„Und wieso seid ihr aus Theben weggezogen und hierher, nach Pitom, gekommen?“, fragte er tonlos.
„Zwei Monate später erschienen wieder die bewaffneten Palastbeamten an unserer Tür, verbannten uns nach Pitom und verurteilten Amram zur Zwangsarbeit hier. Wir konnten nicht einmal das Notwendigste packen und wurden, Vater, Mutter, Sohn und Tochter, auf ein Schiff geladen und hierher gebracht, ohne die geringste Möglichkeit der Gegenwehr.“
Wieder entstand eine lange Pause.
„Also habe ich einen Bruder und vor allem, eine Schwester?“, fragte Moses dann leise.
„Ja, dein Bruder ist jetzt ungefähr vierzehn, wir erwarten jeden Tag, dass er zur Arbeit geholt wird von Dan, unserem Dorfältesten, der die arbeitsfähigen Männer den Ägyptern melden muss. Miriam ist zehn, sie spielt draußen mit ihren Freundinnen.“
Der Tag verging wie im Flug mit Erzählen und Zuhören, bis am Abend Amram nach Hause kam, ächzend zog er sich den
Schurz aus, den er bei der Arbeit getragen hatte und wusch sich mit Sand, aus dem der Hüttenboden bestand.
„So, du bist also unser Sohn Moses, den sie uns in Theben weggenommen haben und dem wir verdanken, dass wir hier in Pitom schuften müssen“, sagte er finster und sah den jungen Mann vor sich scharf an, „und woher wissen wir, dass er wirklich unser Moses ist und nicht ein ägyptischer Spion?“, fragte er seine Frau, „bei uns gibt es Gerüchte, dass die täglichen Leistungen erhöht werden sollen, unser Vorarbeiter Dan hat auf dem Rückweg davon gesprochen. Hier dieser Moses kann von den Ägyptern geschickt sein, um unsere Erschöpfung am Abend zu überprüfen.“
Moses wandte sich gekränkt ab, aber er verstand, was Amram meinte und konnte ihm schlecht erwidern. Aber Jochebed stand ihm bei.
„Amram", ermahnte sie ihren Mann, „sieh ihn doch genau an, sieht so ein Ägypter aus? Haben sie so helle Haut wie dieser da? Und spricht nicht dein Herz für ihn, wie meines sofort für ihn Partei ergriffen hat? Er sieht doch tatsächlich wie unser Sohn aus, sieh nur die Ähnlichkeit mit Aaron.“
Aber Amram ließ sich nur schwer beruhigen und überzeugen, Moses verabschiedete sich, weil es schon dunkel war und er nach Pitom zurück wollte.
„Bestimmt komme ich morgen wieder, und wir reden weiter, ich will auch meine Geschwister kennen lernen.“
Mit diesen Worten und einer Umarmung für Jochebed ging er ruhigen Schrittes davon in die Dunkelheit, die ihn bald verschluckte, unbemerkt von Simon und seiner Bande, die kurz danach bei Amram nach ihm fragten und die Antwort erhielten, nein, Moses sei schon vor Stunden gegangen.
7.
Der Pharao, Sethos, war ein eindrucksvoller Mann trotz seiner, wie er glaubte, ungefähr siebzig Jahre. Groß, stattlich von Gestalt, mit einem kantigen Gesicht mit der markanten Adlernase, die ihn und seine Vorfahren auszeichnete und mit den scharfen Augen, die seine Autorität, die Autorität des Pharao, bis in die letzte Ecke seines Palastes brachten, bis zu dem kleinsten Höfling, der sich dort unsichtbar zu machen versuchte.
Alle hatte Sethos zusammen gerufen, seinen gesamten Hof, alle Würdenträger, aus allen Teilen des Reiches die höchsten Verwaltungsbeamten, und als Mitglied des Hofes hatte auch Moses den Eilbefehl erhalten, sich sofort von Pitom auf den Weg zu machen zu der großen Hofversammlung, die der König einberufen hatte. Er solle, so lautete der Befehl, nicht säumen auf der Fahrt, sondern die schnellsten Ruderer auf das schnellste Schiff befehlen und mit diesem Schiff auf dem schnellsten Wegen, ohne auch bei Nacht anzuhalten, nach Theben fahren. Erstaunt hatte Ptoma ihm den Befehl verkündet, enttäuscht auch, dass er selbst nicht eingeladen war, er hatte seine Stellung für bedeutender gehalten, aber den Befehl an Moses, diesen Hebräerfreund, hatte er ohne Zögern weitergegeben.
Moses wusste, wenn ein solcher Dringlichkeitsbefehl erging, dann war Zögern nicht angebracht, man hatte später Pharao für jede Minute Verspätung Rechenschaft abzulegen und Pharao konnte sehr unangenehm sein, wenn man seinen Befehlen nicht sofort Folge leistete.
„Welches ist deine schnellste Barke?“, hatte er Ptoma gefragt und Ptoma, ebenso an Gehorsam gegenüber dem König gewöhnt, hatte ihm sein eigenes Schiff zur Verfügung gestellt, mit seinem besten Kapitän, dem einzigen, wie er betonte, der sich trauen würde, den Nil auch bei Nacht zu befahren, den einzigen auch, der seine Mannschaft bewegen konnte, nachts weiter zu fahren.
War das eine Fahrt gewesen!
Der Kapitän des Schiffes, ein Mann namens Sesostris, war unverzüglich aufgebrochen, der Wind stand mit ihnen, aber der Strom gegen sie. Und so hatte Sesostris befohlen, den ganzen Weg lang trotz der gesetzten Segel zu rudern, er hatte drei Mannschaften Ruderer, die ununterbrochen, tags und nachts, arbeiteten. Des Nachts hallte der Fluss wider von dem Klatschen der Ruder auf dem Wasser und von dem flüsternden Gesang der Mannschaften, die alle Götter anflehten, ihnen das Vergehen, nachts auf dem Strom zu fahren, zu verzeihen. Moses stand mit Sesostris auf dem Achterdeck der Barke, beide lauschten dem Gesang der Ruderer und den Zurufen der beiden Männer, die vorne am Bug Ausguck hielten und den Kapitän warnten, wenn ein Hindernis auf dem Fluss auftauchte. Gab es kein Hindernis, riefen sie dennoch ununterbrochen ihr melodisches „Strom frei!“. Moses hatte Sesostris gefragt, warum sie ihre Stimmen nicht schonten, wenn es kein Hindernis gebe. Sesostris hatte gelacht, „damit sie mir nicht einschlafen und ich jederzeit kontrollieren kann, ob sie noch wach sind.“
Und tatsächlich, die Reise, für die Moses auf der Hinfahrt mehrere Wochen gebraucht hatte, war in wenigen Tagen beendet. Wohlbehalten kam das Schiff in Theben an, wo Sesostris an der Anlegestelle sofort vier Sänftenträger für Moses herbeigerufen hatte, die ihn in den Palast bringen sollten, nicht ohne dass Moses den tapferen Kapitän reichlich belohnt hatte.
Drei Tage später stand Moses in dem Audienzsaal des Palastes und bewunderte die großen Herren, die sich hier auf Befehl des Pharao eingefunden hatten.
Prächtig war der Saal, in dem die Zweihundert Edlen versammelt waren, geschmückt. An den Wänden zwischen massiven Rahmen aus purem Gold die Reliefs, die den König in jungen Jahren zeigten, wie er als Kronprinz erst die Hethiter am Rande der Nordgrenze besiegt hatte und dann an die Südgrenze geeilt war, um die Libyer, die den König schwach und den Kronprinzen weit im Norden wähnten und gegen Ägypten aufstanden, zu zähmen. Hier war eine Szene zu sehen, wie der junge Sethos vom Streitwagen herunterstieg und die Rücken der besiegten Feinde als Stufen benutzte, dort war er dargestellt, wie er drei Feinde im Kampf enthauptete und ein drittes Relief zeigte ihn mit einer Delegation der Hethiter, die ihm ihre Abgaben entrichteten. Zwischen diesen Kunstwerken Statuen der Götter, die die Ägypter verehrten, Amun vor allen Dingen, vor dessen Bild die Hohepriester dieses Gottes sich versammelt hatten, fast ebenso reichhaltig gekleidet wie der König selbst, aber eben nur fast. Der Schmuck vor allem fehlte ihnen, den Pharao angelegt hatte, die königliche Brustplatte aus reinem Gold, sehr schwer, aber Pharao trug sie trotz seiner Jahre ungebeugt, und die Königsschlange, die unter seiner Krone über der Stirn thronte.
„Herrschaften, Freunde und Beamte“, begrüßte Pharao Sethos die Anwesenden mit mächtiger Stimme und sofort endete das Gesumme der verschiedenen Gespräche, die vorher den Raum erfüllt hatten, „meine Hohe Gemahlin Tuja, die ihr hier neben mir seht, hat mit mir gemeinsam beschlossen, euch heute zu dieser Versammlung zu laden. Seht, ich vollende in diesen Tagen meine siebzig Jahre, fünfzehn davon war es mir vergönnt, dieses Reich zu beherrschen. Ich fühle, wie mein Leben in mir schwächer wird“, er bezähmte mit ausgebreiteten Armen den gemurmelten Protest der Versammelten, „euer Widerspruch ehrt mich, aber ich werde binnen Kurzem zur Sonne werden wie meine Väter und mich zu ihnen in der Sonne versammeln. Meine Grabstelle ist in diesen Tagen zu Ende errichtet worden und es ist an mir, euch meine Wünsche mitzuteilen, die ihr erfüllen sollt, wenn ich abberufen worden bin.
Zuerst und vor allem: Ich habe zwei Söhne, hier, mein ältester Sohn, Chenar und