Dummes Mädchen, schlaues Mädchen - Ein Fall für Harald Steiner. Ansgar Morwood. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ansgar Morwood
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844262780
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der Urtyp aller Playboys. Braungebrannt, immer leger, aber teuer eingekleidet, im Besitz eines Porsche Cabrio, athletisch gebaut, groß gewachsen und privat ziemlich leichtsinnig im Umgang mit Worten. Auf Anhieb und ohne weiteres Hintergrundwissen gefragt, hätte man seinen Beruf mit „Sohn“ zu benennen gewagt. Sohn war er natürlich sehr wohl, allerdings nicht von betuchten Eltern. Sein Vater bezog eine bescheidene Invalidenrente, und seine Mutter jobbte als Schreibkraft für eine Personalverleihfirma mal hier, mal dort, war aber zumeist zur Hausarbeit im eigenen Heim verdammt.

      Der zweite Gedanke, den man haben würde, wäre der, Heiko habe sein großes Geld mit Börsenspekulationen gemacht. Immerhin war es schon recht auffallend, wie oft er zu Tageszeiten, an denen andere in der Regel ihrer Arbeit nachgingen, in snobistischen Etablissements herumlungerte. Doch Heiko hatte gar wenig Ahnung von den Mechanismen, die in der Welt der Börsen, Banken und Investmentfonds herrschten.

      Die Herkunft seines Geldsegens war von weitaus obskurerer Art. Sein Startkapital waren geklaute Autos gewesen. Kaum hatte er mit 18 seinen Führerschein gemacht, waren Autos sein ein und alles geworden. In dieser Hinsicht unterschied er sich kaum von gleichaltrigen Jungs, und er hatte natürlich in seinem gleichaltrigen Bekanntenkreis genug Ansprechpartner zu diesem Thema gefunden. Mit einigen von ihnen hatte er dann auch das erste Auto geknackt. Es war ein Mercedes Sportcoupé gewesen, das sein Eigentümer erst am selben Tag erworben hatte. Es war Heiko und seinen beiden damaligen Kumpanen nur darum gegangen, einen tollen fahrbaren Untersatz für eine Spritztour nach Gelsenkirchen zur Verfügung zu haben. Dort fand regelmäßig ein Gebrauchtwagenmarkt statt. Sie hatten ihr Geld zusammengelegt, mit der Absicht, irgendeinen alten amerikanischen Schlitten billig zu erwerben, den sie dann aufmotzen wollten, um an den Wochenenden bessere Chancen zu haben, Girls „aufreißen“ zu können. Den Mercedes hatten sie sich für diese Fahrt ausgewählt, um bei potenziellen Verkäufern einen besseren Eindruck zu schinden. Das gestohlene Gefährt war nicht mehr ganz neu gewesen, durfte es auch nicht sein, weil die Jungs sonst nicht in der Lage gewesen wären, die Wegfahrsperre und die Alarmanlage zu überlisten. Aber die Kiste sah verdammt gut aus. Wäre alles nach Plan gelaufen, hätten sie den Mercedes in Gelsenkirchen stehen gelassen und wären mit der Amischleuder und roten Schildern, die sich einer der drei bei einem Bekannten geborgt hatte, wieder nachhause gefahren. Sie waren dann nicht mehr dazu gekommen, ihr Wunschauto zu erwerben.

      Kaum waren sie an dem Platz, wo die Autos angeboten wurden, ausgestiegen, wurden sie von drei Männern in schwarzen Lederjacken angesprochen. Sie hatten im ersten Moment die panische Befürchtung gehabt, die Polizei sei doch fixer als vermutet gewesen, aber diese drei Typen sprachen ein solch gebrochenes Deutsch, dass man sie bei aller Fantasie nicht für deutsche Bullen halten konnte. Tatsächlich wollten die drei Osteuropäer den Mercedes kaufen. Nur so zum Scherz waren die kleinen Autodiebe darauf eingegangen, und die drei Polen konnten nicht merken, dass dieses Auto geklaut war, denn nach dem Aufbruch hatten die Jungs doch prompt ein vom Besitzer aus Unachtsamkeit zurückgelassenes Mäppchen mit einem Set Ersatzschlüsseln und sämtlichen Fahrzeugpapieren im Handschuhfach vorgefunden. Und plötzlich war der Deal perfekt. Aus Angst, die Polen könnten alsbald auf die Unrechtmäßigkeit des Handels stoßen, hatten es Heiko und seine Freunde vorgezogen, Gelsenkirchen umgehend per Bahn wieder zu verlassen. Allerdings war damals insbesondere die Grundidee seines späteren Geschäftsbereiches geboren worden: Der Handel mit gestohlenen Autos. Diese Idee hatte er im Laufe der Jahre immer weiter zu verfeinern verstanden. Er hatte seine Beziehungen auf- und ausgebaut, eine für die Steuern kaum durchsichtige Fassade aufgebaut und auch seinen gesamten Bekanntenkreis über seine echten Geschäfte zu täuschen vermocht. Bevor er Angela begegnete, war er schon lange über die Phase hinaus, selber noch Autos knacken und gegebenenfalls in Einzelteile zerlegen zu müssen. Er managte inzwischen seine Transaktionen und Aktionen per Telefon, Handy oder Internet, ohne sich noch die Finger direkt schmutzig machen zu müssen.

      Die Begegnung Nilles mit der Jahn durch Anrempeln war von Heiko durchaus gewollt herbeigeführt worden. Nille bewohnte die ganze erste Etage einer feudalen Villa in der Lindenallee im Stadtteil Marienburg. In der nahe gelegenen Bonner Straße befand sich der Frisiersalon, in dem Angela arbeitete. Gleich neben dem Salon gab es eine Bar, die in den guten Jahreszeiten auch im Außenbereich Tische und Stühle aufgestellt hatte.

      Heiko verkehrte des Öfteren hier, und ihm war das hübsche Blondchen im Salon schon mehrfach aufgefallen, wenn auch nur im Vorübergehen. Ganz am Anfang hatte er einen guten Grund, ihr nicht näher zu kommen, denn seine damalige Lebenspartnerin Helga Bode (26) duldete keine Seitensprünge, und er wollte Helga nicht verlieren. Doch Ende April hatte er tüchtig Zoff wegen der Planungen zu einer Urlaubsreise mit ihr gehabt, der unsinnigerweise eskalierte, und sie war ausgezogen. Vorübergehend, nahm er an. Aber als sich der Zwist Mitte Mai immer noch nicht wieder eingerenkt hatte, betrachtete Heiko die Beziehung für beendet und sich selber wieder als frei.

      An einem sonnigen Nachmittag im Spätmai ergab es sich, dass Angela früher Feierabend machte als sonst, weil sie noch einige Einkäufe erledigen wollte. Heiko saß auf der Terrasse vor der Bar und trank einen der teuren hauseigenen Shakes, als sie aus dem Salon trat. Jetzt oder nie, dachte Heiko. Er stand auf und ging, offenbar ohne Acht auf die seinen Weg zu seinem am Straßenrand geparkten Porsche kreuzenden Fußgänger zu geben, über den Bürgersteig und stieß mit Angela Jahn zusammen. Dabei fiel Angela, die selber nicht besonders achtsam gewesen war, weil sie telefonierte, das Handy zu Boden. Besser hätte es für Heiko nicht passieren können, denn nun hatte er nicht nur einen Grund, sich ausgiebig zu entschuldigen, sondern er war verpflichtet, den entstandenen Schaden wieder gutzumachen.

      „Oh! Entschuldigen Sie gnädige Frau,“ reagierte er, bevor Angela eine erste Äußerung der Entrüstung von sich geben konnte. „Das war jetzt aber nur meine Schuld.“ Er bückte sich und hob das Handy auf, das er sodann an sein Ohr hielt.

      „Ist es kaputt?“ fragte Angela, immer noch über den Zusammenstoß leicht benommen.

      „Kann ich so nicht sagen,“ gab sich Heiko besorgt. „Aber selbst wenn man damit noch telefonieren kann, können andere Funktionen in Mitleidenschaft gezogen worden sein.

      Ich werde Ihnen das Gerät natürlich umgehend ersetzen. Wichtiger ist, dass Ihnen nichts geschehen ist.“

      „Sie sind zwar eine Spur größer als ich,“ konterte die junge Frau nun schon etwas keck, „aber umgehauen haben Sie mich nicht.“

      Was nicht ist, kann noch werden, dachte Nille und eröffnete die zweite Phase seiner Offensive. „Ich saß gerade hier auf der Terrasse und wollte mir nur eben meine Zigaretten aus meinem Auto holen.“ Sein Finger schnellte in die Richtung des Cabrios mit geöffnetem Verdeck, - ein unmissverständlicher Hinweis darauf, wo man in etwa seine gesellschaftliche Position einzuordnen hatte, und für die meisten jüngeren Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts hatte das etwas Unwiderstehliches an sich.

      „Wenn Sie etwas Zeit haben, würde ich Sie gerne zu einem Drink einladen und Sie dann zu einem Elektrofachgeschäft fahren, wo Sie sich ein neues Handy nach Ihrer Wahl auf meine Kosten aussuchen dürfen.“

      „Na, Sie scheinen sich eine Anmache aber einiges kosten zu lassen,“ erwiderte sie, konnte sich aber gedanklich nicht der Hoffnung erwehren, soeben ihrem Mäzen über den Weg gelaufen zu sein oder umgekehrt er ihr. „Aber Sie haben Recht. Auf den Schreck würde ich gerne einen Martini trinken, und wenn ich es mir recht überlege, ist es doch angenehmer, mit einem Cabrio in die Stadt chauffiert zu werden, statt den Bus zu nehmen.“

      Wohl überflüssig zu erläutern, dass sich in den nächsten Stunden beide alle Mühe des sich näher Kennenlernens gaben. Die eine suchte ihren Gönner an sich zu binden, der andere den Ersatz für seine Verflossene. Weil das auf Anhieb miteinander kompatible Einstellungen waren, bahnte sich das Verhältnis besonders schnell an. Schon zwei Wochen später zog Angela bei Heiko ein. Im Sommer flogen sie gemeinsam in die Karibik in Urlaub, und schon im Herbst gingen sie auf die Suche nach einem geeigneten Geschäftslokal für Angelas eigenen Coiffeursalon. Was er beruflich so trieb, verheimlichte er ihr. Nach seinem Geschmack, hatte er seinerzeit Helga zu viele Einsichten gewährt. Angela wusste nicht mehr über seine Geschäfte, als dass er Autos en gros vermarktete, und sie wollte auch nicht mehr darüber wissen. Es gefiel ihr, dass er viel Geld nur mit Telefonaten und Computerklimpereien verdiente. Manchmal bekam sie mit, dass es dabei auch schon mal gereizt herging, aber das tangierte