Grundreinigung. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737559751
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Aber zahlen musste er doch. Dreihundert Euro im Monat, beschloss ich. So schlecht verdiente er auch wieder nicht, und Gisi zockte ihn absolut nicht ab, die sechshundert, die er ihr unter großem Wehklagen jeden Monat überwies, standen ihr zu. Himmel, Jennifer war drei und Patrick fünf, da konnte sie doch nicht voll arbeiten!

      Wann hatte Heiner eigentlich zum letzten Mal etwas mit seinen Kindern unternommen? Ach ja, vor drei Wochen. Toller Sonntag, wirklich – er hatte sie abgeholt und hierher gebracht, und dann hatte sein Handy geklingelt.

      Später hatte er geschworen, der Anruf sei echt gewesen, ein ganz, ganz dringender Notfall in der Redaktion (bei einem Wochenblatt??), aber jedenfalls saß ich dann mit den beiden Zwergen da und durfte den ganzen Nachmittag auf dem Spielplatz im Prinzenpark verbringen und mir anhören, dass es hier doof sei und Papa mit ihnen sicher was ganz Tolles gemacht hätte. Was, wussten sie leider auch nicht, aber vor Kummer liefen ihnen dauernd die Nasen. Und dann war Patrick noch vom Klettergerüst gefallen. Natürlich auch meine Schuld...

      Ein Abstecher zu MacDonald´s versöhnte sie dann mit mir, und als ich sie schließlich abends bei Gisi ablieferte, waren sie soweit, dass sie bei mir einziehen wollten, obwohl ich versicherte, dass MacDonald´s nicht täglich auf dem Programm stand. Gisi grinste mitfühlend, als sie die beiden müden, überdrehten und ketchupverschmierten Kinder in Empfang nahm.

      „Hat er sich wieder gedrückt, ja?“

      „Dringender Notfall“, singsangte ich und grinste ebenfalls. „Warum behältst du ihn?“, fragte sie und schälte ihre Kinder aus den Jacken. „Er nutzt dich doch genauso aus, wie er es bei mir gemacht hat.“

      „Weiß ich, aber ich stehe immer noch auf ihn. Wenn die Anziehungskraft nachlässt, fliegt er, versprochen.“ Wir tranken noch ein Glas Wein zusammen, als die Kinder endlich im Bett lagen und aufgehört hatten, abwechselnd nach uns zu rufen oder wieder aufzutauchen, und tauschten unsere Erfahrungen mit dem lieben Heiner aus. Er hasste nichts mehr als solche „Weiberverschwörungen“, alleine deshalb mussten wir uns regelmäßig besprechen. So hielten wir ihn wenigstens einigermaßen im Zaum!

      Aber wenn er, anstatt seinen Anteil an den Kosten zu tragen, glaubte, ein nettes Nümmerchen würde ausreichen, um mich abzulenken, hatte er sich getäuscht – in Naturalien zahlen war nicht! Misslaunig suchte ich nach dem Stellenmarkt der heutigen Zeitung, aber viel war nicht geboten. Empfangsdamen, CallCenter, Putzkräfte. Wirklich nicht, irgendwo musste man die Grenze ziehen.

      Etwas Nettes in einem Kulturbüro, überhaupt in einem Büro, Ablage, Briefe tippen, Kaffee kochen – ach, ich würde richtig gerne so was machen! Aber jetzt sollte ich vielleicht doch mal die Wäsche aus den Maschinen räumen.

      Mit dem nicht trocknergeeigneten Kram keuchte ich die Treppen wieder hinauf und traf natürlich Frau Hartwig.

      „Haben Sie eigentlich einen Untermieter?“

      „Nein, hab ich nicht. Das ist bloß mein Freund.“

      „In einer Einzimmerwohnung? Und den höheren Wasserverbrauch zahlen wir dann alle mit!“

      „Wir haben doch Wasseruhren, extra letztes Jahr eingebaut, wissen Sie nicht mehr?“ Der Korb war verdammt schwer, wenn man so unnötig aufgehalten wurde. „Trotzdem, das ist Überbelegung und strafbar!“

      „Nein, das ist nicht strafbar“, entgegnete ich müde. „ich bin Juristin, Sie können mir schon glauben.“

      „Ich werde mich auf jeden Fall bei der Hausverwaltung beschweren!“

      Ich packte meinen Korb fester und stieg an ihr vorbei. „Wenn es Sie glücklich macht, bitte!“

      Verdammt, wenn ich den neuen Job schon gehabt hätte, hätte ich mich langsam nach etwas Besserem umsehen können! Vielleicht zwei Zimmer, eine eigene Waschmaschine... Mit oder ohne Heiner? Das wusste ich auch nicht so recht. Jetzt wohnte ich schon sieben Jahre hier, und als ich diese Wohnung gefunden hatte, war ich richtig glücklich gewesen, das WG-Leben war nichts für mich. Jedenfalls nicht in einer WG, in der alle anderen ihre Entscheidungen davon abhängig machten, ob das Pendel über dem selbstgeschroteten Frühstücksmüsli kreiste oder ausschlug oder was Pendel eben so zu tun pflegten. Ich wollte auch als einzige nicht wissen, was ich im Mutterleib gefühlt hatte (eine gewisse Enge, konnte ich mir vorstellen), und mit der Zeit schlich sich ein etwas gezwungener Ton zwischen uns ein, so dass ich begeistert zugegriffen hatte, als Sabine damals nach Münster zurückzog und mir ihre Wohnung vermachte. Ich hatte fleißig gestrichen, einen günstigen Teppichbodenrest verlegt, den IKEA-Katalog in der Rubrik Erstes Appartement ausführlich studiert und eine recht platzsparende Einrichtung geschaffen, wie ich mir schmeichelte. Sicher, das große Bett dominierte etwas, aber man konnte auch zum Fernsehen darauf liegen. Wenn Heiner mich mal etwas Spannendes, Hirnloses gucken ließ! Außerdem war es komplett mit Regalen umbaut, und gegenüber umgaben weitere Regale den Tisch, der als Esstisch, Schreibtisch, Ablage und Mülldeponie diente.

      An die Regale schloss sich ein dazu passender Schrank an, der allerdings mit den Klamotten von uns beiden etwas überfordert war, und neben diesem – schon im Flur – befand sich ein weiterer, etwas tieferer Schrank. Der war schon drin gewesen, und hinter seinen weißen MDF-Türen verbargen sich zwei Kochplatten, ein Zwergenspülbecken, ein winziger Kühlschrank und ein Mülleimer, darüber zwei Regalbretter für Geschirr, Gläser und Vorräte, alles mit einer leichten Fettschicht überzogen, sobald man leichtsinnigerweise etwas gebraten hatte.

      Mensch, eine richtige Küche! Wo man die Tür zumachen konnte, wenn man mal Fisch oder Blumenkohl gekocht hatte! Wo man mehr als zwei Teller auf einmal ins Spülbecken schichten konnte! Darauf musste ich wohl bis April warten. Und wie ich den Staat als Arbeitgeber einschätzte, dauerte es dann sicher noch länger, bis ich wirklich mal ein Gehalt auf meinem Konto vorfand. Dafür musste ich dann wohl wirklich meine Eltern anpumpen, aber sie würden es ja wiederkriegen. Heiner pennte immer noch selig. Hatte ich ihn derartig gefordert? Also, so toll war es nun auch wieder nicht gewesen!

      Wenn er nicht quer im Bett läge, könnte ich mich selbst dort ausstrecken und diese schrägen Kurzgeschichten weiter lesen, die ich mir letzte Woche gekauft hatte, Böse Mädchen... Sehr anregend!

      Morgen musste ich mal wieder zu JobTime schauen, sicher hatten die etwas Brauchbares für mich. Während des Studiums hatten sie auch immer was gehabt. Und wenn ich schon ein halbes Jahr Leerlauf hatte, dann würde ich mich auch nicht exmatrikulieren, sondern mir bei Professor Mahler auch noch ein Dissertationsthema geben lassen. Die würden staunen, wenn sie sich für ihr Anfängergehalt eine veritable Frau Doktor eingekauft hatten!

      Genau! Ich hatte auch schon eine gute Idee, von 1897 bis 1901 hatte es in dieser Stadt einen recht esoterisch angehauchten Kunstverein gegeben, mit einer Muse, die aussah wie von Gustav Klimt gemalt, der damals legendären Frau von Strahleneck. Sie hatte ein Schlösschen im Waldburgviertel bewohnt, dort Künstler bewirtet und in der Altstadt ein Haus gekauft, das sie zu einem Museum der Moderne umbauen ließ. Warum war dieser Kunstverein eigentlich eingegangen? Allein diese Frage wäre schon interessant. Es gab jede Menge staubige Akten, über die ich während meiner Magisterarbeit gestolpert war, aber noch keine umfassende Untersuchung. Das müsste dem alten Mahler doch gefallen?

      Ich vermutete ja stark, dass sie „ihren“ Künstlern auch menschlich zu nahe getreten war und der ganze Kunstverein in wilden Eifersuchtsszenen geendet hatte, aber das blieb eben noch zu beweisen. Bis Heiner sich endlich wieder bewegte, hatte ich die Wäsche aus dem Trockner geholt und alle meine Ideen, was den Kunstverein betraf, niedergeschrieben und meinen Laptop schon wieder ausgeschaltet. Er räkelte sich ächzend, sah dann auf die Uhr und fuhr erschrocken hoch. „Mensch, Anne, warum lässt du mich denn so lange pennen? Ich hab um halb drei einen Termin, du weißt doch!“

      „Nein, weiß ich nicht. Ich verwalte doch nicht deine Termine. Außerdem ist es erst eins, also was soll der Stress?“

      „Aber vorher muss ich noch die Fotografin abholen. Tolle Frau, übrigens.“ Er grinste und beobachtete meine Reaktion so offen, dass es schon albern wirkte. „Schön für dich. Wohin müsst ihr denn?“ Ich interessierte mich nur mäßig dafür, schließlich war es sicher wieder irgendetwas Abstruses.

      „Vorbesprechung