Ich öffnete vorsichtig die Tür. „Unten wäre ich fertig – soll ich etwas einkaufen oder oben weitermachen? Oder haben Sie noch andere Aufträge?“
Er saß vor einem völlig zugemüllten Schreibtisch, ein Wunder, dass er seinen Laptop überhaupt noch fand. „Wie würden Sie Olive and Dove übersetzen? – Ach, lassen Sie nur.“
„Ölzweig und Taube. Ist das nicht dieser Pub in Kingsmarkham? Ich könnte auch das Altpapier zum Container bringen, wenn Sie wollen.“ Beziehungsreich sah ich mich um und ließ meinen Blick dann auf den zerknüllten Zetteln ruhen, mit denen er den Papierkorb absolut nicht getroffen hatte.
„Kingsmarkham? Sie lesen Ruth Rendell? Und wie kommen Sie auf Ölzweig?“
„Olive und Taube gibt keinen Sinn. Aber die Taube mit dem Ölzweig kommt doch in der Bibel vor, bei der Arche Noah, oder? Und Ruth Rendell mag ich sehr.“
„Gut erklärt. Tja... also, Altpapier nicht, vielleicht kann ich davon doch noch was brauchen, das war nur der Ärger. Würden Sie auch waschen?“
„Klar, wenn Sie mir sagen, was und wo die Maschine steht?“
„Ist alles im Keller, auch die Wäsche. Und Sie könnten auch noch was einkaufen, wenn Sie das zeitlich hinkriegen.“ Er schaute auf seine Armbanduhr. „Erst zwanzig nach sechs? Sie arbeiten flott. Hier, das bräuchte ich. Und das ist für den Sprit!“ Er lehnte sich nach hinten, fischte etwas aus seiner Hosentasche und drückte mir zwei Euro in die Hand. „Für letztes Mal und heute!“
„Danke, das ist ein fairer Betrag!“ Ich steckte das Geld ein. „Kann man die Maschine alleine lassen, wenn sie läuft?“
„Klar, der Keller hat doch einen Gully.“
Er wandte sich wieder seinem Laptop zu und klickte den Bildschirmschoner weg, der sich eingeschaltet hatte. Mit einem letzten Blick stellte ich fest, dass die Word-Seite total leer war. Dem fiel wohl nichts ein?
Im Keller fand ich einen großen Korb voller Sweatshirts, Shorts, Socken, Bettwäsche und Handtüchern. Ich sortierte eine Maschine voll aus, gab Pulver dazu und startete die Maschine, dann fuhr ich einkaufen.
Fertiggerichte, Zigarillos, Druckerpapier, Kaffee – Himmel, konnte er das nicht so sortieren, dass ich in jeden Laden nur einmal musste? Ach was, ich hätte mir die Liste eben vorher richtig durchlesen sollen! Disketten, Schnellhefter, zwei Rotstifte – was wollte er denn korrigieren, wenn er nichts schrieb? Und vorhin, sollte das nur ein Test sein, wie doof seine neue Putze war? Den hatte ich dann wenigstens bestanden. Ich kaufte alles ein, schleppte die Beute in die Küche und verräumte es, dann klopfte ich wieder an der Arbeitszimmertür und überreichte meinem Arbeitgeber die Schreibwaren. „Legen Sie´s irgendwo hin“, brummte er und starrte weiter auf den Bildschirm, auf dem immer noch nichts stand – außer einer großen Eins, mindestens in vierzig Punkt.
Ich verzog mich wieder in den Keller, hängte die Wäsche ordentlich auf, nachdem ich vorsichtshalber die feuerroten Leinen abgewischt hatte, und füllte die Maschine neu. Was jetzt? Wenn ich ihn noch einmal störte, platzte er wahrscheinlich. Also kontrollierte ich das Erdgeschoss noch einmal und schleifte mein Equipment dann nach oben. Ein sauberes Bad konnte seine Laune nur heben! Viel war nicht zu tun, offenbar war er kein Stehpinkler oder einigermaßen treffsicher, und er spritzte auch keine Zahnpasta an den Spiegel. Vielleicht wusch er sich auch überhaupt nicht und pinkelte aus dem Fenster...
Die Wäsche allerdings war nicht pennerhaft gewesen, und in der Dusche stand eine offene und noch ziemlich nasse Flasche Duschgel, die Sorte, mit der man auch schuppige Haare waschen konnte. Ich schraubte sie zu und putzte Dusche, Waschbecken und Toilette, dann hängte ich frische Handtücher auf, saugte kurz durch das Schlafzimmer und den Flur, machte das Bett, lüftete alles und trug Handtücher, Staubsauger und Putzkörbchen wieder nach unten.
Was nun? Den Müll raustragen... Viel war es nicht. Dieses Haus hätte ich mir arbeitsintensiver vorgestellt, aber ich wollte nicht, dass er das merkte, sonst kürzte er bloß die Stunden und ich musste noch einen weiteren Kunden suchen. So trödelte ich im Keller herum, nachdem ich den Putzkram sorgfältig verräumt hatte, arrangierte die Wäsche schöner, hängte schließlich die zweite Ladung auf, stellte Waschpulver und Klammerkörbchen gerade hin, wischte den großen Arbeitstisch feucht ab und mit einem herumstehenden Mopp den Boden feucht auf und war dann endlich zufrieden, vor allem, weil ich auch ein Bügelbrett entdeckte. Am Dienstag konnte ich bügeln und damit einige Zeit vertun.
Ich trug den Wäschekorb wieder ins Schlafzimmer, kontrollierte alles – nichts mehr zu tun – und klopfte schließlich resigniert an der Arbeitszimmertür. Erst zehn vor acht! „Ich wäre jetzt fertig. Möchten Sie gucken?“
„Ich glaub´s Ihnen schon. Wo muss ich unterschreiben?“
Ich reichte ihm meine Stundenliste für JobTime und sah mich gierig im Arbeitszimmer um, während er fluchend nach einem funktionierenden Stift suchte. Hier müsste man mal gründlich... Ein gefundenes Fressen für jede Putzfrau! Offenbar hatte ich meine wahre Berufung gefunden, in mir schien die Seele einer Putzfrau zu stecken.
„Und wie finden Sie das Haus jetzt?“
Verdammt, was für eine peinliche Frage! „Das Haus ist recht schön“, antwortete ich vorsichtig. Man konnte doch den Kunden nicht sagen, dass sie grauenvoll eingerichtet waren! Außerdem war meine Winzwohnung so schön nun auch wieder nicht. „Das Haus – und die Einrichtung?“
„Äh – ja, der Grundriss ist sehr elegant... und – naja.“ Ich verstummte kläglich.
„Also, das Haus ist in Ordnung. Und die Einrichtung?“ Grinste der womöglich, weil ich mich hier zum Affen machte?
„Nun... sie wirkt nicht ganz einheitlich“, flüchtete ich mich in einen Punkt, der mir harmlos erschien. „Ich meine, diese Schrankwand – und daneben das Billy... und die drei Sofas sind alle unterschiedlich...“
„Die Schrankwand baue ich gerade ab, weil sie so abscheulich ist. Beruhigt?“
Ich atmete erleichtert aus. „Ehrlich gesagt, schon. Sie hat so einen schimmelfarbenen Ton.“
„Genau. Wissen Sie, wie man die Prilblumen loswird?“
„Oh, das ist schwierig... die kleben verdammt gut. Soll ich nächstes Mal Etikettenlöser mitbringen und es probieren?“
„Das wäre nett.“
„Und die Wäsche kann ich am Dienstag auch bügeln“, fügte ich eifrig hinzu, damit er ja nicht dachte, ich sei hier unterbeschäftigt.
„Machen Sie das. Dann bis zum Dienstag.“
„Bis Dienstag. Auf Wiedersehen." Ich verließ das Zimmer und sammelte draußen meine Sachen ein. Als ich schon fast am Gartentor war, hörte ich seine Stimme. „Anne?“
Ich fuhr herum. „Ja? Hab ich etwas vergessen?“
„Nein. Schönes Wochenende!“
„Danke, Ihnen auch.“
Wochenende, herrlich! Nichts zu putzen (obwohl mir das mittlerweile richtig Spaß machte), kein Heiner – aber ich sollte mal meine Eltern besuchen. Die wussten ja noch nicht einmal, dass ich den tollen Job erst im April kriegen würde. Jetzt war aber erst einmal Freitagabend, und ich hatte in dieser Woche eine Menge geschafft, fand ich – vor allem war ich diesen unsäglichen Schmarotzer Heiner losgeworden.
Nein, doch noch nicht ganz. Er saß schon wieder auf der Treppe, als ich nach Hause kam, mit einer Alditüte in der Hand. „Du hast also durchaus noch Geld“, stellte er anklagend fest.
Dann zog er ein Gesicht, als sei ihm gerade erst eingefallen, dass dies nicht die beste Taktik