Das Schicksal lacht mit spitzen Zähnen. Elke Bulenda. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elke Bulenda
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783745030990
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und leise spannte ich sie aus. Jedoch ging sie nicht wie erwartet lammfromm mit, sondern setzte sich urplötzlich auf ihre vier Buchstaben. Weder ziehen, noch schieben half. Ich versuchte sie am Zügel ziehend davon zu schleppen. Der Gaul hinter meinem Rücken bewegte sich nicht einen Fuß breit vom Fleck, was genauso für mich galt. Unter meinen Füßen staubte es schon mächtig, sodass ich beinahe glaubte, bereits in einer von mir selbst ausgehobenen Kuhle zu stehen, als eine tiefe Stimme neben mir ertönte: »Kann ich dir irgendwie behilflich sein, Söhnchen?«

      Ich zuckte zusammen, ließ schlagartig den Zügel los und fiel unweigerlich auf die Nase, da ich plötzlich zu viel Schub nach vorn bekam. So auf dem Boden liegend, blickte ich den Inhaber der tiefen Stimme von den Beinen aufwärts empor an. Mein Vater war schon ein riesiger, muskulöser Kerl, aber der Mann, der vor mir wie ein Berg aufragte, wirkte beinahe monströs. Es bereitete ihm zweifelsohne keinerlei Mühe, mich am Hemdkragen zu packen und recht unsanft auf die Beine zu stellen, was er unverzüglich tat.

      »Sei nicht enttäuscht, kleiner Mann!«, brummte er. »Du bist nicht der Erste, der unsere Lulu stehlen will. Nur gelingt es keinem, da wir dem alten Mädchen beibrachten, nicht mit fremden Leuten zu gehen!«, lachte er tief wie ein Troll. Das Dumme an dieser Angelegenheit war, dass er mich nicht losließ und noch immer am Schlawickel gepackt hielt.

      Indes nahm gerade in diesem Moment die Vorstellung ihr Ende, was die schöne Frau dazu veranlasste, durch die Menschenmenge zu wandeln und mit einer Mütze in der Hand, den schwer verdienten Lohn einzufordern.

      Der Kerl, der zuvor so gekonnt seine wilde Akrobatik vorführte, gesellte sich zu uns. Erst jetzt hatte ich die Muße, ihn genauer in Augenschein zu nehmen. Auf dem Kopf trug er eine seltsam anmutende Kappe mit Glöckchen dran, die bei jeder seiner Bewegungen klingelten. Seine komischen Schnabelschuhe waren ebenfalls an den Spitzen damit verziert. In der Hand hielt er einen Stab, worauf ein kleiner Totenkopf steckte, der genau die gleiche Kappe, samt Kragen und Glöckchen, wie sein Besitzer trug. Dass man so einen Stab Marotte nennt, erfuhr ich erst später. Er hingegen nannte das Ding »Alter Ego«.

      Der Kerl selbst hielt es für unter seiner Würde, mit mir zu sprechen. Das erledigte das komische Ding in seiner Hand. Und obwohl ich wusste, dass ihm die Stimme gehörte, sah ich nicht, wie sich seine Lippen bewegten. Ungläubig starrte ich ihn an.

      Das Ding in seiner Hand zappelte wie ein Kobold: »Hey! Was sieht mein nicht vorhandenes Auge? Wen haben wir denn hier?«

      Das fragte er allerdings nicht mich, sondern den Muskelberg der hinter mir noch immer bedrohlich aufragte.

      »Einen dreisten, dennoch erfolglosen Pferdedieb!«, brummelte der Muskelmann, der mich mühelos, trotz meines wehrhaften Gebarens, am Kragen festhielt. Und genau dieser Umstand hinderte mich daran, nolens volens die Flucht zu ergreifen. Zudem fragte ich mich, woher diese komischen Figuren stammten, denn sie sprachen in einem mir völlig fremd anmutenden Akzent.

      »Und was machen wir jetzt mit dem?«, fragte der Totenkopf und klingelte, weil sein Besitzer mir damit eine recht schmerzhafte Kopfnuss verabreichte. »Sollen wir ihm ein Ohr, oder die Nase abschneiden? Oder einfach nur verprügeln und diesen frechen Kerl anschließend höflich mit einem Fußtritt verabschieden? Hahahahaha!«, gackerte das gehässige Ding.

      »Wem wollen wir was abschneiden?«, fragte die wunderschöne Dame, vor der ich gerne auf die Knie gefallen wäre, um ihre Schönheit anzubeten. Nur hätte ich dabei unweigerlich vom Muskelmann getragen, eine gänzlich lächerliche Figur gemacht.

      »He, da! Nichts abschneiden!«, wehrte ich mich noch immer. »Wenn ihr das tut, kommt mein Vater und wird euch alle töten! Und lasst euch eins gesagt sein: Es wird ein fürchterliches Blutbad werden!«, drohte ich, denn mir blieb nichts anderes übrig. Meine Mittel waren erschöpft, und ich, gelinde gesagt, war es ebenfalls.

      Die drei sahen sich an und brabbelten schnell in einer mir unbekannten Sprache. Sie klang außergewöhnlich melodisch.

       »Cosa ne pensi, ragazzi? Bluffare il piccolo?«, fragte der Totenkopfbesitzer. (»Was meint ihr, Leute? Blufft der Kleine?«)

       »Se gli chiediamo una volta«, beschied die schöne Frau. (Fragen wir ihn mal«)

       »Bene, lo facciamo. Chiedetegli!«, brummte der Muskelmann und nickte mit dem Kinn der Dame zu. (Gut, machen wir es so. Frag ihn!) »Lass ihn runter, Luigi!«, deutete die Schöne auf mich. Während des Disputs hing ich noch immer wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Der Hemdstoff, der unter meinen Armen spannte, sorgte langsam dafür, dass ich flügellahm wurde.

      Sanft setzte Luigi mich ab. »Nicht weglaufen, Piccolo. Bento kriegt dich sowieso. Er ist blitzschnell!«, warnte er mich vor.

       Die Dame streichelte meine Wange. Ihre Hand war so kühl, ich wäre beinahe zusammengezuckt. Ich nahm mich zusammen, denn ich wollte keinesfalls wie eine Memme dastehen. Nicht, nachdem ich ihnen so kraftvoll gedroht hatte.

      »Sag, kleiner Mann. Wer ist dein Vater?«, fragte sie sanft.

      »Skryrmir Einauge, Stammesfürst der Haraldinger!«, gab ich stolz zurück.

      Der kleine Jongleur ergriff das Wort: »Oh, dann bist du also ein kleiner, feiner Prinz, wie? Der Prinz der Bettler, was?«, ätzte der Narr. »Und wieso lässt er zu, dass du dich als gemeiner Pferdedieb verdingst?«, forderte er mich heraus.

      Auf diese Frage wusste ich zuerst keine Antwort. Sollte ich diesen fragwürdigen Gestalten die Wahrheit sagen? Nein! Ich beschloss spontan, sie zu belügen. Denn wie zuvor Wulfric Knutson mir riet, sollte ich niemandem trauen. Darum dachte ich mir schleunigst etwas Cleveres aus. Und meine Lüge erschien sogar weitestgehend plausibel. Damit konnte ich verhindern, ins Heiligtum zurückgebracht zu werden, und obendrein eventuell meinen Bestimmungsort erreichen, ohne selbst hinlaufen zu müssen. »Na ja. Ich bin von zuhause weggelaufen«, druckste ich herum und tat so, als sei ich in flagranti ertappt worden.

      Wieder brabbelte das Trio in seiner melodischen Sprache. Offenbar hatte meine Aussage ihr Interesse geweckt. In ihren Augen leuchtete die Hoffnung, eine fette Belohnung winke, die ihnen für die Rückgabe des verlorenen Sohnes zustand.

      Die Schöne drehte sich wieder zu mir herum. »Sag, Bambino. Wo kommst du her?«, wollte sie wissen.

      »Detvakrestestedetverdenvetingen am Reisafjord«, antwortete ich. Dabei beobachtete ich, wie das Trio fragende Blicke untereinander austauschte.

       »Detvakre… Was?«, fragte Bento entgeistert.

       »Wo soll das sein?«, fragte Luigi verwirrt.

       »Davon habe ich noch nie gehört«, beschied die Schöne, deren Namen ich noch immer nicht wusste.

      »Meine Onkel, Cousins und Cousinen sagen ständig, es läge am Arsch der Welt. Nein, es liegt lediglich ziemlich weit im Norden, da wo die Welt zu Ende geht.«

      Bento schüttelte den Kopf, dass es nur so klingelte. »Da werden wir unmöglich hinreisen! In den Norden zu kommen, war ohnehin ein grober Fehler. Hier gibt es nicht mal größere Siedlungen!«

      Ich wusste es besser. »Da habt ihr eindeutig die falsche Route gewählt, wärt ihr die Westküste hochgefahren, sähe die Sache anders aus. Da gibt es Stavanger, Bergen und Niðaróss«

      »Schlaumeier!«, teilte Bento wieder eine Kopfnuss mit seinem Alter Ego aus.

       »Nun lass ihn heil! Wenn du ihn zu arg verbeulst, ist er nichts mehr wert!«, brummte Luigi, der sich mir wieder zuwandte. »Du erzähltest von deinen Onkeln. Was hältst du davon, wenn wir dich dort hinbringen? Glaubst du, einer von ihnen würde sich in pekuniärer Weise dankbar zeigen?«

      »Äh, was ist pekuniär?«, wollte ich zuerst wissen. Nicht, dass ich etwas versprach, was meine Onkel nicht halten könnten.

      »Geld, er meint Geld, mein Kleiner«, sagte die Schönheit.

      »Meine Onkel sind alle reich, allerdings nicht so reich wie mein Vater. Und natürlich bessern sie ihren Haushalt noch mit kleinen Nebentätigkeiten auf. Sie fahren zu den Briten und klauen ihnen alles, was nicht niet-und nagelfest ist.«

      »Aha, sie sind also