Hexe und ihren Wölfen über abbrechende Eisschollen hab ich im Buch nicht entdeckt. Dafür fand ich das Selbstgespräch von dem Verräter Edmund interessant:

      Der gute Edmund diskutiert im Selbstgespräch mit dem bösen Edmund. Aber hast du verstanden, wieso Aslan erst von der Hexe ermordet wurde und danach plötzlich wieder quicklebendig vom zerborstenen Steintisch springen konnte? Irgendwie hat mich das an was erinnert, ich komm bloß nicht drauf.“ „Ich erst auch nicht. Aber der Autor hat das in Briefen an seine jungen Leser selbst beantwortet, indem er ihnen Gegenfragen gestellt hat. Mal sehen, ob du auch darauf kommst. Also, er hat es ungefähr so ausgedrückt: ›Kennst du jemanden, der zur gleichen Zeit wie der Weihnachtsmann auf diese Welt kam und der behauptet hat, er sei der Sohn des großen Herrschers? Er hat sich