Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 12. Frank Hille. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Hille
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783745072525
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      Impressum

      Drei Musketiere

      Eine verlorene Jugend im Krieg

      Band 12

      1943

      Copyright: © 2017 Frank Hille

      Published by: epubli GmbH, Berlin

      www. epubli.de

       Martin Haberkorn, 8. Juli 1943, Hamburg

       Günther Weber, 7. Juli 1943, vor Orel

       Fred Beyer, 7. Juli 1943, bei Belgorod

       Martin Haberkorn, 7. Juli 1943, bei Hamburg

       Fred Beyer, 7. Juli 1943, bei Belgorod

       Günther Weber, 8. Juli 1943, vor Orel

       Martin Haberkorn, 10. Juli 1943, Hela

       Fred Beyer, 11. Juli 1943, vor Prochorowka

       Günther Weber, 11. Juli 1943, bei Orel

       Martin Haberkorn, 11. Juli 1943, Hela

       Fred Beyer, 11. und 12. Juli 1943, Prochorowka

       Günther Weber, 12. Juli 1943, bei Orel

       Martin Haberkorn, 12. Juli 1943, Hela

       Fred Beyer, 12. Juli 1943, Prochorowka

       Günther Weber, 17. Juli 1943, bei Orel

       Martin Haberkorn, 20. Juli 1943, Hela

       Fred Beyer, 20. Juli 1943, Prochorowka

       Günther Weber, 21. Juli 1943, bei Orel

       Martin Haberkorn, 27. Juli 1943, bei Island

       Fred Beyer, 27. Juli 1943, bei Slawjansk

      Als er immer noch total benommen, mit dröhnendem Kopf, zitternden Beinen und vollkommen mit Ziegel- und Betontaub bedeckt über die von den Feuerwehrleuten und Hitlerjungen freigelegte enge Stelle an der Kellerwand über Betonbrocken nach oben gestiegen war, fiel Martin Haberkorn nach wenigen Schritten mit den Knien auf den Boden. Er stützte sich mit den Händen ab und hatte Mühe nicht umzufallen. Keineswegs war es eine schwere körperliche Anstrengung gewesen die ihn so erschöpft hatte, aber er war mit den anderen Überlebenden des Bombenangriffes in dem Keller eine für sie unendlich erscheinende Zeit verschüttet gewesen und die Befürchtung, daraus nicht mehr lebend entkommen zu können, hatte seine Nerven bis aufs Äußerste zerrüttet. Haberkorn nahm trotz seines Zustandes wahr, dass um ihn herum nur noch Ruinen standen, Brände flackerten und Rauchwolken über die Stadt zogen. Ringsum heulten immer noch Sirenen der Feuerwehr oder von Sanitätsfahrzeugen. Im nahegelegenen Hafenbecken kurvte ein Schlepper zwischen aus dem Wasser ragenden Aufbauten von versenkten Schiffen umher und versuchte offensichtlich vorsichtig aus dem nunmehr größtenteils unbefahrbaren Gebiet herauszukommen. Nach dem krachenden Inferno des Luftangriffes war es jetzt fast unnatürlich still und lediglich die Rufe der Rettungsmannschaften waren in der Nähe zu vernehmen.

      „Vergiss es“ hörte er deutlich „die kannste nur noch mit ner Grabegabel und Schaufeln rausholn. Weißt doch sowieso nich, wer wer is, sind doch alle total zusammengebackn. Das war n Ausbläser. Is durch das ganze Haus durchgerauscht und dann im Keller nich explodiert, sondern der Sprengstoff is nur schnell abgefackelt. Jedenfalls ham die armen Schweine davon nich mehr viel gemerkt. Los, weiter zum nächsten Keller, hat doch keinen Sinn mehr hier.“

      Martin Haberkorn hatte sich auf den Boden gesetzt und mit dem Rücken gegen ein noch intaktes Mauerstück gelehnt. Der Obersteuermann saß wie schon im Keller wieder neben ihm und starrte wortlos und mit leerem Blick in die Gegend. Beide Männer tröstete etwas, dass sie sich keine Sorgen um ihre Familien oder Angehörigen machen mussten, die Frau und die Kinder des Obersteuermanns lebten in Kiel, und Marie war in Frankreich weit weg. Haberkorn war dennoch erschüttert, mit welcher Brutalität Krieg gegen Frauen und Kinder geführt wurde. Auf den Gedanken, dass deutsche Bomber lange vor den britischen Bombardements englische Städte angegriffen und ebenfalls vor allem die Zivilbevölkerung terrorisiert hatten kam er in diesem Moment nicht, zu groß war sein Entsetzen gewesen und sollte sich unauslöschlich in seine Erinnerungen einbrennen. Bis vor wenigen Stunden hatte er noch geglaubt, dass eine lange Wasserbombenverfolgung das Höchstmaß an nervlicher Anspannung und Todesangst wäre, jetzt aber wusste er, dass dieses Grauen noch Steigerungen erfahren konnte. Es war vor allem die Gewissheit gewesen, der Bedrohung aus der Luft vollkommen ausgeliefert zu sein und sich nicht einmal mit den blanken Händen dagegen wehren zu können. Dass die Menschen in den nur notdürftig geschützten Luftschutzkellern bei der Abwehr des Angriffes so scheinbar allein gelassen worden waren bestürzte ihn, aber er wusste natürlich, dass es nicht so war. Rings um die Stadt waren schwere Luftabwehrbatterien mit den gewaltigen 8,8-Zentimeter Flakgeschützen stationiert, die von als Flakhelfern eingesetzten Hitlerjungen bedient wurden. Keineswegs waren diese jungen Männer schlechtere Kanoniere als die wenigen dort dienenden älteren Männer, vielfach war sogar das Gegenteil der Fall. Haberkorn war inzwischen durch seine eigenen Kriegserlebnisse von einem nahezu kritiklosen und begeisterungsfähigen jungen Mann zu Beginn seines Dienstes in der Marine zu einem erfahrenen Soldaten gereift, der die Dinge nicht mehr mit dem verklärten Blick der Jugend und deren Lust auf Abenteuer sah, sondern seine eigenen Schlüsse ziehen konnte. Als er anfangs als Dieselheizer auf einem VII C-Typ eingestiegen war hatte ihn die scheinbar willkürlich angeordnete Technik an Bord des Bootes heillos verwirrt. Erst nach und nach war ihm aufgegangen, was für ein kompliziertes System so ein U-Boot darstellte und dass das auf den ersten Blick planlose Durcheinander der technischen Apparaturen einem wohldurchdachten, aber durch verschiedene Zwänge bedingtem Plan folgte. Der Spagat zwischen der unbedingten militärischen und damit vorrangigen Zweckerfüllung dieser riesigen Maschine und den Anforderungen an ordentliche Lebensbedingungen der Besatzung konnte den Konstrukteuren gar nicht gelingen, und Komfort war auch nicht unbedingt gewollt, das war ihm schnell klar geworden. Ganz ähnlich wie in einem Panzer waren die Männer in einer Stahlhülle eingeschlossen aber der Unterschied war eben der, dass sie in Phasen ohne Bedrohungslagen nicht einfach ihre Zelte an der frischen Luft aufschlagen konnten, sondern fast ununterbrochen im eigenen Mief, Dieselgestank, unter künstlichem Licht, vorrangig von Konservennahrung und in einem ungesunden Rhythmus der Wachwechsel leben mussten. Sein Freund Fred Beyer hatte ihm in den letzten Briefen geradezu begeistert von seinem neuen Panzer, einem „Panther“, berichtet. Haberkorn als Techniker hatte schon seit einiger Zeit erkannt, dass der deutsche Generalstab