Grundreinigung. Elisa Scheer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisa Scheer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737559751
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      Sicherheitshalber vertagte ich die rote Erzherzogin und die schon leicht zerdrückten Petit Fours und rief Gisi an. „Ich hab Heiner rausgeschmissen“, fiel ich gleich mit der Tür ins Haus. Gisi lachte. „Weiß ich doch längst! Rate mal, wer gestern hier aufgetaucht ist, ganz die gekränkte Unschuld? Wie ein Hund, den man an der Autobahnraststätte aus dem Auto geworfen hat.“

      „Aber du hast ihn doch nicht etwa wieder aufgenommen?“

      „Wofür hältst du mich? Diese Krankheit kriegt man wirklich nur einmal, danach ist man immun. Er konnte diese schäbige Decke mitnehmen, die wollte ich schon loswerden, da hat Patrick mal reingepinkelt – Himmel, ich glaube, ich habe sie nicht mal gewaschen! Das ist mir jetzt ja fast peinlich...“ Sie kicherte.

      Ich feixte in den Hörer. „Na, das wird er ja noch früh genug merken. Eben war er wieder da und hat gefunden, ich sei so hart geworden.“

      „Und Männer mögen ja keine harten Frauen, nicht? Die lassen sich von ihnen nicht so leicht reinlegen. Patrick, geh in dein Zimmer!“ Gequengel im Hintergrund. „Nein, heute nicht, hab ich gesagt. Ab in dein Zimmer, und räum dein Lego auf! Und, hast du ihn reingelassen?“ Es dauerte einen Moment, bis ich diese Frage wieder auf mich bezog. „Unsinn. Ich war gemein und hart zu ihm und er ist türenknallend wieder abgehauen.“

      „Gut so. Der findet schon eine andere Dumme. Und wenn nicht – Jenny, was hast du denn gemacht?“ Ein harter Schlag – Gisi hatte den Hörer hingeworfen. Ich wartete geduldig, bis sie zurückkam. „Diese Gören! Jetzt hat sie sich eine ganze Handvoll Nutella auf dem Glas geholt und sie überall verteilt.“

      „Heiners böse Gene?“

      „Ach wo, ganz normaler Kinderspaß. Heiners Gene dürften so schwächlich sein wie er selbst.“

      „Du hast Recht“, stellte ich erstaunt fest, „er ist wirklich ein Schwächling. Glaubst du, er schafft es überhaupt alleine?“

      „Wenn seine Fans ihm die Chance dazu lassen? Ich glaube – Patrick, noch einmal, und du gehst sofort ins Bett! Nein, das ist mein Ernst, und du musst gar nicht herumwinseln! Ich glaube – was wollte ich sagen?“

      „Keine Ahnung“, grinste ich in den Hörer, „aber wenn du wissen willst, was ich glaube: Sein Fanclub ist wohl gar nicht so toll, wenn er schon bei uns vor der Tür herumlungert.“

      „Genau, das denke ich auch. Jetzt muss er in freier Wildbahn zurechtkommen...“

      „Mir bricht das Herz...“

      „Mir auch. Du, ich ruf dich in den nächsten Tagen mal an, aber die beiden Rotznasen stellen mir hier die Bude auf den Kopf – ja, ich meine euch beide. Jetzt kommt die Mama und jetzt scheppert´s, aber gewaltig! Ciao, Anne!“

      „Ciao...“, sprach ich in die tote Leitung. Wie immer – Mutterglück pur. Was für ein Glück, dass ich keinen kleinen Heiner am Bein hatte! Kaum hatte ich mich mit dem Schmöker und den Petit fours auf dem Sofa installiert, klingelte das Telefon wieder.

      Heiner, ob ich wirklich alle schönen Stunden vergessen hätte? Ich setzte ihm auseinander – zum wievielten Male denn mittlerweile? – dass die schönen Stunden leider durch den andauernden Ärger überlagert worden seien und er mir außerdem zu teuer im Unterhalt geworden sei. Das fand er kleinlich von mir, und daraufhin legte ich kommentarlos auf. Endlich konnte ich das übersüße Gebäck mit der giftig bunten Glasur und den Zuckerröschen darauf genießen und abwechselnd studieren, wie falsch die kleine Erzherzogin erzogen worden war, und klebrige Krümel vom Soda aufklauben. Saugemütlich – und später sollte noch ein richtiger Schrottfilm laufen, den ich zum ersten Mal seit ewigen Zeiten ohne bissige Kommentare oder eigenmächtiges Umschalten von Seiten des selbst ernannten Kulturpapstes anschauen konnte.

      Am nächsten Morgen grub ich in der Unibibliothek einige interessante Quellen zum Kulturverein aus – wenn nur das Kopieren dort nicht immer so unverschämt teuer gewesen wäre! Die zwölf Euro für knapp fünfzig Kopien rissen doch ein böses Loch in meine ohnehin dürftigen Finanzen, und ich gönnte mir als Mittagessen eine Tüte Chips von Aldi – sie schmeckten nicht besonders, aber sie hatten eben auch nur 79 Cent gekostet. Meinem Autochen spendierte ich exakt fünf Liter Sprit; danach musste ich doch einmal ins Auge fassen, am Wochenende meine Eltern anzupumpen.

      Immerhin war es bei Karen recht lustig; da sie die Vormittage nur in Gesellschaft ihres schlecht gelaunten Säuglings verbringen musste, der entweder plärrte oder schlief, freute sie sich, endlich mal mit jemandem reden zu können, der der Sprache mächtig war, und klagte mir ihr Leid – ihr Mann war auf Studienfahrt, Sven hatte immer noch Blähungen, ihr Bauch war total schwabbelig – das konnte ich nicht bestätigen, als sie ihr T-Shirt anhob und sich anklagend in den kaum vorhandenen Bauchspeck kniff. Außerdem nervten ihre Eltern tierisch, bei ihrer jüngsten Schwester war möglicherweise das vierte Kind unterwegs, obwohl die Ehe so ziemlich im Eimer zu sein schien, und ihre mittlere Schwester war mit ihrem Mann in Hongkong, und sie hatte vergessen, ihr zu sagen, was sie ihr mitbringen sollte.

      Nach dieser Tirade seufzte sie tief auf. „So, jetzt geht´s mir schon wieder deutlich besser. Ich bin einfach neidisch, weil ich selbst gerne in Hongkong wäre – oder auf Studienfahrt. Obwohl – Florenz mit achtundsiebzig Abiturienten, deren Reisegepäck hauptsächlich aus Wodkaflaschen besteht... lieber doch nicht! Und Svenni ist ja wirklich ein Süßer, wenn er mal die Klappe hält. Gestern hat er richtig gelächelt!“

      Ich wischte Staub und äußerte meine Bewunderung für das kluge Kind.

      Karen interessierte sich auch für mein Dissertationsthema und steuerte einige recht gute Ideen dazu bei, außerdem kannte sie jemanden im Städtischen Museum, der mir möglicherweise weiterhelfen konnte, und schrieb mir Namen und Nummer auf. Zwei sehr ergiebige Stunden, fand ich, als ich Staubtücher, Wischlappen, Staubsauger und Wischmopp wieder aufgeräumt hatte. Und jetzt zu diesem mürrischen Kerl im Helenenweg!

      Dieses Mal wurde mir schon etwas schneller geöffnet, und die Grimasse, mit der ich begrüßt wurde, konnte man zwar eigentlich nicht als Lächeln bezeichnen, aber sie schien mir doch eine Geste des guten Willens zu sein.

      Ich lächelte zurück, trat ein und warf einen Kontrollblick in die Runde: Der Flur war zwar unordentlich, aber nicht wieder so verdreckt wie beim letzten Mal. Vielleicht brauchten Staubmäuse ja länger als drei Tage, um zu voller Schönheit aufzublühen! „Was soll ich denn heute gründlich machen?“, erkundigte ich mich in streng professionellem Ton und versuchte, nicht so zu schauen, als würde ich vorschlagen, beim Hausherrn anzufangen. „Wohnzimmer“, war die Antwort. „Und danach ein bisschen Bäder und Küche.“

      „Gerne.“ Ich holte mir sämtliches Putzzeug aus der Küche und schleifte es ins Wohnzimmer, wo es noch seltsamer aussah als beim letzten Mal.

      Die eichene Schrankwand (war die obendrein noch grün gebeizt? Sie wirkte irgendwie angeschimmelt) war noch schmaler geworden, so dass zwischen ihr und dem abgearbeiteten Billy ein Stück Tapete sichtbar wurde, seltsamerweise nicht dieses grau-rot-grüne Zickzackmuster, bei dem einem schlecht werden konnte, sondern Biedermeiersträußchen auf Himmelblau. Vielleicht für ein Kinderzimmer ganz nett, aber hier?

      Das ging mich nichts an. Ich säuberte den Kamin, der tatsächlich benutzt zu werden schien, jedenfalls lag viel Asche darin, schichtete danach neues Holz und Papier so hinein, dass man nur noch ein Streichholz daran halten musste (von Papa gelernt), putzte den Kaminsims aus schwarzem Marmor, wischte überall Staub, saugte die Sofas gründlich ab, verbrauchte mehrere Glasklartücher, bis die Fenster wieder durchsichtig und einigermaßen streifenfrei waren, saugte den Kachelboden und wischte ihn danach feucht auf und öffnete die Terrassentür, damit der Putzmittelduft und die Feuchtigkeit auf dem Boden abziehen konnte.

      Eigentlich war das ein tolles Zimmer, aber dieses Gerümpellager darin!

      Im angrenzenden Esszimmer war nicht viel zu tun – Tisch polieren, Fenster putzen, Boden saugen und wischen. Vor dort aus kam man auch in die Küche. Eine Küche mit drei Türen hatte ich auch noch nie gesehen.

      So schlimm wie beim letzten Mal sah die Küche nicht aus: Wenn ich abspülte und