Drei Musketiere - Eine verlorene Jugend im Krieg, Band 12. Frank Hille. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Frank Hille
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783745072525
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abgrundtief gehasst, sondern er war mit seinem Denken schon soweit gewesen, dass er die Schleiferei als absolut notwendig angesehen hatte, denn er würde in späteren Gefechten keine Zeit mehr haben sein Handeln erst überdenken zu können, sondern es musste mehr oder weniger instinktiv und automatisiert erfolgen. Das bedeutete aber nicht, dass er sich gedanklich überhaupt nicht mehr mit der Ausführung von Befehlen beschäftigte, denn die Doktrin der deutschen Militärführung hatte – im Gegensatz zur russischen – den Soldaten und insbesondere den Unterführern durchaus eine eigenständige Handlungsweise im Rahmen ihrer Verantwortungen im Gefecht zugebilligt. Was er jetzt aber tat bedurfte aber keiner großen Überlegungen, er musste mit seinen Männern an die Jagdpanzer herankommen und diese vor russischen Infanteristen schützen. Erst wenn es um die Bekämpfung des Gegners gehen würde wären seine Entschlüsse je nach Lage gefragt. Noch trennten ihn ungefähr 200 Meter von den immer noch über das Gelände kriechenden Fahrzeugen, die ab und an auf die russischen Stellungen feuerten, sich aber im Rückwärtsgang buchstäblich nur schrittweise zurückzogen. Als er mit seinem Trupp die 8 Meter langen und 3 Meter hochaufragenden Kampffahrzeuge aus 80 Meter Entfernung schon greifbar nahe vor sich sah, bemerkte er einige kleinere Gruppen von Rotarmisten vor den Panzern. In ihren erdbraunen Uniformen hoben sich die gegnerischen Soldaten kaum von Gelände ab, aber die Deutschen in den Panzern mussten sie erkannt haben. Zwei der Fahrzeuge drehten sich wegen dem starren Aufbau mit der Waffe in eine günstigere Schussposition und senkten ihre Kanonen auf die maximale negative Rohrerhöhung ab. Weber verstand diese Handlungen erst dann, als die Geschütze losdonnerten und etwa 100 Meter vor den Panzern die Erde mit Sprengpilzen hochgeschleudert wurde, die „Ferdinand“ schossen mit ihren mächtigen und 6,35 Meter langen 8,8-Zentimeterkanonen auf die einzeln vorgehenden russischen Soldaten. Günther Weber als Infanterist hatte nur eine schwache Vorstellung von den ballistischen Leistungen dieser Waffe des „Ferdinand“ und er hätte nur ungläubig mit dem Kopf geschüttelt, dass die Panzerbesatzungen mit den 9,4 Kilogramm schweren Sprenggranaten 43, die eine Mündungsgeschwindigkeit von 750 Metern in der Sekunde erreichten, Jagd auf einzelne Russen machten. Die Artillerie beider Seiten hatte das Feuer auf den Bereich um die Panzer herum verringert, denn es war bekannt, dass sich Soldaten den Jagdpanzern näherten.

      Günther Weber kam mit seinen Männern und den neben ihnen vorgehenden Trupps zwei Minuten zu spät. Obwohl er und die anderen Soldaten aus jetzt nicht einmal 80 Metern Entfernung auf die die „Ferdinand“ angreifenden Russen schossen waren zwei Rotarmisten bei dem rechten Fahrzeug bis zu dessen Heck vorgedrungen und hatten sich jeweils rechts und links neben das Laufwerk gehockt, mehrere MPi-Schützen gaben ihnen Feuerschutz. Einige kurz nacheinander erfolgende heftige Explosionen erschütterten den etwas weiter weg stehenden linken Jagdpanzer, die Russen hatten dort an den Seitenpanzerungen und am Fahrwerk Haftsprengladungen anbringen können. Die 80 Millimeter Panzerstahl konnten von dem Sprengstoff nicht durchschlagen werden, aber rechts war die Kette zerrissen worden. Wenn die SS-Männer nicht schnell genug herankamen würden die Männer im Panzer wehrlos in der Falle sitzen, denn irgendeine wirksame Nahverteidigungswaffe besaß dieses Monstrum aus Stahl nicht. Die Panzersoldaten konnten zwar durch einige Propfen im Aufbau mit kleinkalibrigen Waffen schießen, aber das diente nur der Abschreckung von Angreifern. Die Russen gaben den Rotarmisten am rechten Panzer starken Feuerschutz und Weber musste zusammen mit den anderen in Deckung gehen. Der Panzer drehte sich ein Stück um seine Achse und rollte dann wieder im Kriechtempo rückwärts, die Kanone wurde erneut abgefeuert. Weber hatte noch nicht begriffen was die beiden russischen Soldaten neben dem Heck vorhatten, aber einem Moment später wusste er es. In dem Augenblick, in dem einer der beiden Ladeschützen des „Ferdinand“ die am hinteren Aufbau mittig in der großen und verschraubten Wartungsluke eingelassene kleinere Luke öffnete, um die leeren Kartuschen aus dem Kampfraum zu werfen, kamen die beiden Russen sofort hoch und warfen Brandflaschen. Eine zerbarst außen an der Panzerwand und entzündete das Benzin dort, die andere war gut gezielt gewesen und flog in den Kampfraum hinein. Schockiert versuchte der deutsche Panzermann die Luke schnell wieder zu schließen aber das gelang ihm nicht mehr, denn im Inneren des Panzers war sofort Feuer ausgebrochen und einen Wimpernschlag später stand der Kampfraum vollständig in Flammen. Die Luken des Panzers gingen auf und die Männer versuchten auszubooten. Der Ladeschütze hatte wahrscheinlich den größten Teil des brennenden Benzins abbekommen und kam mit lichterloh fackelnder Uniform noch aus dem Fahrzeug heraus. Er ließ sich aus der Turmluke herausfallen und wälzte sich am Boden, um die Flammen zu ersticken. Weber hörte sein Schmerzbrüllen deutlich und riss seine Männer zum Angriff mit hoch, aber die Russen erschossen den Mann aus nächster Entfernung, bevor die Grenadiere überhaupt nah genug heran gekommen waren. Auch die anderen Panzermänner hatten keine Wahl, sie mussten aus dem brennenden Fahrzeug herauskommen. Die Rotarmisten hatten die Feuerkraft ihrer Infanteriewaffen geteilt, ein Teil beschoss die heranstürmenden SS-Panzergrenadiere, die anderen töteten die aus dem aus den beiden Turmluken und den Luken am Bug des „Ferdinand“ herausdrängenden Männer aus nächster Nähe. Weber sah im Vorwärtsstürmen noch einen Mann aus der Turmluke herauskommen. Er schaffte es, sich bis zu den Hüften herauszuziehen, sein Oberkörper kippte nach vorn und er rutschte an der steilen Stahlwand des Aufbaus kopfüber nach unten. Die Russen konnten sich um diesen Mann nicht mehr kümmern, denn die SS-Männer waren jetzt auf Nahkampfentfernung herangekommen und gingen auf die Gegner los.

      Günther Weber hatte mit ansehen müssen, wie die brennenden deutschen Panzersoldaten getötet worden waren und seine Aggressivität nahm noch weiter zu. Zwei hinter dem qualmenden „Ferdinand“ kniende und in eine andere Richtung feuernde Russen tötete er mit einem kurzen Feuerstoß in den Rücken, einem auf ihn zustürmenden Gegner traf seine MPi-Garbe direkt in das Gesicht und riss ihm den Hinterkopf ab. Ein neben ihm laufender SS-Grenadier wurde von Treffern in die Brust gestoppt und ging wie gefällt zu Boden. Die Gruppen der deutschen und russischen Infanteristen prallten jetzt direkt aufeinander und nur noch kurze Zeit fielen Schüsse, dann war die Kampfentfernung zu gering für den Einsatz von Schusswaffen.

      Seltsamerweise wurde die Ausführung ihres „Panther“ als D bezeichnet, obwohl das Fahrzeug aus der Reihe der ersten Serienmodelle stammte, die Benennung mit A wäre verständlicher gewesen. Der unter hohem Zeitdruck entwickelte und produzierte neue Panzertyp wies einige von der Truppe sofort beanstandete Eigenschaften auf. Die in den 60 Millimeter starken und mit 35 Grad geneigten Wannenbug eingelassene Fahrerluke war ziemlich offensichtlich als Konstruktionsmerkmal vom T 34 entlehnt worden. Der Vorteil einer guten Sicht für den Fahrer bei Marschfahrt war allerdings mit dem Verlust der Homogenität dieser günstig angeordneten Panzerplatte erkauft worden. Gleiches galt für die recht simpel erscheinende und beim Funker in Fahrtrichtung rechts liegende zu nutzende Klappe für das Bug-MG. Was den deutschen Panzermännern aufgrund ihrer schlechten Erfahrungen mit der schlagkräftigen russischen Artillerie und den Panzerabwehrgeschützen aber noch mehr als verbesserungswürdig erschien, war die mit nur 40 Millimetern Stärke ausgefallene Seitenpanzerung der Wanne. Dem hatten die Konstrukteure mit den neuen beidseitig angebrachten Panzerschürzen aus Weichstahl Rechnung tragen wollen. Der Gedanke dahinter war der gewesen, vor allem die schwächer geschützten Bereiche des Fahrzeugs mit einer ersten Barriere gegen seitlichen Beschuss zu stärken. Die Russen setzten immer noch in großen Maß auf die altertümlich anmutenden langläufigen Panzerbüchsen, deren Wirkung die Deutschen aber keineswegs unterschätzten. Bei den zu erwartenden Durchbruchkämpfen musste es zwangsläufig zu einer Konfrontation mit diesen Waffen im Nahbereich kommen und auf geringere Entfernungen waren durchaus ernsthafte Beschädigungen der Panzer möglich. Von der Sache her waren die Panzermänner von dieser Schutzmaßnahme überzeugt, aber die überschnell in die Truppe gegebenen „Panther“ wiesen erhebliche konstruktive Mängel bei der Befestigung der Schürzen auf, die schnell abrissen oder von denen einzelne Elemente schon bei der Marschfahrt abfielen. Auch die in die Turmseitenwand einschneidende Kommandantenkuppel stand unter Kritik, da sie eine Geschossfangstelle ergab.

      Dennoch waren Fred Beyer und seine Männer von ihrem neuen Panzer – trotz aller gegenwärtigen Probleme – begeistert. Noch nie hatten sie sich hinter der Panzerung eines Kampffahrzeuges so sicher gefühlt wie jetzt. Der Motor lieferte eine bullige Kraft ab und war vom Leistungsgewicht her gesehen sogar dem T 34 überlegen. Friedrich als versierter Fahrer wusste