Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745030990
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außerhalb verheiratet werden, währenddessen die Jungen weiter im Familienverband verbleiben, um die Blutlinie weiterzuführen«, erklärte sie.

      Skryrmir nickte. »Ja, bei uns ist es gang und gäbe, dass die Mädchen in fremde Verbände einheiraten. Meistens als Friedensstifter. Sie binden den anderen Stamm in ein freundschaftliches Verhältnis zu unserer Familie ein.«

      »Nur seid ihr sesshaft, wir hingegen nicht ganz so. Mein Vater meinte, wenn ich mich nicht bald für einen Bräutigam entscheide, übernimmt er die Entscheidung. Nun, ich sagte zu meinem Vater, als ich euch zu ihm brachte, er solle dir keinen Bogen geben, sondern herausfinden, ob du verheiratet bist. Das sagte ich. Denn du bist anders als die anderen. Nicht nur, weil deine Augen blau sind und dein Haar blond ist. Du hast mit mir wie mit einem deinesgleichen geredet. Du hast erkannt, dass wir Menschen alle gleich sind, egal welchem Stamm wir angehören. Außerdem bist du über die Meere gekommen, und ich will das Meer sehen«, lächelte Numa verschmitzt.

      Skryrmir machte große Augen. Er hatte damit gerechnet, sie würde in Tränen ausbrechen, ihn bitterlich anflehen, um nicht mitgehen zu müssen. Mit allem, nur nicht mit dem.

      »Außerdem bist du ein Fürst. Eine gute Partie! Und so nachdenklich«, bemerkte sie.

      »Na ja, ich weiß ja nicht, was du für Vorstellungen hast, aber ich habe weder eine Krone, noch hocke ich den ganzen Tag auf einem Thron herum. Bei uns im Norden ist es etwas anders. Ich bin nur der Stammesführer, mehr nicht. Und wenn ich meine Entscheidungen nicht gut durchdenke, schreit wieder ein Benachteiligter Zeter und Mordio. Es ist nicht leicht, weise Entscheidungen zu treffen.«

      Das Mädchen winkte ab. »Offensichtlich hast du bisher alles richtig gemacht, was willst du mehr?«

      »Hm, irgendetwas sagte mir schon, dass du sehr hartnäckig sein kannst. Jetzt im Nachhinein muss ich zugeben, dass mir dein Hüftschwung verriet, dass du ein Weib bist. Ich habe mir nichts dabei gedacht, wie ich dich von hinten betrachtete, als ich zurückfiel, um mit Hackbart zu reden. Nur dachte ich, für einen Burschen hast du einen seltsamen Gang. Allerdings war ich mir nicht sicher, ob nicht vielleicht alle Skythen so weibisch laufen«, grinste er, als er sah, wie trotzig Numa ihn ansah.

      »Das sagst du nur jetzt, damit du nicht wie ein Trottel dastehst«, kniff sie die Lippen zusammen.

      »Oh, mach das nicht. Wenn du so die Lippen aufeinander presst, siehst du aus wie dein Vater. Natürlich stehe ich ohnehin schon wie ein Trottel da. Ihr habt uns an der Nase herumgeführt, und wolltet uns vor Augen halten, dass wir nicht vorurteilsfrei auf euch Skythen blicken. Nun, ich nannte euch nicht Hunnen. Was hast du eigentlich so lange da draußen getrieben, während wir mit fettem Hammelfleisch abgefüttert und mit Arkhi betrunken gemacht wurden?«, wollte Skryrmir wissen.

      Numa zuckte mit den Schultern. »Na, was wohl? Eine Stute hat gefohlt. Es ist ein falbes Hengstfohlen geworden. Ich nannte den kräftigen Kerl Skryrmir«, grinste Numa frech.

      Der Nordmann musste laut lachen. »Du stehst wohl auf große, blonde Kerle, wie?«

      »Ja«, gab Numa unumwunden zu. »Du bist so nett, wenn du lachst. Bitte lache in Zukunft viel mit mir.«

      »In Ordnung. Augenscheinlich ist mit dir mein Glück zurückgekehrt. Nun denn, wenn wir schon ehrlich zueinander sind, dann will ich dir sagen, dass du eventuell mit Anfeindungen rechnen musst, wenn du mit mir gehst. Ich werde es zwar zu verhindern wissen, dass man dich ein Schlitzauge, oder einen Hunnen nennt, nur ich kann nicht unterbinden, dass man so etwas über dich denkt. Zudem bin ich ein Witwer mit sechs Kindern. Ich werde meine Sprösslinge nicht dazu zwingen, dich als ihre Mutter anzuerkennen. Du könntest sowieso eher ihre große Schwester sein. Wie alt bist du eigentlich?«

      »Sechzehn«, sagte Numa selbstbewusst. »Dann sollen sie eben Numa zu mir sagen.«

      »Ach du liebes Bisschen, sechzehn? Nun gut, auch ich habe früh angefangen. Das Leben ist kurz und voller Gefahren. Trotzdem bin ich sechs Jahre älter als du. Und ich bezweifle, ob du überhaupt in der Lage bist, von mir ein Kind auszutragen. Du bist so klein und so… zart«, gab er zu bedenken.

      Nun nahm sie wieder diesen trotzigen Ausdruck an. »Ich schwöre beim Gott Tengri, in einem Jahr wirst du von mir einen weiteren Sohn haben!«

      »Oh, bitte! Lass die Götter aus dem Spiel. Es geht um unsere Zukunft. Ich finde es schon unheimlich, dass Odin mich zu dir führte. Jetzt will ich nicht auch noch einen Tengri haben. Obwohl, solange er nur dich nervt, kann´s mir eigentlich egal sein. Ich sehe schon, dich werde ich sowieso nicht mehr los. Ich muss dich wohl erst mitnehmen und über Bord werfen!«

      »Kannst du ja mal versuchen! Ehe du mich gepackt hast, habe ich dir bereits ins Auge geschossen!«, drohte Numa.

      »Oh, ihr verdammten Hu… Skythen! Gut, gehen wir es deinem Vater sagen. Oh Gott, Hackbart wird ein Problem werden. Er kann dich nicht leiden.«

      »Ich kann ihn ebenso wenig leiden. Er ist ein dummer, lauter und fetter Mann.«

      »Na, das kann ja noch heiter werden. Bringen wir es hinter uns!«, sagte Skryrmir mit Leidensmiene.

      »Du hast uns gesagt!«, lächelte Numa.

      »Ja, das wird sich in Zukunft wohl nicht verhindern lassen!«

      *

      Beide schaden sich selbst: der, der zu viel verspricht und der, der zu viel erwartet.

      (Gotthold Ephraim Lessing)

      Agnir schmunzelte. »Mit so etwas habe ich wirklich nicht gerechnet, dass sich der Junge als meine Großmutter entpuppt. Ich finde die Geschichte, wie sich deine Eltern kennenlernten, sogar ein bisschen romantisch. Nur... Numa war ja noch minderjährig!«, gab er entrüstet zu bedenken, als wäre mein alter Herr ein übler Sittenstrolch gewesen. Das konnte ich so nicht im Raum stehen lassen.

       »Damals war es normal, dass die Mädchen verheiratet wurden, sobald sie… äh, wie soll ich sagen… erblühten, mal in der Sprache der Blumen und Bienen formuliert. In Anbetracht dessen, dass es damals weder Antibiotika, Interferon, noch Cortison gab, war die Lebenserwartung extrem niedrig. Die Kindersterblichkeitsrate dagegen außerordentlich hoch, nicht mal Erwachsene hatten besonders gute Aussicht auf ein langes Leben. Eine Infektion, egal welcher Art, konnte bereits dein Todesurteil bedeuten. Also fing man dementsprechend früh an, sich zu binden und zu vermehren. Je mehr Nachwuchs du zeugtest, desto größer war die Chance für deinen Clan, zu überleben. Es waren eben verdammt harte Zeiten«, erklärte ich ihm.

       »Oha! Da kann ich wirklich froh sein, in der Moderne zu leben. Ich glaube, heutzutage weiß niemand so recht zu schätzen, welches Glück er hat, ausgerechnet in dieser Zeit zu leben.«

       »So ist es mein Sohn. Meinst du nicht, es wäre besser, noch eine Mütze voll Schlaf zu nehmen? Du musst doch mal langsam ins Bett. Bist du denn gar nicht müde?«, fragte ich ihn. Selbst wenn er vorgab noch fit zu sein. Ich war es inzwischen längst nicht mehr.

       »Eigentlich würde ich lieber wissen, wie es weitergeht! Bitte, nur noch ein kleines Weilchen«, bat er.

       »Ich erzähle dir morgen den Entwicklungsverlauf der Geschichte beim Frühstück, okay?«, schlug ich ihm vor.

      »Na gut, aber auch wirklich machen!«

      *

       Selbstredend hielt ich mein Wort. Und trotzdem musste ich zugeben, sehr erstaunt zu sein, als Agnir am nächsten Morgen freiwillig einigermaßen früh aus dem Bett fand. Die Mädels waren längst verduftet. Annie teufelte schon lange auf ihrer Arbeitsstelle herum und Jule befand sich gemeinsam mit Sascha und Mara auf der impossiblen Mission Brautkleid.

      Beim Frühstück mit unserem berühmten Blutkaffee nötigte Agnir mich, die Geschichte weiterzuerzählen.

       »Und dann haben Skryrmir und Numa geheiratet? Wann denn? Noch am gleichen Abend? Und wann wurdest du geboren?«, fragte er neugierig.

       »Nicht so ungeduldig. Nun, damals benötigte man für eine Eheschließung keinen Standesbeamten, oder gar einen Geistlichen, und so gesehen, Jule würde es nicht