„Hey, ich mache ihnen keinen Vorwurf, ich wollte es einfach nur wissen. Ist ihnen schon mal jemand unangenehm aufgefallen? Jemand der rumgepöbelt hat oder möglicherweise aufdringlich wurde? Vielleicht hat ihnen ja eine Kollegin mal etwas erzählt.“
Ohne großartig darüber nachzudenken, schüttelte die junge Frau ihren Kopf, „Nein, nicht dass ich wüsste.“
„Was können sie mir über ihren Arbeitgeber erzählen?“
Ein fast schon verträumt anmutendes Lächeln huschte über Lydias feine Gesichtszüge, „Nur Gutes. Herr von Auersbach ist ein sehr netter und höflicher Mann. Und er überweist immer pünktlich mein Geld. Also ich mag ihn ganz gerne.“
Die Kommissarin hatte sich eindeutig mehr erhofft. Sichtlich enttäuscht zog sie eine Visitenkarte aus ihrer Tasche, „Hier, falls ihnen noch etwas einfällt. Sagen sie, gehen sie heute Abend zu diesem Maskenball?“
„Nein, unsere Partys finden ausschließlich am Wochenende statt.“
„Vielen Dank, Frau Scheel, ich wünsche ihnen einen schönen Tag und passen sie auf sich auf.“
Die junge Frau erwiderte ihr Lächeln und nickte, „Ich wünsche ihnen ebenfalls einen schönen Tag.“
Wieder im Auto angekommen, wirkte Smilla sichtlich angespannt, „Das ist mir alles eine Spur zu glatt.“
Tiberius wollte eigentlich gerade in sein Brot beißen, ließ sein Vorhaben aber schweren Herzens für einen kurzen Moment ruhen, „Was meinst du?
„Na ja, ein paar gut situierte Böcke feiern mit jungen Mädchen Partys, bei denen es angeblich nicht um Sex geht. Worum geht es dann?“
Der Anblick dieser sogar gesunden Köstlichkeit ließ seinen Magen lautstark rumoren. Es galt zu befürchten, dass sich die Rinnsale in seinem Mund jeden Augenblick in regelrechte Sturzbäche verwandeln könnten. Er hatte Hunger und wollte endlich dieses Prachtstück genießen. „Du glaubst wohl auch, dass jedes männliche Wesen ausschließlich mit seinem Geschlechtsteil denkt. Ich kann dir aber versichern, dass das nicht so ist. Die haben einfach ein bisschen Spaß, lachen, flirten, trinken und unterhalten sich. Kann es sein, dass du sauer bist, weil du diesem Herrn von Auersbach nicht ans Bein pinkeln kannst?“
„Blödsinn“, noch ehe Tiberius reagieren konnte, schnappte sich Smilla das Brot und biss hinein.
„Hey, kauf dir gefälligst selber eins“, er entriss ihr das Objekt seiner Begierde und signalisierte seine Bereitschaft, es mit seinem Leben zu verteidigen, „wenn du das noch mal versuchst, muss ich dich leider töten.“
Sie grinste, „Seit wann stehst du auf gesundes Essen?“
„Seit du mir den Kartoffelsalat vermiest hast. Ich habe Hunger, verdammt noch mal. Mein Magen schleift bereits seit Stunden über den Boden.“ Tiberius verschaffte sich endlich Erlösung und sein Gesichtsausdruck verriet die angenehme Überraschung, „Mmh, schmeckt ja richtig gut das Zeug.“ Er versuchte die einzelnen Bestandteile zu analysieren, „Salat, Kresse, Tomaten, Radieschen, Lauch und Hähnchenfleisch mit einem Hauch von Joghurtdressing. Ich muss nachher unbedingt noch einkaufen.“
„Na siehst du, geht doch.“ Smilla nahm die Liste zur Hand, „Dann können wir uns ja jetzt ganz entspannt der nächsten Dame, einer gewissen Kerstin Lohenbrink zuwenden. Sie wohnt nur fünf Minuten von hier entfernt.“
Dieser Job schien überaus lukrativ zu sein, denn Kerstin Lohenbrink verbrachte gerade einen zweiwöchigen Urlaub auf den Malediven. Auch die anschließende Befragung von drei weiteren Mädchen führte nicht zu neuen Erkenntnissen. Tiberius schaute auf seine Armbanduhr, „Wenn wir noch auf diesen Maskenball wollen, dann sollten wir uns langsam fertigmachen.“
Ihre Hoffnung, er könnte den blöden Ball vielleicht doch vergessen, verpuffte im Nichts. Sie verspürte nicht die geringste Lust an diesem Event teilzunehmen, konnte jetzt aber unmöglich kneifen. Ihr entfuhr ein lang gezogener Seufzer, „Na gut, wenn’s denn sein muss. Ich bringe dich nach Hause und hole dich dann in einer Stunde wieder ab.“
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