Der Aufpasser. Reiner W. Netthöfel. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reiner W. Netthöfel
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737524216
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in einem Restaurant.“ Er nannte seinem unbekannten Gesprächspartner das Restaurant und begann, eine gewisse Vorfreude auf das Treffen zu entwickeln.

      „Eine Frage noch.“

      „Bitte.“

      „Wie heißen Sie eigentlich?“

      „Lassen Sie es bei MW oder finden Sie es heraus.“ Am anderen Ende war eine Art Grummeln zu hören und MW dachte schon, dass es das war. Er irrte sich aber hiermit.

      „Noch eine Frage.“, hörte er nämlich einen Nachtrag.

      „Okay, Columbo.“

      „Wie erkenne ich Sie?“

      „Wenn Sie Referenzen über mich haben, müssten Sie wissen, wie ich aussehe.“

      „Sie haben viele Gesichter.“

      „Bringt der Beruf so mit sich. Wir werden uns schon nicht verfehlen.“

      Der Fahrer weckte seinen Fahrgast, als der Wagen hielt.

      „Wir sind da, Sir.“ Browne schlug mühsam die Augen auf und sah aus dem Fenster in den Abend. Was er sah, konnte ihn nicht recht erfreuen, es handelte sich nämlich um die Backsteinfassade eines alten, unansehnlichen, mehrstöckigen Hauses, dessen Außenmauern dezente Leuchtreklamen zierten; einzig die geschmackvoll dekorierten Fenster gaben Anlass zu der Hoffnung, dass es sich bei dem Restaurant nicht um die Kaschemme handelte, die der erste Eindruck nahelegte.

      „Ist das die richtige Adresse?“, fragte Browne misstrauisch, er traute MW nämlich vieles zu.

      „Jepp.“

      „Na, dann will ich mal.“, bereitete sich Browne auf den Einstieg in ein abenteuerliches Unterfangen vor und stieg aus.

      „Soll ich nicht warten, Sir?“, wollte der Fahrer wissen.

      „Nein.“, sagte Jackson Browne kategorisch; er hatte sich nämlich etwas vorgenommen. Er wollte erreichen, was in seinen Kreisen als unerreichbar galt: er wollte hinter das Geheimnis von MW kommen, und hierzu, so stellte er sich das vor, müsste er in dessen Sphäre eindringen. Er sah der davonfahrenden Limousine zufrieden nach.

      Die Zufriedenheit wollte einer gar nicht einmal so unbestimmten Furcht weichen, als er sich dem Eingang des Lokals näherte, denn schließlich war MW nicht gerade freundlich gewesen am Telefon. Aber immerhin hatte der ihn hierhin eingeladen. Mit diesem Gedanken neuen Mut gefasst, betrat er entschlossen den Gourmettempel.

      Als ein schlanker, schwarzer Mann um die vierzig, in einem braunen Anzug, mit kurzen Haaren und einem dezenten Schnurrbart, das nicht ganz voll besetzte Restaurant betrat und sich im von leisem Gemurmel und Geräuschen, die Bestecke auf Porzellan machten, erfüllten Halbdunkel des großen Raumes suchend umblickte, drehten sich nicht nur einige Gäste nach ihm um, sondern MW bestellte beim Kellner umgehend ein Glas Sekt, dann winkte er dem Schwarzen mit der Reisetasche zu, so dass dieser an seinen Tisch trat. Das Blau der Krawatte passt nicht zum Braun des Anzugs, dachte MW. Typisch amerikanisch.

      Gemütlich. Das Restaurant wirkte gemütlich auf Jackson Browne, obwohl es nicht die Gemütlichkeit ausstrahlte, die er in diesem Land erwartet hatte, mit barocken Formen und viel Eichenholz und so. Ein unscheinbarer Mann mit kurzen, dunklen Haaren, der allein an einem der Tische saß, winkte. Beinahe hätte er ihn übersehen.

      „Mr. MW?“, fragte der Schwarze unsicher. MW nickte und musterte den Neuankömmling neugierig.

      „Jackson Browne?“

      „Ja.“ Einen Augenblick hatte MW den Eindruck, sein Gesprächspartner würde militärisch grüßen wollen.

      „Sehen Sie, war doch gar nicht so schwer. MW reicht übrigens.“ MW wies auf einen freien Stuhl und der Kellner brachte den Sekt.

      „Gibt’s was zu feiern?“ MW prostete dem irritierten Browne zu.

      „Wissen Sie, wenn ich mit Fremden telefoniere, versuche ich mir vorzustellen, wie sie wohl aussehen. Klappt fast immer.“ Er stellte das leere Glas ab. „Wenn ich ihr Alter hätte schätzen können, hätte ich mir Champagner bestellt.“ Erstaunt nahm Browne Platz und bestellte ein Bier, weil MW das empfohlen hatte und er seinen Gesprächspartner nicht enttäuschen wollte, schließlich hatte er einen Plan. Und einen Auftrag.

      „Wenn Sie ausgerechnet mich engagieren wollen, ist dieser Auftrag wohl, sagen wir mal, delikat. Sonst könnten Sie ja irgend ein Detektivbüro engagieren, oder staatliche Dienste in Anspruch nehmen.“, fiel MW mit der Tür ins Haus und überraschte damit Browne.

      „Sie kommen aber schnell zur Sache. Ich dachte, wir machen erst einmal Konversation.“, erklärte Browne verdutzt. MW grinste ihn an.

      „Machen wir doch.“ MW deutete auf die Reisetasche. „Wollen Sie länger bleiben?“ Browne machte sich wichtig, indem er die Brust rausstreckte und sich ein wenig größer machte.

      „Normalerweise hätte ich dieses Treffen anders arrangiert. Ich hätte eine Art Hauptquartier gehabt, Sie wären zu mir gekommen …“, versuchte Browne gestenreich zu erklären, wurde aber unterbrochen.

      „Irrtum, ich führe Regie, und zwar immer.“ Browne sah seinen Gesprächspartner an und sah, dass dieser es ernst meinte.

      „Die Sache ist eben, wie Sie sagen, sehr delikat und duldet keinen Aufschub. Weil wir wissen, dass Sie … äh, nicht so einfach sind, kommen wir Ihnen sehr entgegen.“ MW horchte auf.

      „Nicht so einfach?“

      „Sie wissen schon.“, erklärte Browne.

      „Nein.“, brummte MW schroff und trank Bier.

      „Sie sind ein Einzelgänger, meiden die Öffentlichkeit …“

      „Na ja.“ Browne wertete dies als Eingeständnis und lehnte sich zufrieden zurück.

      „Ja, wir kommen Ihnen also sehr weit entgegen.“, versuchte er sich in ein Licht zu rücken und seine Wichtigkeit zu unterstreichen.

      „Hoho, wie weit soll das gehen?“, wollte MW nun doch wissen, denn er ahnte etwas. Browne ergriff diese Frage als Gelegenheit beim Schopfe.

      „Kann ich bei Ihnen übernachten?“, platzte es aus dem Amerikaner heraus. MW sah Browne über den Rand seines Glases entgeistert an.

      „Kommt gar nicht in Frage. Nehmen Sie sich ein Zimmer.“, bellte er.

      „Wo?“ Gute Frage. In der Nähe gab es zwar Hotels, die aber wegen einer Messe in der Nachbarstadt garantiert ausgebucht waren, das hatte Browne nämlich schon probiert, indem er ein paar Telefongespräche geführt hatte. Seine Frage aber blieb vorerst unbeantwortet, denn MW grummelte nur vor sich hin. Also studierte Browne lieber die Speisekarte, denn das Thema erschien ihm zu heikel, als es zu vertiefen. Das mit dem Studium der Karte war aber nicht so einfach, wie er sich das gedacht hatte; er hatte eben kaum Auslandserfahrung.

      „Helfen Sie mir mit der Karte?“, fragte er. MW sah ihn erstaunt an und wies mit einer Geste auf Brownes Speiseverzeichnis.

      „Sie halten sie doch schon ganz passabel.“ Browne verdrehte die Augen und gab etwas zu, nämlich:

      „Ich kann kein Deutsch.“ MW grinste schadenfroh.

      „Alles andere hätte mich auch gewundert.“ Browne runzelte die Stirn.

      Nach dem Essen wollte MW wissen, ob es geschmeckt hatte.

      „Ist was anderes als Burger und Pommes, nicht wahr?“

      „Vorurteile haben Sie nicht, nein?“, sprach Browne durch seine Stoffserviette hindurch, die er zum Zwecke der Säuberung gerade vor seine Lippen hielt, was MW bei seinem Gast für eine angelernte Kulturtechnik hielt.

      „Vorurteile können ganz nützlich sein. - Sollen wir uns beim Digestif mal dem wesentlichen nähern?“

      Nachdem der Obstbrand verkostet war und frische Biere vor den Männern standen, näherten