Ein tödlicher Job. Sylvia Giesecke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sylvia Giesecke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847617136
Скачать книгу

      Der Dramatik entsprechend begann sie ihre Ausführungen mit einem deutlich hörbaren Seufzer, „Sie wissen ja selber, wie das ist, ständig wird alles teurer. Strom, Lebensmittel, Busfahrkarten, … am Ende des Geldes ist meistens noch ein großes Stückchen Monat übrig. Bereits ein halbes Jahr vor Beginn der Renovierungsarbeiten haben die uns eine Verdopplung der Miete angekündigt. Für mich und den Tim kein großes Problem, weil meine, genauso wie seine Eltern die Kosten fürs Wohnen von Anfang an übernommen haben. Paulas Mutter konnte sich das aber nicht leisten, deshalb hat Paula auch in jeder freien Minute im Café Bernstein gearbeitet. Sie mochte diesen Job wirklich gerne, aber die drohende Mieterhöhung hätte sie damit auf keinen Fall auffangen können. Eines Tages kam dann dieser total reiche und gut aussehende Typ ins Café Bernstein. Er lud sie in ein richtig teures Restaurant ein und machte ihr ein ziemlich verlockendes Angebot. Er würde recht regelmäßig größere Partys veranstalten und bräuchte dringend noch eine attraktive Gesellschafterin für seine gut situierten Gäste. Pro Party sollte sie dreihundert Euro bekommen, mögliche Trinkgelder noch nicht inbegriffen. Als sie einwilligte, schob er ihr einen Umschlag mit zweitausend Euro für neue Kleider über den Tisch.“

      Ein interessanter Ansatzpunkt, der in jedem Fall hinterfragt werden musste. „Wissen sie wie dieser Mann heißt und wo diese Partys stattfanden?“

      Erin schaute der Kommissarin offen ins Gesicht, „Nein, Paula wollte nicht darüber sprechen. Ich weiß nur, dass sie vor jeder Veranstaltung eine E-Mail bekommen hat.“

      Tiberius räusperte sich dezent, „Wissen sie, ob Sex auf diesen Partys eine Rolle gespielt hat?“

      „Sie denken, dass sie sich prostituiert hat“, die junge Frau schüttelte energisch den Kopf, „nicht Paula, so etwas hätte sie niemals getan.“

      Für den Moment hatten sie genug gehört. Smilla überreichte Erin ihre Visitenkarte, „Wenn ihnen noch irgendetwas Wichtiges einfallen sollte, dürfen sie mich jederzeit anrufen. Außerdem würde ich sie bitten, dass sie im Laufe des Tages im Präsidium vorbeikommen, damit wir ihre Aussage zu Protokoll nehmen können.“ Sie war bereits in Begriff zu gehen, „Ach ja, … die Kollegen von der Spurensicherung werden Paulas Zimmer noch einmal genauer unter die Lupe nehmen. Bitte lassen sie die Jungs ihre Arbeit machen.“

      „Natürlich“, Erin Porschke begleitete die beiden bis zur Tür, „ich möchte mich auch noch für mein blödes Benehmen entschuldigen, es ist nur …“

      „Ist schon gut, wir verstehen ihre Motivation.“ Smilla tätschelte ihre Schulter und verließ die Wohnung. Auf der Treppe hielt sie kurz inne, „Eines würde mich aber doch noch interessieren, … sind sie nie auf die Idee gekommen, es Paula gleich zu tun? Das hört sich schließlich nach leicht verdientem Geld an.“

      „Paula hat ihm mal ein Foto von mir gezeigt, aber irgendwie passte ich wohl nicht in das gesuchte Profil“, sie seufzte erneut, „… wer weiß, wofür das gut war.“

      „Das können sie laut sagen“, sie verabschiedete sich mit einem verhaltenen Lächeln, „vielen Dank, Erin, sie haben uns trotz der Anlaufschwierigkeiten sehr geholfen. Auf Wiedersehen.“

      Zurück auf der Straße genehmigte sich Smilla die erste Zigarette des Tages. Als bekennender Nichtraucher reagierte Tiberius mit einem verständnislosen Kopfschütteln, „Ich kann echt nicht verstehen, was man daran finden kann. Bei diesen paar Glimmstängeln, die du rauchst, könntest du theoretisch auch aufhören.“

      „Könnte ich, … aber du weißt doch selbst am allerbesten, dass zwischen Theorie und Praxis manchmal ganze Universen liegen. Also hör auf zu meckern“, sie provozierte mit einem besonders tiefen und genüsslichen Zug, ehe sie die Glut mit ihrem Schuh erstickte. „Ich werde jetzt in die Uni fahren, um mich dort mal ein bisschen bei ihren Kommilitonen und den Lehrkräften umzuhören. Du bringst bitte diesen Laptop ins Präsidium. Der Kollege Fischer soll sich umgehend darum kümmern.“

      „Etwa zu Fuß? Das ist doch wohl nicht dein Ernst?“

      „Und ob das mein Ernst ist. Von hier aus sind das höchstens fünfzehn läppische, aber dennoch cholesterinsenkende Minuten.“ Smilla konnte sich das Grinsen unmöglich verkneifen und bekräftigte es noch mit einer entsprechenden Handbewegung, „Tschakka, du schaffst das!“

      Tiberius winkte ab, „Ja, ja, Smilla, … ich hab dich auch ganz furchtbar lieb.“ Fühlbar widerwillig machte er sich daran, seinen auferlegten Pilgerweg anzutreten. „Wir sehen uns dann später, du alte Sklaventreiberin, … ich wünsche dir trotzdem viel Erfolg.“

      Eine knappe Viertelstunde später hatte auch die Kommissarin ihr Ziel erreicht. Da der morgendliche Kaffee sich inzwischen mit Hochdruck bemerkbar machte, suchte sie eilig die nächste Toilette auf. Während sie mit dem viel zu engen Knopfloch ihrer Jeanshose kämpfte, hüpfte sie nervös von einem Fuß auf den anderen. In einer solchen Situation zählte nun mal jede Sekunde. Sie zerrte hastig an ihrer Hose und wollte den Dingen gerade freien Lauf lassen, als ein plumpsendes Geräusch sie regelrecht erstarren ließ. Nein, bitte nicht! Bedauerlicherweise bestätigte der Blick in die Kloschüssel ihre schlimmste Befürchtung, denn ihr Handy lag auf dem unappetitlichen Grund derselbigen „Man, Smilla, so dämlich kann ein einzelner Mensch doch gar nicht sein!“ Etwas angewidert tauchte sie ihre Hand ins Becken, um zu retten, was hoffentlich noch zu retten war. Sicherheitshalber schaltete sie es erst einmal aus und versuchte es halbwegs trocken zu bekommen. Sie konnte nur hoffen, dass ihre nicht vorhandene Erreichbarkeit niemandem auffallen würde, denn sonst müsste sie sich am Ende womöglich noch selbst denunzieren. Doch jetzt zählten andere Prioritäten, jetzt sollte sie sich erst einmal um die wirklich wichtigen Dinge kümmern und das Umfeld der Toten genauer unter dem Mikroskop betrachten. Also tat sie, was getan werden musste und führte zahllose Gespräche. Sie kommunizierte mit Mentoren, Tutoren, Professoren, gemeinen Lehrern, Kommilitonen, echten Freunden und denen, die einfach gerne mal im Mittelpunkt einer Mordermittlung standen. Wirkliche Erkenntnisse blieben ihr allerdings verwehrt. Laut Aussagen sämtlicher Befragten handelte es sich bei Paula um ein freundliches, wissbegieriges, kluges und überaus beliebtes Individuum, das ausschließlich Anerkennung und uneingeschränkte Sympathien genoss. Nach vier extrem anstrengenden Stunden fuhr sie mit ausgefranstem Mund und glühend heißen Ohren zurück ins Präsidium.

      Tiberius empfing sie mit vorwurfsvollem Blick, „Da bist du ja endlich, … ich habe schon zig Mal versucht dich anzurufen.“

      Es wäre ja auch zu schön gewesen. „Entschuldige, aber mein Handy ist mir, … mein Handy ist irgendwie ein bisschen nass geworden …“

      „Dein Handy ist irgendwie ein bisschen nass geworden?“ Sein Grinsen lud zum ultimativen Faustschlag ein, „Es ist ins Klo gefallen, … stimmt‘s?“ Da Smillas Blick tödliche Ausmaße annahm, zog es Tiberius vor das Thema zu wechseln. „Äh ja, … wie ist es denn bei dir gelaufen? Konntest du irgendetwas Hilfreiches in Erfahrung bringen?“

      Jemand klopfte an die Bürotür und Smilla bat um Geduld. „Einen Moment bitte.“ Sie nutzte die Ecke des Schreibtisches als Sitzgelegenheit, „Leider nicht, alle haben Paula Hankenfeld als nettes und umgängliches Mädchen beschrieben. Wirklich weitergebracht hat uns das nicht. Was ist mit dir, … hast du in der Zwischenzeit was erreicht?“ Es klopfte erneut. „Rede ich vielleicht chinesisch oder was? Einen verdammten Moment bitte!“

      Da Tiberius seine Vorgesetzte nicht länger auf die Folter spannen wollte, kam er direkt auf den Punkt, „Wir haben den Absender von Paulas E-Mails ausfindig gemacht.“

      Smilla sprang auf und ihr erwartungsvoller Blick klebte wie zuckersüßer Honig an seinen Lippen, „Ja und?“

      „Ich habe ihn telefonisch herbestellt und vermute stark, dass er derjenige ist, der da gerade klopfend um Einlass bittet.“

      „Warum sagst du das denn nicht gleich? Herein!“

      Er sah einfach fantastisch aus. Groß, schlank, wahnsinnig durchtrainierter Körper, schwarzes schulterlanges Haar und dunkelbraune Augen. Ein echtes Bild von einem Kerl. Tiberius übernahm die Vorstellung der Protagonisten mit den dazugehörigen Handbewegungen, „Smilla, … das ist Damian von Auersbach. Bei ihm war