Grundreinigung. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737559751
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knurren.

      Drei

      Natürlich hatte er immer noch kein Geld herausgerückt, als ich Anfang der nächsten Woche zum ersten Mal bei Karen antrat.

      Ziemlich problemlos, musste ich hinterher zugeben – in zwei Stunden hatte ich alle Böden gesaugt, Staub gewischt und die Bäder geputzt. Die Küche könne ich auch am Freitag machen, fand Karen, die das Ergebnis flüchtig prüfte, während ihr Mann gerade das jammernde Baby aus dem Kinderwagen nahm. „Alles prima. Am Freitag wieder? Wenn du da nicht saugen musst, kann Sven auch hier bleiben, ohne dass er sich aufregen muss.“ Sie nahm den Kleinen von ihrem Mann entgegen und legte ihn sich an die Schulter, wo er sich beruhigte und einschlief. Ihr Mann lächelte mir flüchtig zu und verschwand nach unten. „Ich muss noch dieses Ex korrigieren... bis nachher.“

      „Würde ich auch gerne“, knurrte Karen. „Nächstes Jahr jammere ich über die Korrekturen und Jens beneidet mich, ha!“

      „Ihr wechselt euch ab? Finde ich gut“, kommentierte ich höflich. „Gut, dann komme ich am Freitag um zwei wieder und mache die Küche und was so anliegt.“

      Frau von Jessmer war anspruchsvoller, aber auch da kam ich in fünf Stunden ganz gut durch. Dieser Staubwedel war wirklich praktisch! Dass ich bei Gelegenheit mal die Teppiche aufrollen und das Parkett frisch einlassen müsste, stimmte mich zwar nachdenklich, aber Frau von Jessmer sprach diesbezüglich eher vage von Frühling und Wenn es draußen wieder wärmer wird... Bis dahin hatte ich mich ja hoffentlich in die Museumsverwaltung gerettet. Hundertzwanzig Euro hauten einen nicht um – vor allem musste ein Großteil des Geldes auf meinem Konto bleiben, um die Fixkosten zu decken.

      „Heiner, ich brauche Geld!“, verkündete ich deshalb am Donnerstag streng, als ich nach Hause kam. Er schnupperte. „Du riechst nach Putzmittel. Willst du nicht erstmal duschen?“

      „Nein, ich will das jetzt klären. Dreihundert im Monat, oder du verschwindest hier. Ich sehe nicht mehr ein, dass ich unser Leben alleine finanziere, obwohl du viel mehr verdienst als ich.“

      „Tue ich gar nicht! Du weißt doch, was Gisi mir jeden Monat abknöpft.“

      „Ja, das weiß ich. Und ich weiß, was du verdienst. Da bleibt genug übrig. Ich kann mir dich nicht mehr leisten, und langsam will ich das auch nicht mehr.“

      „Aber Anneschätzchen, das meinst du doch gar nicht ernst. Was tätest du ohne mich?“ Er nahm mich zärtlich in den Arm. Ärgerlich machte ich mich los. „Was ich ohne dich täte? Die Wohnung aufräumen, mich satt essen, Sprit sparen, mich weniger ärgern...“

      „Und was tätest du nachts – ohne mich?“ Das erotische Timbre in seiner Stimme war wirklich perfekt austariert. „Wegen der paar Minuten Spaß ruiniere ich doch nicht mein ganzes Leben! Lieber schlafe ich alleine. Also, rückst du jetzt einen Anteil an den laufenden Kosten raus?“

      „Ja, mach ich, wenn ich am Geldautomaten war“, versprach er und streichelte meinen Busen. „Geh doch gleich“, schlug ich vor, schon wieder halb versöhnt. „Würde ich ja gerne, aber jetzt muss ich zur Redaktionssitzung. Wir haben eine Zeitung zu machen, vergiss das nicht!“

      „Dann bring das Geld auf dem Rückweg mit. Solange gibt´s hier nichts zu essen, klar?“

      „Gott, bist du besitzgierig. Du verspießerst wirklich zunehmend!“

      Damit verschwand er zu seiner hochwichtigen Sitzung.

      Am Freitagmorgen hatte er natürlich kein Geld: Der Automat war außer Betrieb gewesen.

      Am Freitagnachmittag hatte er so viel zu tun, dass er die Sache mit dem Geld leider total vergessen hatte.

      Am Freitagabend musste er zu einer Vernissage. Da gab es keinen Geldautomaten in der Nähe.

      Am Samstagmorgen verschlief er, bis die Läden zu hatten. Danach argumentierte er, jetzt bräuchte ich bis Montag ja wohl kein Geld mehr, oder? Am Montagmorgen war Heiner verschwunden, als ich aufstand. Leider nicht auf Dauer, stellte ich fest, er hatte einen Zettel mit Anweisungen zurückgelassen, den ich sofort zerknüllte und wegwarf, bevor ich mich in die Unibibliothek aufmachte. Ich orderte alles, was der Katalog zum Kunstverein auflistete – besonders viel war es nicht; am Dienstag sollte ich den Vormittag wohl tunlichst im Städtischen Archiv verbringen, beschloss ich. Und essen würde ich unterwegs, dann musste ich keine Vorräte zu Hause lagern und Heiner würde hoffentlich verschwinden, sobald der Service nichts mehr taugte.

      Immer noch krebste ich mit den paar Euro herum, die ich vom Postsparbuch geholt hatte, aber mittlerweile musste ich wirklich jede Münze einzeln umdrehen und war empfänglich für Überlegungen, dass Semmeln deutlich weniger kosteten als Brezen, Brezen aber länger sättigten. Eine Semmel und eine Breze gab es am Montagmittag, dann ging ich zu Karen putzen (wo es einen kostenlosen Kaffee gab, den ich gerne annahm) und ärgerte mich still über Heiner – wieso zahlte er nicht?

      Ich konnte zwar nur zu gut verstehen, dass er nicht gerne Geld ausgab, das tat ich zurzeit ja auch nicht, aber ihm musste doch klar sein, dass ich ihn nicht ernähren konnte? Heiner war ein ziemlicher Parasit, wenn ich ehrlich war. Immer schon? Oder hatte ich ihn zu schlecht erzogen? War ich zu doof gewesen? Hatte ich mich ausbeuten lassen? Schwer zu sagen, aber auf jeden Fall herrschten jetzt andere Sitten, das Geld von meinen letzten, sehr viel lukrativeren Jobs war weg und mit Putzen ernährte ich doch keinen voll berufstätigen Journalisten!

      Konnte ich auch gar nicht, im Moment kam ich in der Woche gerade mal auf acht Stunden. Hundertzwanzig Euro, das waren im Monat vierhundertachtzig. Man konnte gut rechnen, während man Badewanne, Waschbecken und Toilette schrubbte. Das reichte gerade für die Miete und meine Kassenbeiträge. Gut, die TV-Gebühren und das Handy waren wohl auch noch drin, aber dann war Schluss! Beim Aufwischen aller Nassräume fiel mir ein, dass ich für meinen Dispokredit ja auch noch happige Zinsen zu zahlen hatte. Wie viel wohl? Zweitausend... bestimmt zwölf Prozent... das waren – hm - zweihundertvierzig im Jahr, also zwanzig im Monat, mehr als das Handy kostete. Ich musste den Kredit unbedingt tilgen, sonst schmiss ich denen ja bis April über hundert Euro in den Rachen.

      Und ich hatte keine anständigen Klamotten für den neuen Job. Bloß ein brauchbares Sakko war noch da, der Rest war einfach zu alt. Und verbeulte Jeans zum Sakko? Ich brauchte korrekte Kleidung, die außerdem meine dicken Oberschenkel kaschierte. Auf jeden Fall musste ich mehr putzen. Eigentlich war die Arbeit gar nicht so mühsam, Karen wenigstens war sehr zufrieden und quatschte mich nicht die ganze Zeit voll. Manchmal hörte ich sie im Nebenzimmer, wie sie ihren übellaunigen kleinen Sohn tröstete, und ab und zu schaute sie vorbei, lächelte und fragte, ob ich gut zurechtkäme. Noch zwei, drei solche Arbeitgeber und ich könnte mein Konto allmählich wieder in Ordnung bringen!

      Am Dienstag fragte ich bei JobTime nach. Mein „Berater“, wie das hier seit Neuestem hochtrabend genannt wurde, machte „Hm“ und blätterte einen Stapel Ausdrucke durch. „Ja, zwei Angebote hätten wir schon noch. Einen schlecht gelaunten Schriftsteller – ich sehe gerade, da haben schon mehrere aufgegeben – und eine Frau Rössel in der Altstadt. Hier steht pingelig.“

      „Und wo wohnt der muffige Schriftsteller?“, fragte ich nach, fest entschlossen, lieber noch mehr zu sparen. „Hinter dem Helenenbad. Helenenweg elf. Das andere wäre Fuggergasse drei.“

      Die Lage wäre nicht so ungünstig, überlegte ich, aber bei beiden würde ich sicher dauernd angemeckert, und das hatte ich ja auch schon zu Hause. Trotzdem, acht Stunden mehr waren das bestimmt, dann hätte ich neunhundertsechzig Euro im Monat...

      „Okay, ich versuch´s“, seufzte ich und ließ mir die Daten geben.

      Frau Rössel ging so schnell ans Telefon, dass ich mir richtig vorstellen konnte, wie sie schon seit Tagen direkt daneben gesessen und gelauert hatte. Ihre Stimme klang scharf, das war sicher eine richtige Sklaventreiberin. Nein, sie besitze alle wirklich guten Putzmittel, und natürlich müsse ich vormittags kommen, nur Schlampen hätten die Hausarbeit mittags noch nicht fertig. Mittwochs von neun bis zwölf – dann ging ich mittwochs eben nachmittags in die Bibliothek. Täglich musste ich da ja auch nicht hin!

      Der