Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745030990
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lediglich mit zwei Keulen an, die wir uns langsam und spielerisch zuwarfen. Luigi hatte die ehrenvolle Aufgabe, nach und nach jeweils eine weitere Keule in die Runde zu werfen. Dabei wurde das Tempo weiter erhöht, bis wir mit zwölf Keulen jonglierten. Dabei ließen wir nach und nach die Keulen zu Boden fallen, weil deren Anzahl mit Fackeln ersetzt wurde. Obwohl ich wusste, dass mein Vater mir dabei zusah, verdrängte ich diesen Gedanken, weil ich verhindern wollte, meinem Onkel die Halle abzufackeln. Zum Glück gelang die Nummer und nachdem wir uns verbeugten, bekamen wir angemessenen Applaus. Ich räumte den Weg mit Luigi frei, um Bento ausreichend Platz für seine Artistik-Nummer zu machen. Sobald ich mit dieser Tätigkeit fertig war, sollte ich ihn ablösen, damit er mit seinem Alter Ego für Lacher sorgen konnte, währenddessen ich auf den Händen lief und ein Tablett mit Weinkaraffe auf den Füßen balancierte. Derart lief ich vor der hohen Tafel auf und ab, und bediente sozusagen die Herren mit Getränken. Bento nahm sich derweil jeden Gast an der Tafel einzeln vor, bzw. seine Marotte. Bei dieser Nummer schwieg Galatea und begleitete ihn lediglich auf der Leier, die ein kleines, neckisches Liedchen spielte. Diese Spottdrossel-Bauchredner-Nummer war eine Sache an ihm, die ich nicht sonderlich schätzte, da ich sie immer als einen gewagten Tanz auf dem Vulkan betrachtete. Denn Bento schaffte es immerzu, die Menschen an deren Eitelkeit zu packen. Selbstverständlich beleidigte er sie wegen ihrer auffälligen Äußerlichkeiten. Wenn er das tat, hatte ich stets das Gefühl, er könnte irgendwann einmal damit an den Falschen geraten, der keinerlei Sinn für Humor besaß und nichts von Narrenfreiheit hielt. So etwas musste unweigerlich irgendwann einmal schief gehen und mich wunderte, dass er nicht schon längst dafür ein Messer in die Rippen bekommen hatte. Doch schien er das Glück gepachtet zu haben, was scheinbar für Narren obligatorisch ist. Denn wenn sich jemand zu arg von ihm beleidigt fühlte, und provoziert von seinem Platz aufsprang, zeigte Bento stattdessen unschuldig auf Alter Ego und sagte: »Hey, das habe ich nicht gesagt! Der da war´s!« Und das, obwohl auch niemand sah, dass sich der Mund der Marotte bewegte.

      Als er meinen alten Herren ins Visier fasste, wurde dieser durch seine Einäugigkeit sogleich zu Bentos Spottobjekt. »Ah, ich hoffe doch, der edle Krieger kann auch mal ein Auge zudrücken? Nein, wohl eher nicht, sonst kann er ja gar nichts mehr sehen!«, scherzte Alter Ego, wofür ich diese dämliche Marotte noch viel mehr hasste, als ohnehin schon.

      Mein Vater blieb jedoch recht cool, lächelte und sagte stattdessen: »Nun ja, ich selbst kann kein Auge zudrücken, aber nachdem ich dich getötet habe, kleiner Narr, verspreche ich dir hoch und heilig, werde ich deine beiden Augen zudrücken!«

      Dafür bekam er mehr Lacher als der Narr Bento. Und ich war unheimlich stolz auf meinen Vater. Er hatte zwar in seinem ganzen Leben nicht ein einziges Buch gelesen, dennoch war er in meinen Augen ein weiser und bewundernswerter Mensch.

      Bento gab Ruhe und wir zeigten des Weiteren ein bisschen Akrobatik, machten Flick-Flacks, Salti und Purzelbäume und räumten anschließend die Bühne für den starken Luigi.

      Dieser stemmte zuerst die schweren Gewichte, die niemand von uns hochheben konnte. Dann forderte er zwei Schankmädchen auf, sie sollen sich links und rechts auf seine Oberarme setzen, während er in die Knie ging. Die Maiden zierten sich nicht lange und kamen seiner Aufforderung nach. Mit Leichtigkeit erhob sich der Hüne und balancierte die beiden sitzenden Grazien elegant auf seinen Bizeps. Danach ließ er das Hufeisen durch die Reihe gehen, damit sich das Publikum überzeugen konnte, dass es ein völlig gewöhnliches Hufeisen sei. Jeder nahm es einmal in die Hand und versuchte daran zu ziehen, oder es zu biegen. Ich schaute derweil immer wieder zu meinem Vater, der mich jedoch offensichtlich wegen meiner Theaterschminke nicht erkannte. Ich war mir nicht schlüssig, ob ich darüber lachen, oder weinen sollte.

      Während Luigi seine Eisenbieger-Darbietung vorführte, kam der Rüde Hati wieder zu mir und leckte meine Zehen, die aus meinen schmutzigen Fußlappen hervorschauten. Ich kraulte das gute Tier und als ich aufsah, bemerkte ich, wie mein Vater uns beobachtete. Schnell schickte ich den Hund wieder zurück zu seinem Herren. Doch dieser winkte mir zu, ich solle zu ihm kommen. Vor Schreck rutschte mir das Herz in die Hose.

      Skryrmir öffnete seine Geldkatze, die er am Gürtel trug, und zählte mir drei Goldstücke in die Hand. »Hier Junge, davon kaufst du dir ein paar anständige Stiefel, ja? So etwas kann ich gar nicht mit ansehen, wenn ein armer Tropf mit solch fürchterlich schmutzigen Fußlappen herumläuft! Und hier, nimm eine Gänsekeule mit, du siehst hungrig aus«, drückte er mir den Gänseschlegel in die Hand.

      »Grazie mille, mein Herr!«, sagte ich mit verstellter Stimme und italienischem Akzent, verbeugte mich tief und suchte vorerst das Weite, um mir in Ruhe den Schlegel mit Bento zu teilen.

      »Was war das gerade eben?«, fragte der Narr neugierig.

      »Er gab mir drei Goldmünzen, damit ich mir ein paar Stiefel machen lassen kann«, zeigte ich ihm das Geld. »Keine Bange, ich gebe es euch, wenn ihr wollt«, bot ich an. »Nur kann ich es hier und jetzt nicht tun, weil er mich trotz seiner Einäugigkeit sicherlich wie ein Luchs beobachtet.«

      »Stimmt, er sieht rüber. Denkst du, er hat dich erkannt?«, fragte Bento, während er an dem Gänse-Stotzen knabberte.

      »Nee, ich habe meine Stimme verstellt und mit eurem komischen Akzent gesprochen«, entgegnete ich grinsend.

      »Gut, denn am Ende der Vorstellung werden wir ihn überraschen. Überlass alles Weitere mir. Ich versuche ihm zuvor das Versprechen abzuringen, dich nicht zu bestrafen. Lass mich nur machen!«, reichte er die Keule wieder an mich zurück. »Hier, iss auf, Junge. Du bist gleich dran!«, sagte der Narr und sprang wie ein Gummiball durch den Saal und erfreute das Publikum wieder mit seiner Akrobatik. Ich glaube nicht, dass Bento, so wie ich, dabei Zeuge wurde, wie mein Vater das verbogene Hufeisen unbemerkt wieder in Form bog und auf dem Tisch vor sich ablegte. Als ich das sah, schlug mein Herz bis zum Hals.

      Galatea und Luigi brachten derweil die Gerätschaften für die nächste Vorführung in Position. Luigi griff sich auf dem Rückweg den Narren mühelos aus der Luft, als dieser einen Salto schlug und trug ihn, ohne mit der Wimper zu zucken davon, was dem Publikum herzhaftes Gelächter entlockte. Applaus und Münzen waren der Lohn.

       Die schöne Galatea sammelte das Geld auf, verbeugte sich und zeigte dann geziert auf mich: »Hohes Publikum, der wahrscheinlich jüngste Messerwerfer der Welt. Dieser junge Mann ist erst acht Jahre alt und wird sein Können nun unter Beweis stellen! Applaus für den kleinen Luigi!«, sagte sie mit einem hinreißenden Lächeln, das mir galt. Ansonsten stellte sie mich dem Publikum mit meinem richtigen Namen vor. Doch da ich inkognito bleiben musste, nannte sie mich den kleinen Luigi, weil ich diesen Namen absolut nicht mochte, jedenfalls nicht nachdem, was heute vorgefallen war.

      »Concentrazione! E tutta tranquillità!«, forderte Galatea das Publikum auf, während ich mich sammelte und mein Ziel ins Auge fasste. Schnell und kurz hintereinander, warf ich die Messer, die alle in dem inneren Kreis der Zielscheibe zitternd stecken blieben. Meine hinreißende Assistentin machte die Zuschauer mit eleganter Bewegung darauf aufmerksam, gleich so, als sei alles viel zu schnell gegangen, als dass sie es bemerkt haben könnten. Brav applaudierte das Publikum, obwohl ich mir nicht sicher sein konnte, ob mir der Applaus gehörte, oder eher dieser wunderschönen Frau. Sie zog die Messer aus der Holzwand und reichte sie mir mit einer neckischen Verbeugung.

       Anschließend stellte sich Galatea vor die Holzwand und klemmte eine mit Luft gefüllte Schweinsblase zwischen ihre perlweißen Zähne. Ich zielte und brachte die Blase zum Platzen. Mein Herz schlug wie verrückt und zeitgleich bemerkte ich, wie der Schweiß in Strömen meinen Rücken hinunterlief. Plötzlich erschien mir die Luft in der Halle heiß und stickig. Meine reizende Assistentin balancierte jetzt einen Apfel auf dem Kopf, was ich sehr gewagt fand. Bento und ich waren beinahe gleich groß, Galatea hingegen war viel größer. Darum musste ich bei diesem Wurf einen viel steileren Winkel anvisieren als sonst. Damit war es für mich das erste Mal, was bedeutete, dass es auch ebenso gut ins Auge gehen konnte. Ich legte großzügig noch etwas drauf, auch wenn ich Gefahr laufen sollte, den Apfel nur noch knapp zu streifen. Ich ließ mir Zeit und wünschte, ein Trommelwirbel würde ertönen. Denn dieser Moment schien sich bis ins Unendliche auszudehnen. Mir war, als könnte ich in diesem Augenblick, ein Haar zu Boden fallen hören. Die Farben wurden intensiver, genauso wie die Gerüche im Raum. Es war ein seltsames