Tod einer Minnedame. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737562966
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aber Kriminalrat Zeitz. Und ich glaube, allmählich muss den mal jemand informieren. Wir decken dich jetzt schon ewig, und was ist das Ergebnis? Wahrscheinlich sitzen lauter Unschuldige im Knast, weil du zu faul bist, dir richtig Mühe zu geben.“

      „Blas dich bloß nicht so auf. Sind doch sowieso alles Kriminelle da draußen.“

      „Was für ein Blödsinn! Hörst du dir nicht manchmal selbst zu? Das grenzt ja an Paranoia!“

      Er verließ Eichingers Büro, nicht ohne die Tür sehr befriedigend ins Schloss zu schmettern.

      Mittlerweile war Anne Malzahn zurück; er bat sie, zu bleiben, und rief im Untersuchungsgefängnis an und bestellte Emma Wiesner zu sich.

      „So, und was ist bei Ihnen rausgekommen?“

      „Nichts Gescheites“, murrte Anne. „Diese Céline ist ein Früchtchen. Aber ganz intelligent. Sie sagt aus, ihre Stiefmutter sei dämlich gewesen, aber harmlos. Komplett auf ihr Äußeres fixiert. Wenn aber der Vater irgendwelche strengen Regelungen durchsetzen wollte, habe sich die schöne Margie stets für die Mädels eingesetzt, wohl, um sie auf ihre Seite zu ziehen. Das sagt diese Céline jedenfalls mit einem wissenden Blick. Zu ihrer eigenen Tochter sei sie genauso freundlich gewesen wie zu Céline, und die sagt, sie habe gerade Abitur gemacht und sich letzte Woche in Leipzig immatrikuliert, um Journalismus und Geschichte zu studieren, und deshalb könne ihr die schöne Margie ja wirklich im Mondschein begegnen.“

      „Hat was für sich“, stimmte Felix zu. „Also die war´s dann auch nicht… oder?“

      „Glaub ich auch nicht. Und ihrer Aussage nach wusste der Vater schon länger, dass die liebe Margie einen neuen Stecher hatte. Sie sagt, das sei schon ein, zweimal vorgekommen, und so ernst sei das nie gewesen. Ihr Vater habe das ausgesessen. Céline meint, er habe ein schlechtes Gewissen, weil er nie da sei, zu viel Arbeit. Deshalb sage er nichts, wenn seine Angetraute sich kurzfristig anderweitig schadlos hält.“

      „Verdammt“, murmelte Felix.

      Anne sah ihn neugierig an. „Sie glauben nicht, dass die Wiesner es war?“

      Felix zuckte die Achseln. „Weiß man´s? Beweise sehe ich jedenfalls keine.“

      II 14.09.2008

      Es klopfte an der Tür, ein Beamter führte Emma Wiesner herein, und Anne verzog sich ins Nebenzimmer, ließ aber ganz korrekt die Tür offen.

      „Ah, guten Morgen, Frau Wiesner“, bemühte Felix sich sogleich um einen neuen, zivilisierten Ton. Er konnte sich ja vorstellen, wie Eichinger die Verdächtige angeschnauzt hatte.

      „Guten Morgen“, grüßte die Wiesner mit klarer Stimme zurück und warf ihm einen misstrauischen Blick zu, bevor sie sich setzte.

      „Sie haben nichts dagegen, wenn das Gespräch aufgezeichnet wird?“, fragte Felix und schob das Mikrofon näher zu ihr hin.

      „Aber nein. Aber es ist interessant, dass sie danach fragen. Sind Sie jetzt der gute Cop?“

      Das wurde von einem leicht ironischen Lächeln begleitet, das ihr ganzes blasses Gesicht aufleuchten ließ. Er bemerkte, dass ihre Haut rau und ihr Haar stumpf war, dass sie aber nicht daran herumtastete und ihre etwas abgerissene Erscheinung mit Würde zu tragen schien.

      „Möglicherweise“, antwortete Felix und erwiderte das Lächeln unwillkürlich.

      „Viel helfen wird es Ihnen nicht“, versetzte sie. „Ich habe nicht vor, etwas zu gestehen, was ich nicht getan habe – und ich habe Margie nicht getötet. Ich wüsste auch nicht, wieso ich das hätte tun sollen.“

      „Den Akten zufolge wollten Sie ihren Freund zurückhaben.“

      „Ja, das glaubt Ihr Kollege. Aber auch wenn manche Leute sich das nicht vorstellen können, ein Freund, der sowieso nur von einer anderen träumt, ist nicht so ein Hauptgewinn. Ich habe in der letzten Zeit eher gehofft, dass sie sich für ihn entscheidet und ihn mir abnimmt. Lieber solo als so was. Aber natürlich hätte mir klar sein müssen, dass sie sich nie für Jörg entschieden hätte.“

      „Warum? Weil ihr Mann mehr Geld hatte?“

      Die Wiesner winkte ab. „Vielleicht das auch, aber ich glaube nicht, dass Margie so geldgierig war. Nein, Lothar – das steht für Familie, für Sicherheit, für Lebenserfahrung – ich denke, das war ihr schon wichtig. Jörg, das ist die pure Romantik, Jörg ist ein fahrender Ritter, aber keine bürgerliche Existenz. Er liegt seiner Angebeteten zu Füßen, aber den Müll bringt er nicht runter. Ihm fehlt es ein bisschen an – naja, an der Alltagstauglichkeit.“

      „Ist er Ihnen anfangs auch zu Füßen gelegen?“, erkundigte Felix sich, um die Atmosphäre zu lockern. Ein ehrlich erheitertes Lächeln blitzte in ihrem Gesicht auf und zeigte, dass sie Grübchen hatte.

      „Nein, nie. Ich war nie die Burgherrin für ihn, so wie Margie. Er kennt zwei Frauentypen, Burgherrin und Eheweib. Ich war bloß Eheweib, und wenn Sie sich ein bisschen in der Minnelyrik auskennen, wissen Sie ja, dass die Ehefrauen im Mittelalter mehr so eine Art Notwendigkeit waren. Die Ehefrau entrostet die Rüstung, hält die eigene Burg in Schwung und erzieht die Erben, während der Herr des Hauses vor einer anderen Burg schmachtet. Naja, so ähnlich. Ich bin keine Mediävistin. Jörg hat mir einiges darüber erzählt; er hat mittelalterliche europäische Literatur studiert - und das merkt man überdeutlich. Ich will nicht sagen, dass er damit nicht in die Gegenwart passt, aber – doch, ich glaube, genau das will ich damit sagen. Er ist wirklich ein fahrender Ritter, und damit kann ich eigentlich auch nichts Rechtes anfangen.“

      „Und womit könnten Sie etwas anfangen?“, hörte Felix sich zu seiner eigenen Verblüffung fragen. Was ging ihn das denn an?

      Sie zuckte die Achseln. „Wer weiß, vielleicht mit einem erwachsenen Menschen. Einem, der seinen Alltag auch geregelt kriegt und nicht sein Leben bloß verträumt. Aber das ist ja jetzt nicht mehr relevant.“

      „Warum?“ Würde das jetzt ein Geständnis werden?

      Sie zuckte wieder die Achseln. „Ihr Kollege – Chef? – glaubt ja, ich war´s. Also hab ich jetzt doch mindestens fünfzehn Jahre vor mir, in denen ich mir über den idealen Mann eher keine Gedanken machen muss.“

      „Soll das heißen, Sie sind unschuldig, haben aber keine Lust, das auch zu beweisen?“

      „Nein. Ich kann es nicht beweisen. Zur Tatzeit – so heißt das doch, oder? – hab ich in einer Firma in der Beckmesserstraße einen Fehler im Intranet gesucht und bin unter diversen Schreibtischen herumgekrochen, um herauszufinden, warum ein bestimmter Rechner immer wieder abgestürzt ist und den Rest mitgerissen hat. Währenddessen haben die Mitarbeiter eine Sitzung gehabt, weil sie ja eh nicht ins Firmennetz konnten, und so gegen sieben sind die alle heim. Ich bezweifle, dass mich dort jemand gesehen hat, und selbst wenn – ich kann das nicht beweisen, ich kenne dort niemanden mit Namen, und selbst wenn ich einen Namen wüsste - da ich hier festsitze, kann ich ja auch niemanden fragen.“

      „Das wäre ja wohl auch unsere Aufgabe“, warf Felix ein.

      „Eben. Da Ihr Kollege niemanden gefunden hat, hat mich wohl auch niemand gesehen. Ergo hab ich kein Alibi, also können Sie doch froh sein. Fall abgeschlossen.“

      „Also so einfach machen wir es uns dann doch nicht“, entgegnete Felix leicht gereizt und versuchte, nicht an Kurts Ermittlungsmethoden zu denken, um nicht rot zu werden.

      „Wollte ich ja gar nicht behaupten. Aber Sie haben ja sicher noch mehr zu tun.“

      „Wichtigeres als Ihre Freiheit?“, fragte Felix verblüfft. „Warum ist es Ihnen eigentlich so egal, ob sie im Knast landen oder nicht?“

      „Ist es mir doch gar nicht“, widersprach Emma Wiesner. „aber ich kann nichts machen, und aufregen mag ich mich auch nicht. Wir sind hier doch nicht im Fernsehen, wo die Leute dann verzweifelt an den Gittern rütteln oder ihren Anwalt anbetteln.“

      „Das bringt mich auf etwas, was