Naturbild
Auf der Erde ist Wasser: Das Bild des Zusammenhaltens.
So haben die Könige der Vorzeit
die einzelnen Staaten als Lehen vergeben
und mit den Lehnsfürsten freundlichen Verkehr gepflegt.
Wenn sich auf dem Erdboden Regen- oder Quellwasser sammelt, entstehen Rinnsale, Bäche und Flüsse, die schließlich alle im Meer zusammenfließen. Wo immer möglich vereinigen sich Wasserläufe, denn Wasser hält in sich zusammen. Es hält aber auch mit der Erde zusammen, indem es ihre Vertiefungen ausfüllt, sie durchdringt, befeuchtet und belebt, sodass neues Leben aus ihr keimen kann. All das geschieht ohne Zwang - die Erde kann es nehmen oder nicht. So stehen Erde und Wasser in fruchtbarer Beziehung, sie bilden ein wechselseitig nutzbringendes Arrangement.
Im übertragenen Sinne sehen wir hier, wie sich eine Gruppe von Menschen zusammentut, um gemeinsam den vom Wasser verkörperten Herausforderungen des Lebens zu begegnen. In der Gruppe wird es ja möglich, Aufgaben zu meistern, die den Einzelnen überfordern würden. Damit offenbaren sich Zusammenhalten, Verbindung und Solidarität als natürliche und notwendige Prozesse, die auch ganz bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterliegen.
Gemeinsam sind wir stark
Das Zusammenhalten bringt Heil.
Ergründe das Orakel nochmals, ob du Erhabenheit, Dauer
und Beharrlichkeit hast. Dann ist kein Makel da.
Die Unsicheren kommen allmählich herbei.
Wer zu spät kommt, hat Unheil.
Diese Zeitqualität lenkt unsere Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass Gleichgesinnte sich gerne zusammenschießen. Wir alle stehen ja immer wieder vor Situationen, die wir alleine nicht bewältigen könnten. Wenn wir Menschen aber aus unserer Vereinzelung heraustreten und mit anderen zusammenhalten, können wir enorme Kreativität entfalten. Eine Gemeinschaft, die sich geschlossen für ein Ziel einsetzt, wird zum Gewinn für jeden Teilnehmer.
Da solche Gruppen aber labil und störanfällig sind, gibt es einige Bedingungen für ihren Zusammenhalt. Vor allem braucht es große Aufgeschlossenheit, alle Beteiligten müssen sich möglichst unvoreingenommen auf die neuen Menschen und Erfahrungen einlassen, die ihnen nun begegnen. Darüber hinaus ist auch ein gutes Timing relevant: Denn wer den richtigen Moment verpasst, könnte allein zurückbleiben und bei den anderen vielleicht sogar noch Misstrauen erwecken.
Die aktuelle Lernphase stellt uns die Frage, mit welchen sozialen Gruppen oder Ideen wir uns identifizieren – wo wir also hingehören (wollen). Einen „guten Platz“ erkennen wir daran, dass sich ein entspanntes Gefühl von Harmonie und Verbundenheit einstellt. In so einem Kreis fühlen sich alle Mitglieder als ebenbürtige Teile eines Ganzen. Sie unterstützen und ergänzen sich, was gerade in schwierigen Zeiten Gold wert ist. Ihre gemeinsamen Interessen und Erlebnisse - die Erfahrung, dass alle in einem Boot sitzen - stoßen gruppendynamische Wachstumsprozesse an und schaffen festen Zusammenhalt. Dazu braucht die Gemeinschaft aber einen Mittelpunkt, wo die Fäden zusammenlaufen. Egal ob eine Person oder ein kollektives Anliegen im Fokus steht, von diesem Brennpunkt strahlt eine Kraft aus, die die individuellen Bemühungen potenziert und gerade für unsichere oder orientierungslose Menschen große Anziehungskraft hat.
Wer so eine Gruppe leiten will, trägt große Verantwortung, seine Aufgabe erfordert Toleranz und Weitherzigkeit. Hier braucht es die richtige Person am richtigen Ort zur richtigen Zeit! Es heißt also gewissenhaft zu prüfen, ob wir diesem Anspruch gewachsen sind - sonst würden wir nämlich mehr Verwirrung als Nutzen stiften. Eine gute Führungspersönlichkeit braucht eine charismatische Ausstrahlung, die ihre Mitstreiter motiviert, ihr Bestes zu geben. Wenn sich jeder nach seinen Fähigkeiten und Neigungen in das gemeinsame Projekt einbringt, kann ein beziehungsloser Haufen verstreuter Einzelkämpfer zu einem produktiven Arbeitsteam zusammenwachsen. Dabei spielt es eine wichtige Rolle, dass der Sprecher der Gruppe die verbindenden Ideale und Werte hervorhebt und in seiner Person verkörpert. Das wird ihm nur glaubhaft gelingen, wenn er seine Eigeninteressen hintanstellt und sich einer übergeordneten Wahrheit verpflichtet. Er muss sich stets daran erinnern, dass er selbst genau wie alle anderen Teil eines größeren Ganzen ist, andernfalls wird er in die Fallen dieser Konstellation geraten.
Dabei sind zwei Punkte besonders kritisch: Zum einen erliegt man im Mittelpunkt einer wohlgesonnenen Gemeinschaft nur allzu leicht der Selbstbeweihräucherung, dem Größenwahn oder irgendeiner Form egoistischen Vorteilsdenkens. Man könnte leicht vergessen, dass der geerntete Beifall nur eine Leihgabe auf Zeit ist, solange man sich nämlich als Kanal für einen höheren Auftrag begreift. Gerade weil man hier auch für andere Verantwortung übernimmt, würden sich die negativen Wirkungen niedriger Motive potenzieren. Zum anderen wächst parallel zum Grad der Identifikation mit einer Gemeinschaft auch die Gefahr, sich übermäßig von anderen Gruppen abzugrenzen, so dass es zu einer ungesunden Polarisierung kommen kann: Wir hier gegen die dort! Mit der eigenen Gruppe im Rücken halten wir uns allzu schnell für etwas Besseres als andere, die nicht dazugehören…
Zugehörigkeit
Dieses Hexagramm behandelt das universelle Prinzip der Anziehung durch wechselseitige Sympathie. Die kosmische Logik beruht ja nicht auf rationaler Vernunft, sondern auf unmittelbarer Erkenntnis: Wenn wir mit uns selbst verbunden sind, spüren wir deutlich und ohne Rechtfertigungsbedürfnis, was für uns persönlich stimmt und zu uns passt – man könnte auch sagen: womit wir zusammenhalten.
In der materiellen Ego-Welt hat das Zusammenhalten einen grundsätzlich falschen Kern. Nach ihrer entfremdeten Logik ist es wichtiger, sich an vorgegebene Vorstellungen, Schemata und Regeln zu halten, als die Wahrheit des Augenblicks zu achten. Wir sind wie verhext von der fixen Idee, wir müssten uns an irgendetwas außerhalb von uns selbst orientieren. Aus diesem Grund delegieren wir fragwürdigen Idolen, geistigen Führern, Institutionen oder sozialen Gruppen die Macht, uns zu sagen, wo es im Leben lang geht. Aus der gleichen verqueren Logik heraus klammern wir überlange an Familie, Freunden oder Partnern, auch wenn wir längst schon ahnen, dass wir unseren eigenen Weg gehen müssten.
Zu diesem Kontext gehört ein irreführendes Bild von Einheit und Harmonie - ein Kreis, der zwei Menschen umschließt. Dieses Symbol missachtet und negiert aber die persönlichen Grenzen des Einzelnen. So paradox es klingt: Einheit ist nur möglich, wenn diese Grenzen und die damit verbundene Individualität wechselseitig respektiert werden. Das angemessene Bild für eine wirklich harmonische Beziehung ist damit die liegende Acht: zwei Kreise, die sich an einem Punkt – in Liebe - berühren. Wir sollten uns also nicht mit oberflächlichen Beziehungskriterien zufrieden geben. Nur wenn wir ganz bei uns sind, können wir sinnvolle und stabile Kontakte knüpfen, denn nur unser wahres Selbst ist in der Lage, richtig zu bewerten, was wir fühlen. Diese persönliche Souveränität verbindet uns mit dem Kosmos und schenkt uns ein erfülltes Leben. Sobald wir uns aber mit einer Rolle identifizieren – ob als Konformist oder als Rebell - werfen wir unsere kostbare Unabhängigkeit weg, um uns im Netz der kollektiven Meinungen zu verheddern.
Wandellinie 1
Halte wahr und treu zu ihm: das ist kein Makel.
Wahrheit wie eine volle Tonschüssel:
so kommt schließlich von außen her das Heil.
Aus sich heraus gehen
Wer sich einsam oder unsicher fühlt, sehnt sich nach Kontakt. Dieser Wunsch, Anschluss zu finden, erfüllt sich, wenn wir anderen vorurteilslos begegnen und uns zeigen, wie wir sind. Ein offenes Herz weckt Sympathie und zieht positive Resonanzen an. Äußerlichkeiten und große Worte