Moses, der Wanderer. Friedrich von Bonin. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Friedrich von Bonin
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783741834950
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er, Ramses, wird das Reich groß machen und zusammen halten, ihm, Ramses, schwört am Ende dieses Tages Treue und den gleichen Gehorsam wie mir, dem Vater. Chenar wird seinen Bruder in allem unterstützen. Dafür wird mein zweiter Sohn, Ramses, ihm dienen wie euch allen, indem er dem Reich dient. Beide meine Söhne billigen diese Entschluss, den ich lange und wohl erwogen und mit den Göttern erörtert habe.“

      Sethos machte eine Pause, die niemand zu unterbrechen wagte. Seine Söhne standen neben ihm, Ramses, der jüngere, ihm am nächsten. Ramses war, ebenso wie sein Vater, eine stattliche Erscheinung, er trug die Hakennase seiner Vorfahren und blickte stolz und hochaufgerichtet pfeilgerade in die Menge. Schwarz die Augen und kräftig der Körper, wie er sich unter dem Schurz und dem Überwurf abzeichnete. Kein Muskel regte sich in seinem Gesicht.

      Neben ihm sein Bruder Chenar war kleiner und schmächtiger als Ramses, er hatte die gerade Nase seiner Mutter geerbt, mit eng zusammenstehenden Augen unter jetzt gerunzelter Stirn, die Brauen finster zusammen gezogen, ließ er Zweifel bei den Versammelten aufkommen, ob er wirklich so einverstanden war mit der Entscheidung zugunsten seines Bruders, wie Pharao soeben verkündet hatte.

      Nacheinander rief Sethos nun die Hofbeamten auf und mahnte sie zur Treue gegen Pharao, gegen sich selbst, so lange er regierte und gegen seinen Nachfolger, Ramses.

      „Moses“, rief plötzlich die energische Stimme des Königs, und Moses schrak auf, er hatte sich in der Betrachtung von Ramses und Chenar vertieft, der jüngere von ihnen war etwa fünfzehn Jahre älter als er selbst und hatte überlegt, ob die Entscheidung des Pharao für den Jüngeren Nachfolgekämpfe auslösen könnte. Er hatte nicht damit gerechnet, dass Pharao in dieser Versammlung das Wort an ihn richten würde.

      „Moses", und der falkenartige Blick des Königs traf ihn, „auch du wirst diesem meinem Sohn Ramses treu dienen, hast du verstanden? Auch du wirst der Sache der Ägypter treu dienen und dich weniger um die Sache dieses Hebräervolkes sorgen, um das du dich Berichten zufolge in letzter Zeit zu viel gekümmert hast. Du wirst daher, wenn mein Sohn Ramses meinem Rat folgt, dich der Bautätigkeit meines Sohnes widmen und Aufseher der Bauten des Pharao im Norden werden. Sei meinem Sohn treu und diene den Göttern Ägyptens, dann wirst du dein Glück machen.“

      Und Moses schwor, Ramses treu zu dienen, wenn er Pharao würde, ebenso treu, wie er Sethos, dem Pharao gedient habe und diene.

      III Der Feldzug

      1.

      Zahlreich waren die Götter in Ägypten, so zahlreich, dass keiner der Bewohner des Landes sie hätte aufzählen können. Und dennoch gab es Götter, die von allen verehrt wurden. Da war zuerst und vor allem Amun, der Gott der Götter, dessen Feste in Theben gefeiert wurden, hauptsächlich in Theben. Hier residierte seine mächtige Priesterschaft, ihre Wohnstätte war dem gewaltigen Tempel angeschlossen, insgesamt ein Prachtbau, nur wenig kleiner und weniger prächtig als der Palast des Pharao. Im Gegensatz zum Königspalast, den wenigstens die Kronbeamten von innen kannten, durfte der Tempel des Amun von niemandem betreten werden, außer von den Priestern. Und auch diese lernten nur die Randbezirke kennen, sein Innerstes, Allerheiligstes, war nur dem Höchsten Betreter erlaubt, dem Obersten Priester des Gottes. Seine Macht stand gerade nur der des Pharao nach und kein König, der seine Krone erhalten wollte, hätte es ernsthaft gewagt, Amun und sein Haus zu besteuern oder etwa seinen Priestern Befehle zu erteilen.

      Neben diesem Gott und nur wenig unter ihm verehrten sie Aton, die Sonne am Himmel. Und wie leicht war es, sie zu verehren. Ging sie doch jeden Morgen als glutroter Feuerball am östlichen Horizont auf und bestimmte den Tageslauf der Menschen. Niemand ging freiwillig und unbeschattet in den Tag hinaus, wenn Aton zur Mittagszeit seine höchste Macht entfaltete. Das geistliche Zentrum Atons lag nicht in Theben, sondern in der uralten Stadt, On geheißen, am Nil, dort, wo der Strom sich in sein Delta aufzuteilen begann, am südlichen Ende des Dreiecks also, und dort feierten seine Priester, kahlgeschoren und weise, die Feste des Aton.

      Waren Amun und Aton Götter des Tages und des Lebens, so beherrschte Osiris die Nacht, den Tod und den Westen. Einmal im Jahr begab sich Amun, der auf der Ostseite des Nils in seinem Tempel residierte, nach Westen über den Nil, um Osiris zu besuchen, ein Treffen zwischen Tag und Nacht, Tod und Leben, ein Ereignis, das einen der Höhepunkte des religiösen Jahres der Ägypter darstellte. Osiris war der Gott des Todes, ihm wurden zahlreiche Bauten am Westufer des Nils errichtet, Tempel des Gottes oder Grabmale der Edlen Thebens. Jeder Vornehme begann mit seinem Erwachsenenleben den Bau seines eigenen Totenhauses, in dem er dereinst, wenn er nach Westen ging, in den Tod, bestattet werden wollte. Hier in seiner Grabstätte, würden eines fernen Tages seine Taten gemessen und unterschieden zwischen seinen guten und seinen bösen Taten, sein weiteres Ergehen hing von dem Ergebnis dieses Wägens ab. Osiris war ein Gott, auf dessen Wohlwollen alle Ägypter hofften und dessen Feste keiner versäumte.

      Und schließlich gab es den Gott, den der Strom verkörperte, der Nil, den Spender allen Lebens und, in Zeiten des Hungers, des Todes. Chapi, den starken Stier, nannten sie ihn und verehrten ihn und huldigten ihm, damit er jedes Jahr aufs Neue den Segen bringe, den Segen des Wassers und des Überflusses an Wasser. Denn wörtlich floss der Strom in jedem Jahr im Hochsommer über, er trug von seinem Ursprung her, im fernen Nubierland, ein Übermaß an Wasser, das sein Bett nicht bewältigen konnte, so dass er über die Ufer trat und das umliegende Land überschwemmte. Singend und tanzend begingen die Ägypter jedes Jahr im letzten Monat des Hochsommers das Fest des überschießenden Wassers, maßen täglich, stündlich, den Stand des Nils und jubelten, wenn er stieg, dämpften ihren Jubel, wenn er seinem Höhepunkt nahe war, warteten ängstlich, ob er weiter stieg oder ob er auf der fruchtbaren, erträglichen Höhe blieb. Denn wenn er zu hoch stieg, verwüstete er mit seinem überschwemmenden Wasser die umliegenden Dörfer und Städte, die sie gesichert hatten gegen eine gemäßigte, Segen bringende Flut, aber nicht sichern konnten gegen zu viel Wasser, weil gegen eine solche mächtige Flut an einen Schutz schlechterdings nicht ernsthaft zu denken war.

      Das richtige Maß an Wasser daher, das war es, worum die Menschen beteten und weshalb sie Chapi, den Stier, verehrten, denn nach dem Hochwasser, wenn der Gott sich in sein Bett zurückgezogen hatte, ließ er alljährlich schwarzen, fruchtbaren Schlamm zurück und in diesen Schlamm begann ein Säen, Pflanzen unter Lobgesang und in der angemessenen Zeit nach dem Befruchten der Erde begann die Ernte, segensreiche Zeit und Zeit des Überflusses, der die Menschen wiederum feiern und singen machte.

      Stieg er aber nicht, Chapi, der Starke Stier, der Strom, blieb er in seinen Ufern, brachte er kein Übermaß an Wasser, so war dies noch unerträglicher, als wenn er zu viel der Flut brachte. Kein fruchtspendendes Wasser in den bestellten Feldern, kein Tropfen in den kunstvoll angelegten Bewässerungskanälen, und daher auch keine Frucht, keine Ernte, sondern Hunger und Hungersnot und, wenn der Stier im zweiten Jahre ausblieb, wohl gar ein Massensterben wegen Hungers. In grauer Vorzeit sollte es vorgekommen sein, dass der Fluss angeblich sieben Jahre lang keine Überschwemmung zustande gebracht und nur deshalb das Land überhaupt überlebt hatte, weil da einer Vorsorge getroffen haben sollte.... Aber das war eine Geschichte aus einer weiten Vergangenheit, die sich im Dunklen verlor und an die sich niemand ernsthaft gerne erinnern ließ.

      Und mit dem Stier stieg und fiel die Wohlfahrt und die Ruhe des Staates, eines Staates, das aus dem Norden und dem Süden, dem ehemaligen Nubierland, zusammengesetzt war und das von dem König beider Länder, dem Pharao, regiert wurde. Pharao war verantwortlich für die Wohlfahrt, Pharao war verantwortlich für das Ansteigen des Nils und Pharao verdankten sie das Hochwasser, den schwarzen Schlamm und den Segen der folgenden Ernte. Stieg der Nil nicht, so zürnten die Götter dem Land und ihrem Pharao und Pharao mochte sehen, wie er sie befriedete.

      Für alles und jedes hatten sie Götter, die Ägypter, in allem verehrten sie Gottheiten, in den Schlangen der Wüste, in den Löwen aus dem Süden, Bastet, die Katzengöttin, trieb im Norden ihr Wesen und alle bestanden sie nebeneinander, verlangten nur, dass man sie verehre neben den anderen Göttern und waren huldvoll zu den Menschen, die ihnen huldigten.

      Selbst neue Götter offenbarten sich den Menschen, aus dem hohen Norden, aus dem Land der Syrer, kam Baal, die Göttin der Fruchtbarkeit und fand ihre Anhänger unter den Bewohnern Ägyptens und niemand wurde scheel angesehen, weil er außer den schon vorher bekannten Göttern