„Gerne. Was noch, falls ich früher fertig bin?“
„Vielleicht mal den Flur... oder das Gästeklo...“
„Gut. Wann hat Sie Ihre letzte Putzfrau denn im Stich gelassen?“
„Vor drei Monaten, glaube ich. Ich habe keine Zeit, mich um all das zu kümmern. Und ehrlich gesagt auch keine Lust.“ Er grinste kurz, und die Fältchen vertieften sich. Blaue Augen, so blau, dass ich sofort Kontaktlinsen vermutete.
„Dann werde ich mal anfangen“, verkündete ich. „Wo steht Ihr Putzzeug? Und soll ich von etwas die Finger lassen?“
„Von meinem Arbeitszimmer. Alles andere lege ich in Ihre Hände. Wenn Sie noch Fragen haben... ich bin im Arbeitszimmer, aber stören Sie mich bitte nicht zu oft, wenn´s geht.“
„Kein Problem.“ Ich hielt schon abgelenkt eine fast leere Spülmittelflasche hoch. „Kaufen Sie, was Sie brauchen, ich bezahle es.“
„Gerne – nur müssten Sie es auslegen, ich bin so pleite, dass ich kaum noch Bargeld habe.“
Er zog einen Hunderter aus der hinteren Hosentasche. „Brot, Wurst, Käse, einen Träger Diet Coke, einen Träger Wasser, Putzkram nach Belieben, Klopapier, Müllbeutel, ein paar Fertiggerichte für die Mikrowelle, Orangensaft. Viel Spaß!“
„Werd ich haben“, meinte ich munter, „hier lohnt es sich doch wenigstens!“ Er lachte spöttisch auf und verließ die Küche. Krass, wirklich!
Ich stapelte alles herumstehende Geschirr im Spülbecken und ließ heißes Wasser und den Rest Spülmittel darüberlaufen. Eine Spülmaschine gab es hier nicht. Dann sammelte ich den herumliegenden Müll ein – ordentlich sortiert – und trug ihn nach draußen. Die Küche hatte sogar einen Hinterausgang, anscheinend hatte man beim Bau des Hauses noch mit der Existenz dienstbarer Geister gerechnet. Na, jetzt hatte er ja wieder einen!
Das Abtropfgestell war dreckverkrustet, aber mit einem fettlösergetränkten Topfschwamm versetzte ich es in fast wieder neuwertigen Zustand, so dass ich das gespülte Geschirr ohne Zögern darin zum Trocknen aufstellen konnte. Was war denn in den Schränken? Geschirrreste, Staub und tote Fliegen. Na gut, ausräumen, ausfegen, auswischen, das uralte Geschirr ebenfalls einweichen... Die Prilblumen waren grässlich, wirklich, ohne diese Dinger hätte die weiße Kunststoffküche gar nicht so furchtbar ausgesehen. Ich fand wenigstens genügend Putzmittelflaschen und stapelweise originalverpackte Wischtücher, außerdem einen riesigen Staubsauger, einen Wischmopp und einen Eimer. Alles sah noch ziemlich neu und funktionsfähig aus, wenn es auch leider ausnahmslos feuerrot war. Wohl der Geschmack meiner Vorgängerin – warum die wohl hier aufgehört hatte? So schlimm fand ich diesen Kampmann gar nicht. Eigentlich ein beeindruckendes Trumm Mannsbild. Irgendwie kernig. Hatte er sie belästigt oder beleidigt? War sie dem Kampf gegen diese verstaubte Riesenscheune nicht gewachsen gewesen? Ich putzte während dieser Überlegungen den dreckverkrusteten Herd. Anscheinend hatte er es auch mal mit Tiefkühlpizzas und –baguettes probiert, jedenfalls fand sich eine Menge herabgetropfter und verkohlter Käse auf dem Ofenboden.
Beim Herumräumen und Zusammenfalten eines Haufens von Supermarktplastiktüten entdeckte ich ein kleines Radio und schaltete es ein. Zu flotten Weisen putzte es sich doch gleich noch viel besser!
Als alle Geschirr- und Gläserschränke innen sauber und wohlgefüllt waren, der Herd so blitzte wie die Edelstahlspülbecken und die Arbeitsflächen in makellosem Weiß (leider mit diesem ekelhaften blassrosa Minikaro) glänzten, putzte ich noch das Fenster, warf den verrotteten Kräutertopf weg, weichte die fettigen Scheibengardinen in einer chemisch sicher gefährlichen Mischung aus Waschpulver und Fettlöser ein und fuhr einkaufen.
Als ich wiederkam, hatte sich die Brühe im Putzeimer schon viel versprechend bräunlich verfärbt, und ich goss sie mit Schwung ab. Ja, die Gardinen sahen jetzt wieder recht ordentlich aus! ich spülte sie durch, wrang sie gründlich aus, zupfte sie zurecht und fädelte sie wieder auf die Stangen, dann verräumte ich alle Einkäufe in eine Kühltasche und putzte erst einmal den Kühlschrank von innen. Ölflecken, Spuren alten Gemüses, etwas Undefinierbares in Alufolie. Wegwerfen? Ich wickelte es mit angehaltenem Atem aus, vielleicht war es hundert Jahre alter Käse... Nein, eine goldene Kette mit einem ebenfalls goldgefassten Smaragdanhänger. Sicher nicht billig, bei der Steingröße – wenn er denn echt war! Schnell knüllte ich die Alufolie wieder fest, schaltete auf Abtauen und verstaute den Smaragd in der frisch geputzten Besteckschublade.
Das Gästeklo stellte mich nicht gerade vor große Probleme, hier musste man nur die Becken einsprühen und abwischen, einmal kurz über die angestaubten dunkelblauen Kacheln fahren und den Boden wischen. Gut, Klopapier, Gästeseife und ein frisches blaues Handtuch konnten nicht schaden. Schön, das genügte! Ich rückte dem hässlichen Flurtischchen mit Möbelpolitur zu Leibe, bis es einigermaßen glänzte, polierte den Spiegel, saugte den Flur einmal durch und wischte ihn feucht auf. Gar nicht hässlich, wenn man sich die Möbel und die Tapeten wegdachte!
Mittlerweile konnte man im Tiefkühlfach die Eisbrocken von den Wänden brechen und den Kühlschrank selbst schon auswischen und einräumen. Mit einem heißen Lappen wurde auch das Gefrierfach wieder wie neu; ich schaltete es wieder ein und stapelte die Mikrowellenmenüs darin auf.
Ach herrje, die Mikrowelle! Nein, die war ziemlich sauber, darauf hatte er wohl geachtet. Gut, dann wischte ich eben einmal durch die Küche, die nun auch ordentlich aussah, entsorgte das Putzwasser in der unteren Toilette und sah mich ratlos um. Was nun? Stören wollte ich den Miesepeter auch nicht unbedingt. Er hatte doch gesagt, ich dürfte alles putzen außer seinem Arbeitszimmer!
Dann sollte ich vielleicht sein Bad... und das Bett frisch beziehen, es hatte so ausgesehen, als ob es dringend nötig wäre.
Ich riss oben die Fenster auf, zog die Bezüge ab (keine Flecken, ein spannendes Privatleben hatte der wohl auch nicht. Pfui, Anne, du Schnüffelnase, das geht dich gar nichts an!) lüftete Decken und Kissen, saugte die Matratzen ab und den Teppichboden gleich mit, warf herumliegende Wäsche in den großen Korb in der Ecke (wenn ich waschen sollte, musste er mir das sagen) und polierte das dunkle Holz des Bettes und des Ablagetischs daneben, bis es schön glänzte. Dann suchte ich nach frischem Bettzeug und machte das Bett fertig. Ja, da hätte ich mich auch reinlegen mögen, aber vorher nicht!
Für das apricotfarbene Bad reichte die Zeit auch noch, aber mittlerweile war es fünf nach acht. Ich räumte die Utensilien weg und klopfte dann zaghaft an die Tür des Arbeitszimmers. „Für heute wäre ich fertig“, verkündete ich und erntete einen verstörten Blick. „Was – schon acht?“
„Zehn nach. Könnten Sie mir die Liste unterschreiben, für JobTime?“
„Sicher. Aber ich sollte wohl doch vorher eine Stichprobe... Wie weit sind Sie denn mit der Küche gekommen?“ Er lief mir voraus und blieb in der Küchentür so abrupt stehen, dass ich fast gegen ihn geprallt wäre.
„Unglaublich! Die sieht ja fast gut aus – ich fass es nicht...“
Als er das Tiefkühlfach öffnete, war ich heilfroh, dass ich das Alupäckchen wieder hineingelegt hatte.
„Wo ist das Eis hin?“
„Abgetaut. Ich hoffe, das Essen ist nach ihrem Geschmack.“
„Ja, genau richtig.“ Das klang geistesabwesend. Er sah in den Kühlschrank, begutachtete das Wurstpäckchen, staunte über den Glanz allenthalben, war glücklich, dass jemand den alten Kräutertopf entsorgt hatte und unterschrieb die Liste schwungvoll, nachdem er das Wechselgeld eingesteckt hatte.
„Am Freitag könnten Sie dann den Flur und das Gästeklo machen“, schlug er vor.
„Schon wieder? Die hab ich doch heute erst gemacht“, protestierte ich.
„Dann sind Sie ja verdammt schnell.“
„Ich hab Ihnen auch das Bett frisch bezogen“, gestand ich zaghaft, „und das Schlafzimmer geputzt, allerdings eher flüchtig. Ich