Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 12. Frank Hille. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Hille
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783745072525
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Kampffahrzeuge. Aber viele Dinge an dem neuen Panzer gaben den Männern an Bord die Gewissheit, und nicht nur die vage Hoffnung, mit dem „Panther“ den russischen Gegnern endlich wieder deutlich überlegen zu sein. Dass etliche der neuen Fahrzeuge bereits auf dem Anmarsch mit Motorschäden liegengeblieben und zum Teil sogar ausgebrannt waren konnte diese Zuversicht zwar etwas dämpfen, aber den Optimismus nicht großartig beeinflussen. Mit der weiter andauernden Produktion der Panzer, deren Einsatz und den damit verbundenen Erfahrungsgewinnen würden sich diese Anlaufprobleme bald abstellen lassen. Beyer dachte in diesem Zusammenhang daran, wie der Entwicklungsweg des Panzers IV verlaufen war. Bei seiner Indienststellung war das Fahrzeug, allerdings aus jetziger Sicht, vollkommen unzureichend gepanzert und bewaffnet gewesen. Schon im Frankreichfeldzug war deutlich geworden, dass weder die schwache Panzerung noch die wenig durchschlagkräftige Kampfwagenkanone mit dem „Stummel“ zukunftssicher waren. Zwar war der Panzertyp ständig kampfwertgesteigert worden, aber erst mit den Ausführungen der Baureihe G konnte er den T 34 wieder Paroli bieten, er war in Bezug auf die Bewaffnung seit längerer Zeit seinem hauptsächlichen Gegner im Osten wieder überlegen. Dieses Muster war ein typisches Beispiel für die Weiternutzung bewährter Komponenten von Waffen und sparte damit Zeit für eine sonst erforderliche grundlegende Umstellung der Fertigungstechnologie. Beyer ahnte, dass die Fertigung der „Panther“ niemals an die Stückzahlen der T 34 herankommen würde. Ganz brutal formuliert bedeutete das für die Deutschen, dass die Panzer V dann als gelungen bezeichnet werden konnten, wenn sie ein Abschussverhältnis von 1 zu x erreichen würden, wobei das x für die Anzahl der vernichteten generischen Fahrzeuge stand und niemand diesen Wert vor dem ersten Großeinsatz definieren konnte. Vollmundig war vor allem in der Heimat der Einsatz von unschlagbaren und nicht zu zerstörenden neuen Waffen propagiert worden, aber die Männer an der Front sahen die Wirklichkeit. Die wenigen „Panther“ und „Tiger“ stellten zweifelsohne einen wichtigen Qualitätssprung in der deutschen Panzerentwicklung dar, quantitativ waren sie es nicht. Die Hauptlast der Kämpfe würde weiterhin an den robusten Panzern IV hängenbleiben. Was gern verschwiegen wurde war die Tatsache, dass die deutsche Panzertruppe in der auf dem Papier durchaus beeindruckend zu lesenden Gesamtstärke mangels Alternativen einen großen Teil von Fahrzeugen einsetzen musste, die für die Anforderungen eines Panzergefechtes des Jahres 1943 ungeeignet waren. Selbst die auf die lange 5-Zentimeter KwK umgerüsteten Panzer III waren im Kampf gegen die T 34 hoffnungslos unterlegen und konnten eigentlich nur noch als Unterstützungsfahrzeuge für die Infanterie erfolgreich Aufgaben erfüllen. In dem Sammelsurium der deutschen Panzerfahrzeuge fanden sich aber auch wirksame Geräte wie die Sturmgeschütze, deren Rolle sich vom Begleitfahrzeug der Infanterie zu einer effektiven Panzerbekämpfungswaffe gewandelt hatte. Fred Beyer hatte den Eindruck gewonnen, dass man alles Verfügbare an rollendem Material zusammengekratzt hatte, eben auch solche Provisorien wie die Panzerjäger „Marder“. Selbst russische Beutepanzer vom Typ T 34, die man mit übergroßen Balkenkreuzen versehen hatte, sollten eingesetzt werden. Erfahrungsgemäß wurden solche aufgebrachten Fahrzeuge von den Einheiten nicht an die übergeordneten Befehlsstellen weitergemeldet, so dass niemand genau wusste, wie viele gepanzerte Fahrzeuge denn überhaupt zur Verfügung standen.

      Nicht erst zu Beginn des Russlandfeldes hatte sich herausgestellt, dass die Wehrmacht über deutlich zu wenige bewegliche Panzerabwehrwaffen verfügte, und vor allem die Standard-3,7-Zentimeter Pak – von den Landsern sarkastisch als „Panzeranklopfgerät“ bezeichnet – absolut unbrauchbar geworden war. Aus den Erfahrungen der Kämpfe geboren waren schon nach dem Ende des Frankreichfeldzuges Panzerabwehrkanonen auf erbeutete Fahrgestelle französischer Panzer oder Schlepper aufgesetzt worden. Diese als „Marder“ bezeichneten Selbstfahrlafetten wurden als Folge des T 34-Schocks noch im Jahr 1941 hastig weiterentwickelt und die Geschütze diesmal auf

      Panzer II-Fahrgestelle verlastet. Zum Einsatz kamen massenhaft erbeutete russische 7,62-Zentimeter Divisionskanonen und später dann auch 7,5-Zentimeter PaK 40. Diese durchschlagkräftigen Waffen halfen den Deutschen über diese Durststrecke hinweg, aber die Fahrzeuge selbst waren wegen ihres hohen Aufzuges und der nur rudimentär vorhandenen Panzerung trotzdem nur ein Notbehelf und im Gefecht äußerst gefährdet. Dennoch sollten diese knapp 350 Panzerjäger im Verbund mit den moderneren Kampfpanzern die Hauptlast der Panzerabwehr tragen.

      Nachdem die deutschen Panzer die kleinere Gruppe russischer Fahrzeuge zerstört hatte ordneten sich die Kampfmaschinen wieder in die deutsche Angriffsformation ein und rollten weiter nach Osten. Fred Beyer war immer noch von dem relativ leichten Durchdringen der russischen Verteidigungsstellungen überrascht. Als Hauptgegner trat der bewährte T 34 auf, aber die Russen verfolgten eine ganz andere Philosophie in Bezug auf die technische Ausstattung der Truppe. Während die Deutschen jetzt endlich wieder fortschrittliche und überlegene Panzer in das Gefecht einführen konnten, setzten die Sowjets vordergründig auf Quantität und waren bei der Kampfwertsteigerung der vorhandenen Modelle nicht weitergekommen. Die 7,6-Zentimeter-Kampfwagenkanone des T 34 war jetzt nicht mehr in der Lage, die zusätzlich vorgepanzerten Stellen der schon länger eingeführten deutschen Kampfwagen und die der neuen ohnehin nicht mehr auf günstige Gefechtsentfernungen zu durchschlagen. Demgegenüber war es nunmehr auch dem Panzer IV möglich, den T 34 auf 1.000 Meter Entfernung zu vernichten. Genau wie die Deutschen hatten die Russen alle verfügbaren Panzerfahrzeuge für die Schlacht zusammengezogen, dazu zählten auch etliche T 70. Diese

      9 Tonnen schweren Fahrzeuge und mit einer 45-Millimeter Kanone ausgerüsteten leichten Panzer konnte dem deutschen Panzer III unter bestimmten Bedingungen noch erfolgreich entgegentreten, obwohl die zweiköpfige Besatzung des russischen Tanks von ihren Aufgaben her gesehen vollkommen überfordert war. Aufgrund der schwachen Panzerung von gerade einmal 15 Millimetern an den Wannenseiten und 35 Millimetern an den Turmwänden waren vereinzelt auftauchende T 70 von der Stahlwalze der deutschen Panzerformation buchstäblich im Vorbeigehen auf große Entfernungen vernichtet worden.

      Hätte ein unabhängiger Beobachter eine Analyse der Schlagkraft der beiden Panzertruppen aufgestellt, wäre er recht schnell zu einer einfachen Bewertung gekommen: die Russen waren quantitativ haushoch überlegen, aber ihr T 34 als Standardpanzer hatte seinen Schrecken wegen einer fehlenden Weiterentwicklung insbesondere in Hinblick auf die Bewaffnung zu einem großen Teil verloren. Die zahlenmäßig unterlegenen Deutschen konnten zwar nur einen vergleichsweise kleinen Anteil sehr moderner Panzer einsetzen, aber das schon länger eingesetzte Material war in vielen Fällen einer zeitgemäßen Kampfwertsteigerung unterzogen worden und für die Gefechte gut geeignet. Jetzt würde es darauf ankommen, wer die bessere Strategie hatte, und in welchem Verhältnis die Verluste ausfallen würden.

      Deutschen und Russen waren nicht an erster Stelle auf größere Geländegewinne aus, sondern ihr übereinstimmendes Ziel bestand darin, den Gegner in diesem Großkampf personell und materiell so entscheidend zu schwächen, dass er nicht mehr genügend Kraft haben würde, mit diesen Verlusten weiterhin aktiv offensiv zu werden.

      Ein LKW der Wehrmacht hatte die immer noch vollkommen verstörten Überlebenden des Bombenangriffes zu einer Notaufnahmestelle gebracht. Der im Erdgeschoss eines Hauses liegende große Raum – Haberkorn vermutete nach dessen Ausmaß , dass es ein ehemaliges Tanzlokal mit Ausschank gewesen sein könnte – war leergeräumt und mit Armeebetten vollgestellt worden. Es war warm, und in der Aufnahmestelle hatte sich ein Dunst aus Schweiß, Kotgestank, Uringeruch und modrigen Kleidungsausdünstungen gebildet. Haberkorn war durch sein Leben an Bord eines U-Bootes in dieser Hinsicht einiges gewohnt, aber dieser übelriechende Brodem verursachte ihm Übelkeit. Einige der Leute hatten ihre Ausscheidungsorgane unter dem schrecklich nervenzermürbenden Luftangriff wohl nicht mehr unter Kontrolle halten können und dünsteten jetzt – für sie sicher sehr beschämend – einen sie zusätzlich noch erniedrigenden Gestank aus. Haberkorn hatte selbst erlebt wie belastend es war, unter dem Krachen der Wasserbomben den Schließmuskel panisch zusammenzukneifen, um sich nicht in die Hosen zu machen. Neben der Todesangst kam auch noch die Befürchtung dazu, sich einzuscheißen und dann mit stinkenden Sachen auf seinem Posten ausharren zu müssen. In so einem Fall hätte er ja nicht in aller Ruhe auf die Toilette gehen, sich säubern und gemütlich die Klamotten wechseln können. Der langsam nachlassende Schock wandelte sich jetzt bei ihm in zunehmende Wut. Diese feigen