Die zarte Fee und die Garage. Jörn Kolder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jörn Kolder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844276206
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und Feuerzeug lagen daneben, zwei Weingläser waren bereits in Benutzung und neben der Cola des Jungen stand eine Flasche mit Spülmittel. Der Junge und er lächelten auf dem Bild entspannt. Jetzt war ihnen keineswegs danach zumute, denn der Vorstoß der deutschen Truppe geriet immer mehr zum Desaster, weil die Franzosen und ihre Verbündeten (vor allem Holländer) die Taktik verfolgten, immer vor ihnen mit einer Übermacht (vor allem Holländer) die strategisch wichtigen Orte zu besetzen, so dass sie stets dazu gezwungen waren ihren Operationsplan zu ändern.

      Aus dem geplanten triumphalen Einmarsch über den Süden war mittlerweile ein Umherirren geworden, das sie hinter jegliche Zielvorgabe zurück fallen ließ, kein einziges Angriffsziel war bis jetzt erreicht worden. Jetzt waren sie bereits den dritten Tag auf der Suche und der Mann bereitete sich gedanklich schon darauf vor, der Frau bei weiteren negativen Ergebnissen vorzuschlagen, die Operation abzubrechen und etappenweise den Rückzug nach Osten (in die sichere Heimat) anzutreten. Dort könnte man einen neuen Plan aufstellen, sich wieder aufzurüsten und im Schutz des eigenen Landes und mit Hilfe der Kommunikationstechnik der Einheit (dem Internet) ein anderes Operationsziel auszuwählen. Er wusste sehr wohl, dass alles für die Frau vorstellbar war (auch weitere Hotelübernachtungen), nur nicht ein Abbruch der Operation „Zelten 2011“ aber wenn es heute wieder schiefging, wollte er ihr seine Meinung vortragen.

      Statistisch gesehen müssten sie eigentlich bald einen Treffer landen, wenn er es überschlug waren sie bisher an mehr als fünfzehn Plätzen gewesen, aber so richtig glaubte er nicht daran. So etwas wie das Gefühl „habe ich es doch gewusst“ durchzog ihn, als sie am ersten Platz schon davor wieder das Schild „Complete“ sahen. Verbissen teilte er der Frau mit, dass er gewillt sei noch ein Stück außerhalb zu suchen, und dann eine Route Richtung Heimat einzuschlagen, wenn es wieder nichts wurde. Die Frau war nie dafür eine Sache schnell aufzugeben, aber diesmal blieb sie still und der Mann wusste, dass sie seine Meinung zwar nicht teilte aber momentan nicht fähig war, ihn mit besseren Argumenten zu überzeugen. Gut zehn Kilometer außerhalb der Stadt sah der Junge einen Wegweiser auf dem drei Symbole für Campingplätze abgebildet waren, sie folgten der Straße dorthin.

      Ein Tal öffnete sich und die Besiedlung nahm schnell ab, es ging offensichtlich zum Arsch der Welt. Bald erreichten sie den ersten Platz. Die Frau, die sonst immer zur Rezeption gegangen war bat diesmal den Mann das zu erledigen und als er zurückkam sah sie in seinen Augen „Complete“ funkeln und fragte erst gar nicht. Schweigend fuhren sie weiter und nach kurzer Zeit zeigte das Ortsschild an, dass sie in Saint Férréol Trente Pas angekommen waren. Direkt dahinter führte ein Weg zum Zeltplatz, der Mann parkte an der abschüssigen Straße und er und die Frau stiegen aus und gingen den Weg herunter. Das verhasste Schild „Complete“ war nirgendwo zu erkennen und Hoffnung keimte auf, die zur fragilen Gewissheit wurde, als sie über den Platz gingen, hier und da waren noch Plätze frei, aber möglicherweise waren diese reserviert. Die Frau an der Rezeption erklärte ihnen auf einem Lageplan, dass noch vier Plätze frei wären, sie entschieden sich für einen der an dem kleinen Bach lag (der die Stellfläche im Rücken begrenzte). Sonderlich sonnig war er nicht aber das spielte jetzt überhaupt keine Rolle. Es war gegen sechzehn Uhr als der Mann das Auto holte in dem der Junge gewartet hatte. Innerhalb einer halben Stunde stand das Zelt (es musste nur noch verspannt werden), das Auto war entladen und der Mann und der Junge fuhren los, um einen Supermarkt zu suchen. Die Frau würde unterdessen das Zelt fertig stellen und ihre Sachen einräumen.

      Schon im vorigen Jahr hatten sie es sich zur Angewohnheit gemacht, nahezu täglich in einen Supermarkt zu gehen, auch wenn sie eigentlich nichts wirklich brauchten, aber der Junge und der Mann schauten sich dort gern um. Ersterer schlich an den Regalen herum in denen Spiele und Zubehör für das Nintendo zu finden waren, der Mann begeisterte sich für die Fischtheken. Er und der Junge waren Fischesser, und während die Frau schaudernd die auf Eis liegenden Tintenfische, Garnelen, die Hummer und Fisch jeglicher Art ansah, war der Mann jedes Mal beeindruckt.

      „Kuck‘ mal“ rief er der Frau zu „die Tintenfische, die Muscheln, ist das nicht toll?“

      Die Frau lächelte gequält, das hatte mehrere Gründe. Zum einen war es besonders in der Nähe der Fischtheken kalt, was ihr nicht angenehm war (sie liebte mehr die Wärme, während der Mann und der Junge schnell schwitzten und dieser Ort somit für sie auch aus diesem Grund anziehend war) und zum anderen war ihr der Fischgeruch lästig.

      Der Mann und der Junge fuhren wieder Richtung Nyons zurück. Nach knapp zwanzig Minuten verließen sie den Kreisverkehr und überquerten die Brücke Richtung Stadtzentrum. Der Junge hatte den Auftrag erhalten nach Hinweisen auf einen Supermarkt zu suchen, in einem weiteren Kreisverkehr gab es die Ankündigung für den Intermarchè Super und nach einigen hundert Metern weiter wurde ein Super-U angekündigt. Oh ja, sie kannten sich aus, schon im vorigen Jahr war es während der langen Fahrten zum Sport geworden die Ankündigungen der Märkte möglichst frühzeitig zu erkennen, was dem Jungen naturgemäß am Besten gelang (weil er auf dem Beifahrersitz saß). Es gab den U, den Super-U und den Hyper-U, daneben noch den Intermarchè Hyper, Contakt und andere kleinere. Leclerc stellte jedoch nach ihrer Auffassung alle in den Schatten aber den gab es hier nicht, sie entschieden sich zum Intermarchè Super zu fahren.

      Auf dem Einkaufszettel standen Brot, Wurst, Käse, Oliven, Wasser, Wein, Cola, Tomaten, Paprika, Klopapier und Bier. Der Mann war gespannt, welche Biersorten er hier finden könnte. Wie im Vorjahr würde er den ersten Durst mit Bier stillen und dann später auf Rotwein umsteigen. Er kalkulierte zunächst zwei Flaschen Bier für den Abend, erhöhte die Anzahl aber auf drei, die hatte er sich nach der langen Kutscherei heute verdient. Eine war noch vom Vortag in der Kühlbox und er wusste, dass die Frau umsichtig genug gewesen sein würde, die Box sofort an das Stromkabel zu hängen, schließlich wusste sie, dass er warmes Bier verachtete. Der Junge durchstöberte die Wurstregale (er konnte Schinken und Salami nach seinem Geschmack aussuchen) und der Mann näherte sich erwartungsvoll dem Getränkebereich. Da standen die Bretterknaller! Eine echte Überraschung war es nicht, denn schon vor einem Jahr gehörten die holländischen, belgischen oder deutschen Biere zu seiner Überlebensration. Alle zeichneten sich dadurch aus, dass auf den Dosen unübersehbar Zahlen prangten, die hier mit 7,7 begannen und bis 11,4 reichten (der Alkoholgehalt). Sinnigerweise trug das Bier mit der 11,4 den Namen Maximator (wenn es noch einen Terminator geben sollte würde garantiert eine 15 auf der Dose stehen). Er konnte sich gut vorstellen welche Wirkung der Konsum einiger dieser Büchsen entfalten würde und verzichtete heute darauf (dazu fühlte er sich zu kaputt), statt dessen stellte er drei Dosen 8+8 in den Einkaufwagen, auch die würden noch heftig genug zuschlagen. An den offenen Kassen standen nur wenige Kunden, aber er gab sich nicht der Illusion hin, dass sie schnell durch wären und behielt Recht.

      Wenn er zu Hause in das Kaufland ging fühlte er sich an der Kasse stets getrieben. Hektisch stapelte er die Waren auf das Transportband und hinter ihm drängelte schon der Nächste (meist ein Rentner) der ihm auch noch den Einkaufwagen in die Kniekehlen rammte, weil er selbstredend in Eile war. Wenn die Kassierer die Eierverpackungen öffneten fühlte er sich jedes Mal unwohl, möglicherweise hätte ein Witzbold, während er selbst in den Regalen nach anderen Waren suchte, irgendetwas heimlich hineingetan, was ihn an der Kasse dann als Ladendieb überführen würde. Alle Blicke wären auf ihn gerichtet weil der Kassierer (ein Student) mit erhobener Stimme sagen würde: „Hoppla, was haben wir denn da?“.

      Egal was in der Verpackung drin sein sollte, es musste klein sein, denn viel Platz blieb nicht zwischen den Eiern und einen potentiellen Diebesgegenstand machte er in Kassennähe aus: Kondome. Natürlich war es sehr unwahrscheinlich, dass ihm jemand in der Nähe der Kasse die Dinger in die Eierverpackung schmuggelte aber der Gedanke setzte sich in seinem Kopf fest, so als hätte sich eine Bulldoge in seinem Bein verbissen und jedes Mal standen Schweißtropfen auf seiner Stirn, wenn die Verpackung sich auf dem Band dem Kassierer näherte. Der Student würde ihn höhnisch ansehen und dann laut sagen „Na das ist ja interessant!“. Jedenfalls wäre er bis auf die Knochen blamiert, die Polizei würde ihn noch im Kassenbereich verhaften und in Handschellen an den gaffenden Massen vorbeiführen.