Haberkorn und der Obersteuermann waren von den Leuten der Aufnahmestelle registriert worden, und da sie nicht zu den nun Wohnungslosen zählten sondern in einer militärischen Einrichtung untergebracht waren und keine medizinische Behandlung benötigten, konnten sie den Ort verlassen.
„Wir sind schon zwei schmucke Krieger, so wie wir jetzt aussehen“ sagte Haberkorn gequält und recht hilflos zum Obersteuermann, als sie den bombardierten Bereich in Richtung Stadtzentrum verließen, „da werden sich die Frauen die Köpfe ja nach uns verdrehen. Wie kommen wir jetzt weg hier?“
„Wir müssen noch eine intakte Straßenbahn- oder Buslinie finden, dann müssen wir uns eben so gut es geht durchschlagen.“
Die beiden Männer fanden nach einiger Zeit nah beim Zentrum in Veddel eine Busverbindung, die sie nach Finkenwerder bringen würde. Ihr kleines Barackenlager lag günstig in Neuenvelde, so dass sie sonst üblicherweise ohne großen Zeitaufwand zur Werft kamen. Heute waren sie aber schon einige Stunden überfällig und wurden mit Erleichterung von den anderen Männern begrüßt. Haberkorns Kommandant konnte sich allerdings einige markige Bemerkungen nicht ersparen.
„Diese Banditen haben 14 Flugzeuge eingebüßt, hat der Reichsrundfunk vorhin gerade gemeldet. Das wird ihnen wohl eine Lehre sein. Unsere Luftverteidigung hat diesen Verbrechern damit schon mal ordentlich die Flügel gestutzt. Und auch wir werden ihre Schiffe bald kräftig zur Ader lassen. Aber, LI, Obersteuermann, Sie sollten sich erst einmal wieder in Ordnung bringen. Bei allem Verständnis für Ihre Situation, aber ein deutscher Marineoffizier hat auch immer noch seine Vorbildwirkung für die Mannschaften und die Bevölkerung zu erfüllen, natürlich besonders in Bezug auf die Anzugsordnung. Wie wurde bei uns auf der Seefahrtsschule gesagt? Manneszucht betrifft nicht nur Mut im Kampf oder im Dienst, sondern auch im makellosen persönlichen Auftreten. Also, LI, wir sehen uns dann zum Abendbrot in der Messe. Da werden sicher ein paar Bierchen auf Ihr Glück fällig werden.“
Martin Haberkorn hatte sich nach dem Duschen auf sein Bett in der kleinen Stube der Baracke gelegt und versucht seine Gedanken zu sortieren. Er war knapp davongekommen aber wusste auch, dass ihn die Stunden zwischen Hoffnung und Verzweifeln noch lange beschäftigen würden. Da er sich vom Abendbrot in der Messe nicht drücken konnte musste er wohl oder übel in frischem Wichs dort erscheinen und unerschütterlichen Siegeswillen demonstrieren. Der Kommandant stand vor der Übernahme seines ersten Kommandos in dieser Funktion und Haberkorn erkannte durchaus an, dass der Mann als Wachoffizier schon einige Reisen hinter sich gebracht hatte und damit kein absoluter Neuling mehr war, aber ob er den jetzigen Anforderungen an die Führung eines Bootes gerecht werden könnte, war noch nicht erwiesen. Leider würde ihm und den anderen Männern der Besatzung nicht wie zu Beginn des Krieges die Möglichkeit gegeben werden, in ihre Aufgaben bei einer noch schwachen Abwehr hineinzuwachsen und ihre Unerfahrenheit gegenüber einem unorganisierten Gegner nicht so deutlich werden zu lassen.
Die mittlerweile bestens eingespielten Hunter-Groups des Feindes ließen einen Fehler einer neuen Besatzung nur einmal zu, und das konnte schon bei der ersten Reise das letzte Mal gewesen sein.
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