Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745030990
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      »Um so besser!«, nickte Skryrmir zufrieden. Er schloss wieder zum Jungen auf: »Darf ich mir mal deinen Bogen ansehen?«

      Misstrauen flackerte im Blick des Burschen auf. »Was willst du damit? Das ist nur ein Bogen!«, erwiderte er.

      »Ich will ihn mir nur ansehen.« Er begutachtete ihn sehr sorgfältig, indem er ihn von allen Seiten untersuchte. »Hm, das ist alles andere als ein gewöhnlicher Bogen. Er hat eine völlig andere Form. Wie nennt ihr ihn?«

      »Er ist selbstgemacht, von mir. Das ist ein Skythenbogen. Seit dem ersten Reiter bauen wir unsere Bögen ständig so.«

      »Der ist nicht aus Holz. Was ist das für ein Material?«, bohrte Skryrmir neugierig weiter.

      »Er ist aus Horn und Tiersehnen«, gab er zögerlich zu.

      »Fabelhafte Arbeit!«, reichte Skryrmir ihm den Bogen zurück, weil ihm gewahr wurde, wie seltsam sich der Junge verhielt.

      »Wir sind da!«, sagte der Junge, blieb vor einem runden Zelt stehen und rief etwas in seiner fremden Sprache.«

      Hackbart hielt abrupt an, als er ein riesiges, haariges Tier sah. »Bei Thors Hammer! Was ist das für ein abscheuliches Vieh und warum trägt es die Titten auf dem Rücken?«

      Der Junge lachte. »Das Tulga. Er ist ein Kamelhengst und hat keine Titten! Wie sollten die Fohlen dort auch herankommen?«

      »Sapperlot! Was für eine hässliche Fresse!«, meinte Hackbart, als er das Gesicht des Kamels sah, das gemütlich vor sich hin kaute. »Was macht ihr mit diesen Viechern?«

      »Kamele sind Lastentiere. Man kann sie vor einen Karren spannen, oder, je nach Geschmack, darauf reiten. Sie haben einen angenehmen Gang. Zudem geben sie gute Wolle, aus der man hervorragende Stoffe weben kann«, erklärte der Junge.

      Endlich kam der Händler aus seiner Jurte heraus. Als er den Jungen erblickte fragte er: »Sag, wo hast du deinen Karren gelassen?«

      »Muss ich noch holen, habe erst die beiden Nordmänner zu dir gebracht. Ich gehe jetzt sofort den Wagen holen, Vater!«, sprang er aufs Pferd und preschte davon.

      »Ja, so ist es richtig. Nicht, dass wir nachher zwei davon haben! Gib Acht auf die Passanten! Was für ein Wildfang!«, lachte der Mann. Er war wahrscheinlich viel jünger als er wirklich aussah. Seine rotbraune Gesichtshaut glich gegerbtem Leder und war über und über mit Falten durchzogen. Auf seinem Kopf prangte ebenfalls eine Pelzmütze, in deren Mitte sich ganz offensichtlich ein Ei befand. Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus. Er verbeugte sich vor den beiden Fremden. »Willkommen. Mein Name ist Temudschin Badma.«

      »Skryrmir Thoraldson, Stammesführer der Haraldinger. Und dies ist mein Bruder, Hagbard Thoraldson«, entgegnete Skryrmir, der sich ebenfalls verneigte. »Hackbart?«, fragte er.

      Hackbart zögerte, erst dann neigte er misstrauisch das Haupt, noch immer das Kamel beobachtend.

      »Ach, der tut nichts. Den hat meine Tochter mit der Flasche großgezogen. Er ist zwar noch ein junger Rüpel, doch ganz brav. Wer ihn allerdings ärgert, wird von ihm bespuckt«, lächelte der Pferdehändler. »Was kann ich für euch tun?«

      »Wir hätten gerne ein paar von den kleinen Pferden«, antwortete Skryrmir.

      »Gut, dann kommt mit. Ihr wisst, dass ihr beide Glück habt? Eigentlich wollten wir schon längst nach Samarkand unterwegs sein, doch meine kleine Tochter Samija erkrankte. Deshalb beschlossen wir, noch so lange zu bleiben, bis es ihr besser geht. Zwar behaupten vielen, wir würden die Pest im Schlepptau haben, doch wieso werden dann auch unsere Kinder krank? Ich vermute, es liegt an den vielen Menschen, die aus allen Himmelsrichtungen kommen. Jeder bringt eine andere Krankheit mit. Hast du auch Kinder?«, erkundigte sich Temudschin, während er die Fremden zu dem Gatter mit den Pferden führte.

      »Ja, sechs. Drei Söhne und drei Töchter«, nickte Skryrmir. »Meine Kinder werden deine kleinen Pferde lieben.«

      »Drei Söhne? Ich habe nur einen. Du musst ein sehr glücklicher Mann sein!«, bemerkte der Mongole.

      Skryrmir machte ein eher gequältes Gesicht. »Ja, was meine Kinder betrifft, kann ich mich glücklich schätzen...«

      »Aber?...«, fragte Temudschin wissend. »Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Trauer. Ich sehe Trauer in deinen Augen. Aber auch Unruhe in deinem Blick. Ich verstehe, du bist ein Suchender. Ich erkenne einen Suchenden, wenn ich ihn erblicke. Wer spricht zu dir? Die Geister der Natur? Dein Gott?«

      Der Stammesfürst hielt inne, als wäre der Blitz in ihn eingeschlagen. »Langsam wirst du mir unheimlich, Pferdemensch. Ja, ich trauere um meine geliebte Frau, die schrecklich leiden musste, ehe meine Götter sie zu sich nahmen. Und ja, ich bin so etwas wie ein Suchender. Alle meine Vorfahren waren ebensolche Suchende. Äh… Mein Gott erscheint mir manchmal im Traum. Ich stehe stets unter dem riesigen Welten-Eschenbaum Yggdrasil. Sobald ich bemerke, wo ich mich befinde, erscheint auch schon Göttervater Odin und spricht zu mir.«

      »Ja, so wie unser Himmelsgott Tengri zu einigen von uns spricht. So wie damals, zu Attila. Er sollte gen Westen ziehen und sich ein riesiges Reich aufbauen. Nun hat der Arme leider nicht auf den Rat gehört, sich von bösen Weibern fernzuhalten. Er wurde in der Hochzeitsnacht von Ildiko ermordet. Andere erzählen, es sei ein Blutsturz gewesen. Womöglich war es Ildiko selbst, die das behauptete«, erzählte er schmunzelnd und zeigte auf die Gatter. Links sind die Hengste, rechts die Stuten.

      »Den Cremefarbigen!«, zeigte Skryrmir. »Und dort, die Schimmelstute, die kleine Braune, den Fliegenschimmel, den Rappen«, zeigte er auf die Pferde. »Den Fuchs, und den Schecken dort, der gefällt mir.«

      »Wie viele insgesamt?«, fragte der Skythe.

      »Ich dachte da an acht. Ich will mir im Norden eine kleine Zucht aufbauen. Du weißt schon, jedes Pferd für seinen bestimmten Zweck.«

      »Ja, ja… Kleine Pferde für kleine Menschen, große Pferde für große Menschen, starke Pferde für starke Menschen und ungerittene für Leute, die noch niemals geritten sind. Zwei Hengste, sechs Stuten würde ich empfehlen, so vermeidest du Inzucht. Wenn du Glück hast, sind bereits ein paar Stuten trächtig.«

      Skryrmir wählte noch zwei weitere Pferde. Dann begann Temudschin mit Pfiffen und Kommandos die ausgesuchten Pferde von den anderen zu separieren. Er band sie der Reihe nach an eine Schnur fest, damit Skryrmir und Hackbart sie unter Augenschein nehmen konnten. Die beiden untersuchten die Zähne, die Beine, einschließlich Hufe, guckten den Gäulen in die Augen und strichen ihnen durch die langen Mähnen.

      »Sehr schön. Sie sind feurig und trotzdem sanftmütig. Müssen wir irgendetwas bei ihrer Haltung beachten?«, fragte Skryrmir.

      Der Mongole lachte, wobei sein Gesicht wieder ziemlich zerknautscht wirkte. »Sie brauchen nur Futter und Bewegung. Diese Pferde sahen noch niemals einen Stall von innen. Ihre Hufe sind so hart, sie benötigen noch nicht einmal Eisen. Sie sind zäh, wie unsere kleinen Frauen. Wie wollt ihr sie transportieren?«, fragte er schließlich.

      »Mit dem Langschiff, immer an der Küste entlang. Sollten wir zu starken Seegang haben, warten wir lieber einen Tag an Land, ehe uns die Tiere wild werden.«

      »Vielleicht solltest du die Hengste vorher ein paar von den Stuten decken lassen, jedenfalls die rossigen. Dann herrscht schon mal etwas Ruhe. Den Hengsten solltest du die Vorderbeine zusammenbinden, nicht, dass sie auf die Stuten losgehen, oder über Bord springen.« Und wieder lachte er. »Ich bin mir sicher, falls das wirklich passieren sollte, wird der Hengst euch bis nach Hause ziehen. Trotzdem, Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Sollte eure Reling sehr niedrig sein, binde gleich allen die Vorderhufe zusammen. Man kann ja nie wissen.«

      Nun ging es daran einen ordentlichen Preis zu vereinbaren. Skryrmir überließ, wie so oft, Hackbart den Vortritt. Nur hatte er in dem Mongolen offenbar seinen wahren Meister gefunden. Sie feilschten, bis ihnen der Schweiß ausbrach.

      Der Stammesfürst schaute sich währenddessen einen dieser mongolischen Reitsättel an. Sehr zu seinem Erstaunen, war dieser nicht aus