Grundreinigung. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737559751
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gekostet, oder?“

      „Den letzten Cent“, verbesserte ich pingelig und erinnerte mich, dass Ingrid es ja immer schon gesagt hatte – und das würde sie jetzt auch nicht mehr runterschlucken. „Hab ich dir ja gleich gesagt!“

      „Das musste ja kommen, alte Besserwisserin. Jedenfalls bin ich jetzt mit dem Putzeimer zugange. Oder weißt du einen besseren Job?“

      „Im Moment auch nicht. Wir haben Einstellungsstopp, unsere Inserenten sparen auch ziemlich. Was hast du denn für – äh – Klienten?“

      „Wie taktvoll von dir. Ein junges Ehepaar mit Säugling, einen griesgrämigen Mann mit scheußlich eingerichtetem Haus, eine alte Dame mit Massen von Antiquitäten und eine durchgeknallte Mittfünfzigerin mit extremem Putzfimmel. Da war ich heute, ich durfte nur Kachelfugen nachweißen und einen Putzschrank auf Vordermann bringen. Ich sag dir, die hatte da mehr Fläschchen und Tuben als die Haushaltsabteilung im Drogeriemarkt.“

      „Nichts Attraktives? Alleinstehender Jungmanager, pflegeleichte Wohnung, fettes Gehalt?“

      „Nichts dergleichen. Aber ich habe ja noch Kapazitäten frei... allerdings habe ich jetzt angefangen zu promovieren, wenn ich schon ein halbes Jahr rumsitzen muss. Über diesen ominösen Kunstverein. Sag mal, wie lange gibt es euer Käseblatt eigentlich schon?“

      „Mehr Respekt bitte! Der MorgenExpress wurde als Morgenblatt gegründet im Jahre 1889, wie du wüsstest, wenn du einigermaßen gebildet wärst.“

      „Ich bitte untertänigst um Verzeihung. Und wie lange reicht euer Archiv zurück?“

      „Na, genauso. Gut, dreiunddreißig bis fünfundvierzig haben wir ein paar Lücken, aber da waren wir gleichgeschaltet und haben sowieso nur belanglose Lügen gedruckt. Wann war der Kunstverein? Um 1900? Komm mal vorbei, dann lass ich dich ins Archiv.“

      „Super. Zum Tagblatt hast du keine Beziehungen?“

      „Nein. Du kriegst den Hals ja wohl auch nicht voll, oder? Aber die sollen angeblich ein ziemlich gutes online-Archiv haben. Mensch, Anne, du hast ja richtig Schwung – neues Projekt, Macker entsorgt: Sag bloß, du willst jetzt auch eine neue Frisur?“

      Ich kicherte. „Wäre stilecht, was? Aber da fällt mir gar nichts ein, ich hab die Zotteln schon so lang. Damit warte ich, bis ich den richtigen Job habe, dann muss wahrscheinlich so ein Durchschnittskarrierebob her.“

      „Einheitslook, mit Schleifenbluse und Kostüm?“

      „So ähnlich, aber da gucke ich mir erst mal an, wie die anderen so herumlaufen. Du, wenn ich wieder etwas Geld habe, gehen wir endlich mal wieder ins Ratlos, zum Ratschen und Männerniedermachen.“

      „Mit Carla, die hat momentan einen endlosen Ärger! Die kann Aufmunterung vertragen...“

      „Von Carla hab ich ewig nichts mehr gehört“, gab ich zu und legte mich bequemer hin. Das würde wohl länger dauern!

      Es dauerte fast zwei Stunden. Carlas Freund war mittlerweile recht seltsam, das musste ich auch zugeben, überfürsorglich und immer davon überzeugt, dass Carla selbst überhaupt nichts geregelt kriegte. Gut, solche Leute kannte ich auch, etwa meine nächstjüngere Schwester Geli, die man vor wichtigen Terminen telefonisch wecken musste, weil sie das alleine nicht hinkriegte, und die dauernd irgendwo Strafe zahlen musste – nicht umgemeldet, keine Steuererklärung abgegeben, Auto nicht umgemeldet, AU vergessen.... Aber Carla! Carla war Ingenieurin und so ungefähr die patenteste Person, die ich kannte. Carla konnte alles. Vielleicht nicht gerade bei Wer wird Millionär? mitmachen, aber wer konnte das schon? Carla reparierte Autos, tapezierte Wohnungen, verlegte Parkett, kochte wie ein Engel, erreichte bei unserer stieseligen Stadtverwaltung von der Fristverlängerung bis zur Genehmigung für was-auch-immer alles, rettete tote Topfpflanzen, kittete anderer Leute Beziehungen, brachte weinende Babys zum Einschlafen und schlecht erzogene Hunde zu schwanzwedelndem Gehorsam. Und die wollte dieser dämliche Hartmut väterlich behandeln? „Er wollte sogar für sie zum TÜV fahren, weil das nichts ist für das zarte Frauchen!“

      Ich schnaubte. „Was hat sie gesagt?“

      „Sie hat seine Haube aufgemacht, ihm erzählt, was an seinem Schlitten alles marode ist und ihm dann empfohlen, sich um seinen eigenen Scheiß zu kümmern. Aber der Kerl ist unbelehrbar. Am nächsten Tag ist er mit der Bohrmaschine angerückt und wollte ihr ein Regal aufhängen. So ein hässliches, das er ihr extra gekauft hat. Sie hat ihn samt der Scheußlichkeit und der Bohrmaschine rausgeworfen, aber er kommt immer wieder.“

      So ging es endlos weiter, ein Beispiel jagte das nächste. „Sie soll ihn ins Ratlos mitbringen, dann machen wir ihn zu dritt fertig“, schlug ich schließlich vor.

      Ingrid lachte. „Der soll sich noch wundern!“

      Heiner winselte seltsamerweise den ganzen Abend nicht mehr vor der Tür, entweder wanderte er mit seiner Tasche und seinen Kisten heimatlos durch die Stadt, oder, was wahrscheinlicher war, er war bei einem Kumpel untergekrochen, und nun betranken sich die beiden (mit Pastis, Absinth, Grappa oder Ouzo, jedenfalls einem Gesöff, das man nur mit avantgardistischer Baskenmütze trinken konnte). Dabei schimpften sie garantiert über hysterische Weiber im Allgemeinen und mich im Besonderen – was mich das schon kratzte!

      Vergnügt ging ich in mein frisch bezogenes Bett und streckte mich in alle Richtungen aus. Morgen Bibliothek und Frau von Jessmer, vielleicht einige bescheidene Einkäufe und ein, zwei hirnlose Schmöker aus der Städtischen Bücherei (am liebsten hatte ich Biographien zweitrangiger Fürstlichkeiten aus dem 18. und 19. Jahrhundert, wie Luise von Toskana). Lebkuchen musste es doch auch schon geben? Da sah ich ja einem mehr als perfekten Abend entgegen!

      Frau von Jessmer scheuchte mich nicht über Gebühr herum und bestand, als ich ihr Haus perfekt auf Vordermann gebracht hatte, darauf, dass ich einige der Petit Fours mitnahm, die sie für ihre Kränzchenfreundinnen gekauft hatte. Kränzchen... wie im neunzehnten Jahrhundert! Wahrscheinlich kicherten sie über irgendwelche älteren Herren, oder sie schimpften gemeinsam auf Dienstboten oder die Jugend von heute. Egal, ich nahm die Petit Fours gerne, bedankte mich höflich und fuhr zur Bibliothek. Eine hinreißende Ausbeute war mir vergönnt, Sophie von Wittelsbach und Erszi, die rote Erzherzogin. Vergnügt kam ich nach Hause, in der Tasche die beiden Schmöker und einen Haufen Notizen aus der Bibliothek, außerdem die Petit fours; vor mir lag ein gemütlicher Abend, der mich obendrein nichts kosten würde.

      Von wegen – auf der Treppe vor der Wohnungstür saß Heiner.

      „Was willst du denn hier?“, fragte ich ärgerlich und stiefelte an ihm vorbei.

      „Können wir uns nicht wieder vertragen?“, fragte er und sah mich flehend an. Große braune Augen, Bartstoppeln, Schatten unter den Augen, ein zerdrücktes Hemd und ein viel zu dünner Pullover.

      Ich nickte anerkennend – eine perfekte Inszenierung, und die Schatten waren doch hingeschminkt! Solche Tricks hatte ich schon seit fünfzehn Jahren drauf (Nein, bitte fragen Sie mich heute nicht aus, ich hab die ganze Nacht nicht geschlafen/rasende Kopfschmerzen/mir ist ja sooo schlecht).

      „Ich hab nichts gegen dich“, stellte ich gleichmütig fest.

      „Dann sind wir wieder zusammen?“ Das klang ja richtig begierig!

      „Nein“, antwortete ich, „ich hab kein Interesse mehr. Und hier kommst du auf jeden Fall nicht mehr rein.“

      „Warum bist du so hart? So warst du doch früher nicht?“ Himmel, war dieser Mensch dämlich! „Du hast mich durch deine Ausbeutermethoden dazu gemacht!“, fauchte ich. „Und jetzt hau endlich ab.“

      „Wie du meinst“, zischte er, „es gibt noch andere Frauen.“

      „Wie schön für dich. Aber wie wär´s denn mal, wenn du auf deine eigenen Kosten lebst anstatt zu schmarotzen? Ich meine, nur so als Vorschlag?“ Heiner schnaubte entrüstet und stürmte die Treppe hinunter. Ich lauschte, bis die Haustür mit einem Knall ins Schloss fiel, dann sperrte ich meine Wohnungstür auf – und sofort wieder zweimal zu, samt Kette. Heiner war wirklich zu bescheuert! Mochte ja