ZwischenWelten. Friedrich von Bonin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich von Bonin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750282032
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sprang, brachte er noch mehr Unordnung in den Lauf, weil die Wellen dann den Kreisen wichen, die der zurückfallende Fisch im Fluss hinterließ. Hans konnte sie bis ans Ufer, zu seinen Füßen verfolgen.

      Und dann verschwamm das Wasser mit dem Gesicht, mit ihrem Gesicht, mit Gesines schmalen, braunen Wangen und mit dem vollen Mund, den er so gern geküsst hätte. Immer wieder sah er ihre braunen Augen ihn anstrahlen, mit Zuneigung, wie er sicher wusste, und mit ihrem Lächeln. Und er stellte sich ihren Körper vor. Er kannte ihre Figur nicht, war sie doch immer in den unförmigen Kittel aus Sackleinen gehüllt, den die Frauen und Mädchen hier alle trugen, graubraun, bis an die Knöchel reichend, weit ihre Gestalt umfließend. Aber er, Hans, konnte sich schon vorstellen, wie sie aussah, stellte sich ihre kleinen Mädchenbrüste vor, wie er sie umfing . . . Nein, das ging nicht, er durfte sich das nicht vorstellen. Sein Geschlecht hatte sich hart und schwer aufgerichtet, am liebsten hätte er dorthin gefasst, gedrückt und geknetet, aber auch das durfte er nicht, auch Hans hatte furchtbare Angst vor den Qualen der Hölle, „Und Gott sieht alles, immer und überall“, tönte die Stimme des Predigers in seinem Geist.

      „Sieh da, ein so junger Mann und nicht im Krieg, wer glaubt denn das!“

      Die Stimme war direkt hinter ihm auf dem Weg, er hatte in seinem Traum die Pferde nicht gehört, die mit ihren Reitern flussabwärts trabten.

      Hans sah auf und erblickte einen Trupp von zehn Mann auf Pferden, mit Lederkollern und braunen Armbinden, jeder von ihnen mit der Muskete mit Bajonett bewaffnet und außerdem einem Schwert oder Messer. Wenn Hans noch Zweifel gehabt hätte, zu wem der Trupp gehörte, wurde ihm beim Anblick des Anführers, eines riesenhaften Offiziers mit hellblonden Haaren unter dem spitzen Hut, klar, dass es sich um Protestanten handeln müsse, wahrscheinlich war der Offizier Däne. Er rief dann auch einige Worte in einer fremden Sprache, worauf zwei Reiter absprangen und zu Hans liefen.

      „Na, junger Mann“, sprach ihn der erste freundlich an, der gleiche, der Hans auf sich aufmerksam gemacht hatte, „hier so allein? Und ohne Leder, ohne Waffen? Bist wohl gar kein Soldat, eh?“

      „Nein“, stotterte Hans, „ich bin Hirte und habe mich am Fluss ausgeruht.“

      „Höre, Junge“, antwortete wieder der Soldat, „wir haben in einem Geplänkel einen Mann verloren, sieh, dort, das ist sein Pferd, das geht ledig, komm mit uns, lustiges Soldatenhandwerk.“

      „Nein, lieber nicht, ich muss doch morgen wieder die Tiere hüten.“ Hans hatte jetzt Angst, dass sie ihn mitnehmen, noch mehr allerdings, dass sie das Dorf überfallen würden.

      Wieder sagte der blonde Hüne einige befehlende Worte, worauf drei weitere Reiter abstiegen und an den Fluss kamen.

      „Hörst du?“, fragte der Sprecher, „Unser Kommandeur hat nicht viel Geduld mit dir. Er befiehlt uns, dich mitzunehmen. Besser ist es also, du stehst jetzt auf und steigst auf dieses Pferd.“

      „Aber ich kann nicht reiten und Waffen habe ich auch keine“.

      „Das wird schon werden“, lachte der Soldat, „steige nur auf, wir reiten los und dann musst du eben sehen, dass du nicht runterfällst. Und Waffen? Hier, wir haben ein Messer und ein Schwert, das kannst du haben, gehörte dem gefallenen Kameraden. Und eine Muskete musst du dir eben in der nächsten Schlacht erobern, genauso wie das Lederwams. Hier mit deinem leichten Zeug, da geht ja jede Kugel durch, sieh zu, dass du in die Schlacht kommst.“

      Mit diesen Worten fasste der Soldat Hans am Arm, der, in seiner Überraschung nur halb widerstrebend, mit ihm auf das Pferd zu ging und mit Schwung in den Sattel kam, halb springend, halb von dem anderen geworfen. Und er konnte kaum die Zügel aufnehmen, da trabte der Kommandeur schon weiter und Hans‘ Pferd folgte den anderen, erst im Schritt, dann im Trab, der Hans kräftig durchschüttelte und schließlich im Galopp.

      Nach fünf Sprüngen fiel er. Das Pferd hatte, den ungeübten Reiter spürend, einen Bocksprung gemacht und Hans hatte sich fallen lassen, zufrieden, weil er dachte, sich nach dem Fallen in die Büsche zu schlagen, um zu entkommen. Aber ein Ruf des hinter ihm reitenden Soldaten ließ den Trupp anhalten. Der blonde Däne bellte unwirsch einen Befehl, drei Soldaten fassten ihn und wieder wurde Hans auf das Pferd gehoben und weiter ging es. Diesmal gab er sich Mühe, sich zu halten, er wusste jetzt, so konnte er nicht fliehen, er fügte sich in sein Schicksal.

      Sie ritten in schnellem Galopp am Ufer flussabwärts, um nach drei Kilometern zu halten. Hans sah, dass hier das Ufer kahl war, eine Menge Spuren führten in das Wasser und auch der Blonde richtete sein Pferd in die Furt, die anderen folgten. Der Fluss war hier so flach, dass das Wasser ihm nur bis an den Sattel reichte, das Pferd brauchte nicht zu schwimmen. Sie erreichten die andere Seite, hier zweigte ein Weg nach Südosten ab und wieder ging es den Weg entlang im Galopp, immer weiter.

      Hans Reinstätten war bisher in seinem Leben nur bis in das Nachbardorf an der Neiße aufwärts gekommen, niemals war er auf der anderen Flussseite gewesen, er hatte keine Vorstellung, wohin sie ritten. Schnell wurde es nun dunkel und sie hielten an, um ihr Nachtlager zu errichten.

      „Ich heiße Karl und bin aus Nürnberg.“, sprach ihn beim Feuer der Soldat an, mit dem er bisher gesprochen hatte und der der Zugänglichste von ihnen zu sein schien, „Ich habe mich den Protestanten unter dem Grafen von Mansfeld angeschlossen, wir ziehen nach Süden, um uns mit den Mähren zu vereinigen und dem Kaiser in Wien die Hölle heiß zu machen. Morgen Mittag werden wir das Heer erreichen.“

      „Ich bin Hans“, antwortete Hans, „wenn du aus Nürnberg stammst, verstehe ich, warum du so komisch sprichst. Unser Pfarrer hat uns erzählt, dass die Menschen im Süden zwar deutsch sprechen, aber auf eine andere Weise.“

      „Ja“, lachte Karl, „bei uns sprechen sie alle so, ich musste mich erst an die Leute hier gewöhnen.“

      „Aber was soll ich denn nur tun?“ Hans war ratlos. „Ich kann doch gar nicht kämpfen. Ich nutze doch den Protestanten gar nichts. Und was kann ich schon mit meinem Schwert hier ausrichten, das ihr mir gegeben habt?“

      Wieder lachte Karl.

      „So haben wir alle angefangen, die meisten jedenfalls. Meinst du vielleicht, ich bin freiwillig aus meinem schönen Nürnberg geflohen, um hier bei euch oben im kalten Norden gegen die Kaiserlichen zu kämpfen?“

      „Aber warum bist du denn hier?“

      Karl wurde ernst.

      „Die Katholischen waren längere Zeit in meiner Heimat. Sie haben im Süden einige Städte erobert, Nürnberg war ihnen wohl nicht wichtig genug, um es zu besetzen. Nach ihrem Abmarsch aber sind die Protestanten eingefallen, erst in die Umgebung und dann in die Stadt und haben Männer gesucht, die sie als Soldaten mitnehmen konnten. Ich habe mich gut versteckt, auf dem Dachboden zu Hause, aber sie haben mich doch gefunden. Erik, der Blonde da drüben, unser Kommandeur, der hat mich aufgestöbert und mitgenommen. Sie haben mir eine Muskete und ein Schwert gegeben und gesagt, ich soll kämpfen. Und da habe ich eben gekämpft.“

      „Hast du schon Menschen umgebracht?“ Fast schüchtern fragte Hans das.

      „Klar, das bleibt nicht aus. Warte du erst mal, bis du in der Schlacht bist, dann wirst du das kennen lernen. Irgendwann fängt es an, dir Spaß zu machen, entweder bringst du den anderen um oder er dich.“

      Damit drehte sich Karl in die Decke, auf der er lag. Nach kurzer Zeit hörte Hans am Schnarchen, dass er eingeschlafen war. Hans konnte lange Zeit keine Ruhe finden. Sollte er fliehen? Aber so einfach war das nicht. Sie hatten ihm befohlen, sich neben das Feuer zu legen und einen Wachtposten ausgestellt, der ihn unausgesetzt beobachtete.

      Nein, er war jetzt gefangen und würde mit ihnen gehen müssen, zu den Mansfeldern, und mit ihnen kämpfen. Wenigstens hatte er nicht selbst für seine Ausrüstung zu sorgen, Pferd und Schwert waren ihm zugefallen, jetzt brauchte er noch ein Lederwams und ein Gewehr mit dem Bajonett, dann konnte er kämpfen. Den Gedanken an Gesine verdrängte er mit Macht.

      4.

      Am nächsten Tag erreichten sie nach einem kurzen Ritt die Oder, an deren linker Seite sie aufwärts ritten, den Spuren des Heeres nach, wie Karl