„Wie Cannes oder Venedig?“, spottete ich.
„Klar, nur weniger kommerziell und dafür mit mehr Niveau. Du hast ja keine Ahnung, wie kläglich das Niveau des kommerziellen Films ist, von der Aussage, von den künstlerischen Mitteln her, von der Schnitttechnik...“
Seine Stimme erstarb zu Gemurmel, als er ins Bad schlappte und sich prustend wusch. „Was gibt´s heute Abend?“, kam er wieder an, durch das Handtuch sprechend. Offenbar hatte er den künstlerischen Anspruch schon wieder vergessen. „Spaghetti mit Tomatensauce. Für mehr reicht das Geld nicht mehr.“
„Du wolltest dir doch einen Job suchen?“
„In den letzten eineinhalb Stunden hab ich aber noch keinen gefunden!“, fauchte ich. „Und du wolltest dich an den Kosten beteiligen. Dreihundert Euro im Monat fände ich recht angemessen.“
„Was? So viel? Ich denke ja nicht daran!“
„Und an wie viel denkst du so?“
„Weiß nicht. Ich werde es mal durchrechnen. Aber mehr als vier Euro verbrauche ich am Tag nie!“
„Das glaube ich dir gerne, deine Kosten trage ja immer ich. Okay, dann koche ich mir heute Abend Spaghetti, und du kannst dir eine Pizza bestellen.“
„Sei nicht albern!“ Er küsste mich rasch. „Willst du nicht langsam mal Schuhe anziehen?“
„Wozu denn?“
„Fährst du mich nicht schnell in den Alten Keller?“
„Nein, ich muss in die Bibliothek“, log ich. „Nimm den Bus – aber das wird deine täglichen Unkosten natürlich gewaltig nach oben schnellen lassen.“
„Kann ich dann den Wagen haben?“ Das hatte er ja noch nie gefragt, bis jetzt hatte er immer Wagen plus Chauffeuse geordert! „Hast du überhaupt einen Führerschein?“, fragte ich misstrauisch.
„Klar, was denkst du denn!“
„Dann zeig ihn her. Ich hab dich noch nie hinter dem Steuer gesehen, ich wüsste gerne, wie alt der Lappen schon ist.“
„Den finde ich doch jetzt nicht!“
„Ohne Führerschein darfst du sowieso nicht fahren. Was ist, wenn dich die Polizei anhält?“
„Scheißbullen. Die haben wohl auch nichts Wichtigeres zu tun, was? Und deine kleinbürgerliche Angst vor der Obrigkeit...“
„Ich hab Angst um meinen Führerschein, wenn sie dich erwischen – nicht vor der Obrigkeit. Verdreh doch nicht immer alles!“
„Du willst das bloß nicht wahrhaben. Kann ich den Wagen jetzt haben?“
„Nein, fahr mit dem Bus“, entgegnete ich ungnädig.
Er grummelte ein bisschen herum, dann versuchte er es auf die altbekannte Weise und schmuste ein bisschen mit mir herum, aber dieses Mal blieb ich hart, das war mir wirklich zu riskant. Und die drei Busstationen bis zum Alten Keller würden ihn schon nicht umbringen! Ich musste eigentlich überhaupt nicht in die Bibliothek, aber nun bliebt mir nichts anderes übrig, als hinzufahren, mühsam einen Parkplatz zu suchen, ein bisschen sinnlos im Lesesaal herumzustöbern, einige Dinge auf gut Glück zu bestellen und dann zu überlegen, was ich kochen sollte, was exakt für eine Portion reichen würde. Blöde, aber manchmal brauchte der liebe Heiner eben einen kleinen Dämpfer, sonst glaubte er, die ganze Welt sei nur zu seiner Bedienung geschaffen worden.
Als er schließlich nachts neben mir lag, ärgerlich, weil im Bus so komische Leute gewesen waren (lauter Spießer, wahrscheinlich), und hungrig, weil er für eine Pizza zu geizig gewesen war und ich eine winzige Dose mit einem Teller klitschigem Nudeleintopf für mich aufgewärmt hatte, überlegte ich, ob ich einlenken sollte. Nein, ich hatte doch Recht, und das würde er schon noch einsehen. Musste er ja!
Zwei
Berauschend war die Auswahl bei JobTime am nächsten Morgen nicht, und ich musste mir energische ins Gedächtnis rufen, dass ich, als ich ein Jahr vor dem Examen zum letzten Mal dort einen Job gesucht hatte, eine wirtschaftlich deutlich bessere Lage erwischt hatte. Niemand war länger krank, niemand war schwanger und musste vertreten werden - oder die Jobs wurden einfach eingespart.
Konnte man ja verstehen, aber für mich war das der letzte Mist. Ein Angebot gab es, das akzeptabel klang, drei Monate lang vom Band tippen, im Niederbayerischen, aber als der Sachbearbeiter auf meinen Wunsch nachfragte, warum die bisherige Kraft ausgefallen war, erhielt er so unklare Antworten, dass mir die Sache ziemlich suspekt war – entweder grassierte dort eine Seuche, über die sie nicht reden durften, oder der Chef hatte meine Vorgängerin massiv belästigt. Oder... jedenfalls wollte ich den Job nicht, da hätte ich ja fast schon umziehen müssen. „Tja, dann haben wir bloß noch putzen“, betrachtete er ratlos die Karteikarten in seiner Hand. „Mal sehen, ob im Internet etwas Besseres hereingekommen ist...“ Er drehte sich um und bewegte seine Maus, dann klickte er eine Zeitlang herum. „Briefe sortieren im Zentralpostamt, täglich von zwei bis fünf Uhr...“
„Nachmittags?“
„Nachts natürlich. Sieben Euro die Stunde brutto.“ Das waren netto vier – und dafür meinen Schlafrhythmus ruinieren? So nötig hatte ich es auch wieder nicht. „Und Putzen natürlich, jede Menge Angebote.“ Ja, das konnte ich mir denken. Wenn ich Geld hätte, würde ich auch putzen lassen! „Das muss ich mir noch überlegen“, zögerte ich. Putzen, das war stinkendes Wasser, der Dreck fremder Leute, Gummihandschuhe oder raue Finger – und schlechte Bezahlung. „Fünfzehn Euro netto die Stunde“, lockte der Sachbearbeiter.
Hm... nicht übel. Wenn ich zehn Stunden in der Woche putzen würde... mit hundertfünfzig Euro käme ich – nicht weit, Mist. Zwanzig Stunden, dann würde es auch für die Miete reichen. Natürlich, wenn Heiner endlich mal etwas Geld abdrücken würde...
Ich entschloss mich. „Okay, zeigen Sie mir mal die Angebote!“
„Da hätten wir eine Frau von Jessmer. Alte Dame, große Wohnung, viele Antiquitäten. Einmal die Woche vier Stunden, vorzugsweise donnerstags. Am Waldburgplatz. Dann ein Ehepaar mit Baby, Korff/Brandes, in der Tizianstraße. Zweimal wöchentlich zwei Stunden nachmittags. Pflegeleichte Wohnung – wird behauptet, Sie müssten sich das eben mal ansehen. Und Schillmeier in Henting, großes Haus, vier Kinder, dreimal die Woche nachmittags.“
„Dann sind die Kinder ja auch da und schmeißen mir den Putzeimer um“, kommentierte ich mäßig begeistert.
„Tja... passen Sie auf, ich gebe Ihnen die Telefonnummern. Rufen Sie an und machen Sie was aus, dann regele ich das für Sie.“ Besser als nichts!
Zu Hause rief ich bei Jessmer und Korff/Brandes an. Jessmer klang zickig und zittrig, nach sehr alter Dame, aber hoch erfreut, dass sich die deutsche Jugend anscheinend doch noch nicht restlos zu schade war für ehrliche Arbeit. Bei Korff/Brandes ertönte schrilles Babygeschrei und die Frauenstimme am Telefon klang etwas müde.
Ich vereinbarte sofort Vorstellungstermine und marschierte am Nachmittag los. Was Heiner wohl sagen würde? Da war ich ehrlich gespannt: Seine ästhetischen Ansprüche mussten aufs Tiefste verletzt werden, wenn seine Freundin als Putzfrau arbeitete, aber in puncto Konsumdenken und verwöhnter Wohlstandsgesellschaft musste er voll hinter mir stehen, wenn ich mich in proletarische Niederungen begab. Das war doch echte Arbeit – allerdings dürfte ich es sicher niemandem erzählen!
Korff/Brandes kam zuerst dran. Eine schöne Wohnung, aber über zwei Etagen. Ich überlegte sofort, dass man da dauernd den Staubsauger die Wendeltreppe rauf und runter schleifen musste. „Das waren mal zwei Wohnungen“, erklärte Frau Korff, die mir, einen ganz winzigen Säugling an der Schulter, von Zimmer zu Zimmer folgte, „also haben wir auch in jeder Etage einen Staubsauger. Sie müssten halt alles abstauben und saugen, ab und zu das Parkett einlassen, so einmal im Vierteljahr, naja, und die Bäder eben