Der Aufpasser. Reiner W. Netthöfel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reiner W. Netthöfel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737524216
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ist, ist sie raus aus dem Geschäft.“ MW schaute skeptisch.

      „Aber die Fotos und Filme gibt es doch wohl noch?“

      „Sicher. Es ist nicht auszuschließen, dass es ein durchgeknallter Fan war. Das ganze scheint aber noch einen anderen Hintergrund zu haben. Die Attrappen waren schwarz.“ MW wirkte jetzt ganz leicht irritiert, was Browne heimlich freute.

      „Wie?“

      „Die Hautfarbe.“, erklärte der Amerikaner nachsichtig.

      „Ein rassistischer Hintergrund?“ Browne nickte.

      „Hinzu kommt eine Serie von bestialischen Morden an schwarzen Prostituierten, Pole-Tänzerinnen, Stripperinnen, Pornodarstellerinnen, nicht nur in Florida, sondern überall im Lande, vorzugsweise im Süden. Die Leichen waren grausam zugerichtet.“

      „Zerfetzte Brüste und Vaginen?“

      „Ja. Zudem rassistische Symbole. Brennende Kreuze.“

      „Der Klan?“

      „Möglich. Auf jeden Fall gibt es keinerlei Spuren, nichts. Das letzte Opfer war eine Bekannte Emmys aus der Branche, die in heller Aufregung ist. Verstehen Sie jetzt, warum die Regierung sich um das gefallene Mädchen kümmert?“

      „Annähernd. Bestimmt aber nicht, weil ihr die Pornoindustrie am Herzen liegt. Ist sie freiwillig ausgestiegen, als ihr Onkel Präsident wurde?“

      „Was heißt schon freiwillig? Sie hat es wohl eingesehen.“ MW schien das zu schnell geschossen.

      „Sicher?“, fragte er deshalb sicherheitshalber nach. Brownes Blick senkte sich.

      „Nein.“, gab der zu.

      „Was macht sie jetzt? Womit verdient sie ihr Geld?“

      „Sie versucht sich in Webdesign und Fotografie.“

      „Kann sie davon leben?“

      „Man hilft ihr.“

      „Vitamin B?“

      „Ja.“ MW zog die Mappe zu sich, blätterte und wurde bleich.

      „Hübsches Mädchen. Donnerwetter!“ Er war bei den Fotos angelangt, die sie bei der Arbeit zeigten. „So einen Körper habe ich überhaupt noch nicht gesehen.“

      „Ja, sie ist eine schöne Frau, sehr körperbewusst, ihr Körper war ja mal ihr Kapital, sehr sportlich.“

      „Warum stellen Sie ihr nicht einfach zwei Bodyguards zur Seite?“

      „Ihr Onkel wollte den Besten; außerdem sehen Sie nicht wie ein Bodyguard aus. Es soll alles sehr … diskret sein.“ MW sah sein Gegenüber scharf an.

      „Wie, dachten Sie sich denn, soll ich auf sie aufpassen?“ Browne wurde rot, obwohl er auf diese Frage, die im Laufe ihres Gesprächs einfach fallen musste, vorbereitet war. Immer und immer wieder war er diese Szene während des Flugs prophylaktisch durchgegangen. Dass dieser MW sich als mehr als nur schwierig herausstellen würde, hatte er allerdings dabei nicht bedacht.

      „Indem Sie bei ihr einziehen.“, nuschelte er und sah auf die Tischdecke. MW verzog das Gesicht.

      „Sie wollen, dass der Täter zuschlägt, wenn ich dabei bin, weil er mich möglicherweise unterschätzt und ich dann die Kartoffeln aus dem Feuer hole, indem ich die Arbeit der Polizei mache?“

      Browne wurde verlegen und hob beschwichtigend die Hände.

      „Wir wollen nur kein Aufsehen erregen. Es sollen so wenig staatliche Stellen einbezogen werden, wie möglich.“ MW bohrte nicht weiter nach, obwohl er keine Antwort auf seine Frage in Brownes Einlassung entdecken konnte.

      „Ich bin kein Ermittler, kein Kriminalist.“, stellte er klar.

      „Wissen wir, Sie sollen einfach nur auf sie aufpassen.“ MW winkte ab.

      „Ich bin kein Kindermädchen.“ Browne wurde jetzt geschäftsmäßig.

      „Sie haben den israelischen Außenminister vor einem Attentat bewahrt, Sie haben Ihre Kanzlerin aus der Schusslinie eines Scharfschützen befördert, Sie haben ein Sprengstoffattentat auf die britische Botschaft in Indonesien verhindert, soll ich weiter machen?“

      „Ich weiß, was ich getan habe.“ Die Männer schwiegen und tranken.

      „Wissen Sie, was merkwürdig ist?“, fragte Browne nachdenklich.

      „Hm?“

      „Es ist nie beobachtet worden, dass Sie die Täter angegriffen, oder auch nur berührt hätten; Sie sind teilweise noch nicht einmal in deren Nähe gesehen worden.“ MW sah durch den Raum.

      „Tja, ich habe so meine Methoden.“

      „Wie sind Sie in diese Branche geraten?“, fragte Browne aus ehrlichem Interesse. MW’s grauer Blick bohrte sich in die braunen Augen Brownes.

      „Welche Branche?“

      „Security.“ MW lächelte.

      „Na ja, wenn Sie meinen, dass ich in Security mache, bitte. – Es fing damit an, dass ich der Feuerwehr geholfen habe, eine Katze von einem Baum zu retten.“

      „Ein Klettermaxe.“, rief Browne erfreut.

      „Nein, ich habe Höhenangst.“ Brownes Gesicht zeigte tiefe Enttäuschung, aber auch Neugier.

      „Was ist passiert?“

      „Ich habe, sagen wir mal, die Katze veranlasst, herunterzukommen.“

      „Katzenflüsterer?“ MW stimmte in das Lachen des Schwarzen ein.

      „Vielleicht. Mein nächster Fall war ein ausgebrochener Braunbär, der im Zoo die Leute erschreckte. Ich war zufällig in der Nähe. Er wird wahrscheinlich niemals mehr freiwillig sein Gehege verlassen.“

      „So schwer haben Sie ihn verletzt?“, staunte Browne.

      „Nein, ich habe ihn gar nicht angerührt. Er ist traumatisiert. Wenn er mich sieht, verzieht er sich in die hinterste Ecke seines Geheges.“ Diese Worte waren mit großem Ernst gesprochen worden, so dass Browne sein Lachen im Halse stecken blieb.

      „Dann ein paar Zufallsbegegnungen. Einbrüche, Überfälle, versuchte Körperverletzung, so etwas. Der Polizei fiel irgend wann auf, dass ich häufig Zeugenaussagen machte. Wir arbeiteten locker zusammen, das sprach sich herum. Privatleute engagierten mich, ich machte mich selbständig, staatliche Stellen wurden auf mich aufmerksam, fortan arbeitete ich mehr im Verborgenen, Sie kennen das.“

      „Und dann betraten Sie die internationale Bühne.“

      „Genau, und deshalb sitzen Sie jetzt hier.“

      „Werden Sie den Auftrag annehmen? Wie gesagt, mit den Ermittlungen werden Sie nichts zu tun haben, es sei denn, Sie wünschen das, oder hätten etwas beizutragen.“

      „Wie lange soll das gehen?“

      „Was?“

      „Die Aufpasserei.“ Browne wurde wieder rot, denn auch auf diese Phase des Gesprächs hatte er sich gründlich vorbereitet, doch ahnte er bereits, dass die Zehntausend am Tag diesen Mann nicht über seinen Schatten springen lassen würden.

      „Bis keine Gefahr mehr besteht.“ Browne sah in das verzerrte Gesicht seines Gegenübers. „Oder Sie keine Lust mehr haben.“, schob er eilig nach. Das Gesicht entspannte.

      „Lassen Sie uns noch ein Bier trinken.“, schlug MW vor, aber Browne wirkte nicht glücklich über diesen Vorschlag.

      „Ich kann nicht mehr. Ich bin seit zwanzig Stunden auf den Beinen, dazu der Jetlag, und ich weiß immer noch nicht, wo ich die Nacht verbringen soll.“, stöhnte Browne nach dem vorletzten Bier mit schwerer Zunge. MW grinste ihn an.

      „Dann sollten wir mal zahlen. Getrennt.“

      Die Restaurantchefin