„Eben“, bestätigte Hape befriedigt, „und deshalb können wir da nicht durch.“
Die anderen murmelten zustimmend und waren beruhigt, als Moses nachdenklich finster zu Boden blickte und nickte.
„Und doch müssen wir da durch. Nakht“, sprach er den jüngsten der Unterführer an, „was würdest du tun, wenn du den Weg nehmen müsstest?“
Nakht war ein junger Mann, nur wenig älter als Moses, der sich aber schon in Kämpfen hervorgetan hatte, ein muskulöser Mensch, klein, zäh mit unverhältnismäßig großem Kopf. „Ich weiß nicht, Moses“, antwortete er zögernd, „wenn ich etwas tun müsste, was nicht durchzuführen ist, würde ich versuchen, meinen Plan zu ändern. Vielleicht könnten wir auf der anderen Seite, östlich des Stromes, marschieren?“
„Geht nicht, zu besiedelt, der Feind würde davon erfahren. Nein, wir müssen nach Westen. Also, Nakht, was nun?“
„Den Plan nochmal ändern?“, fragte der junge Mann unsicher.
„Eben“, Moses sah die anderen scharf an, „wir haben es mit Schlangen zu tun, wenn der Plan undurchführbar ist, müssen wir ihn aufgeben und etwas anderes suchen. Aber ist er wirklich undurchführbar? Hape, wer ist der größte Feind der Schlangen?“
„Der Mensch“, antwortete der Unterführer ohne Zögern.
„Aber wenn für den Menschen die Bekämpfung zu gefährlich ist, wer ist der nächste Feind?“
„Richtig, der Ibis, der Schlangenadler“, Nakht schlug sich an die Stirn, „wir können die Schlangenadler einsetzen, aber wir brauchen sehr viele“, wendete er sich an Moses.
„Genau, Schlangenadler fressen während der Brutzeit bis zu zweihundertvierzig Schlangen, danach ein bis zwei pro Tag, sie sind nicht immun gegen deren Giftbisse, haben aber eine Hornhaut an Krallen und Beinen, die die Giftzähne nicht durchdringen können. Deswegen werden wir in vierzehn Tagen losmarschieren und bis dahin alle dressierten Schlangenadler, die im Reich gefunden werden, hier zusammenrufen. Wir werden sie mitführen und in der Nacht, in der wir in der Oase lagern, auf die Schlangen loslassen. Wir können dabei einige verlieren, die gebissen werden, aber die anderen werden die Schlangen so dezimieren, dass wir durchkommen.“
6.
Tatsächlich brach Moses nach vierzehn Tagen auf mit einer Streitmacht von dreitausend Kämpfern, davon fünfhundert Bogenschützen und dreihundert Streitwagen, die bei den Feinden Ägyptens besonders gefürchtet waren, waren doch an ihren Rädern Messer montiert, die bei Beginn des Kampfes ausgeklappt und festgestellt werden konnten. Fuhr ein Streitwagen durch eine Ansammlung von Feinden, verursachte er furchtbare Wunden, die eigentlich nicht tödlich waren, weil sie in Höhe der Beine bis zu den Hüften zugefügt wurden, aber meistens deshalb zum Tode führten, weil sie nicht heilten. Ein stattlicher Zug war das, am Anfang Moses auf seinem edlen Reitpferd, das er aus Pharaos Ställen sich hatte aussuchen können, selbstbewusst zu Pferde sitzend, mit seinem Helmbusch als Kopfschmuck, der ihn als Feldherrn auswies und der prächtigen Kriegerrüstung aus gehärtetem Leder. Kein Zweifel war in seinem Gesicht zu lesen, pfeilgerade blickten seine Augen unter den dichten Brauen, klar und nicht grüblerisch sein Gesichtsausdruck, seine Stirn faltenfrei.
„Moses, ich vertraue dir“, hatte Pharao zum Abschied gesagt, aber es hätte dieser Worte nicht bedurft. Kaum hatte Moses in einer Unterredung unter vier Augen dem König seinen Plan geschildert, nicht nilaufwärts zu ziehen, sondern mit Schlangenadlern durch die Wüste und den Nubier und seine Streitmacht unvermutet von Westen anzugreifen, hatte Pharao sich von seinem Thron erhoben, hatte Moses umarmt und ihn strahlend angesehen.
„Ich wusste ja, dass ich den Richtigen für diese Aufgabe ausgesucht habe, Moses, ich finde diese Idee hervorragend. Ich werde umgehend Boten in alle Falknereien schicken und anordnen, dass alle Ibisse nach hier, nach Theben, gebracht werden. Soweit das möglich ist, werde ich diese Befehle geheim halten, wir beide werden mit meinen Falknern die geeigneten Vögel aussuchen, die dich dann begleiten werden. Und ich werde noch ein weiteres tun: An meinem Hof gibt es einen Heilkundigen, der seine Arzneien aus Schlangengift zuzubereiten pflegt, Bakhnen heißt er. Er ist ein großer Kenner von Schlangen, hält sie auch in seinem Haus, ich weiß nie, ob sie zahm sind oder warum sie ihm sonst nicht schaden. Dieser Bakhnen wird dich begleiten, er wird dir nützlich sein, wenn ihr in die Schlangenwüste kommt.“
Daher ritt nun gleich hinter Moses und seinen Unteranführern ein kleiner buckliger Mann, mindestens doppelt so alt wie Moses, auf einem Maultier, an dessen Seite Weidenkörbe hingen.
„Schlangen willst du mitnehmen?“ hatte Moses ihn entsetzt gefragt, als er nach dem Inhalt der Weidenkörbe gefragt hatte.
„Selbstverständlich, Moses, alle Arten von Vipern sind in den Körben“, hatte Bakhnen geantwortet, „was glaubst du, wer sie versorgen soll, wenn ich nicht da bin? Und vielleicht können sie mit ihrem Gift uns noch manchen Dienst erweisen, ich gewinne Gegengift aus ihren Zähnen, das ich nicht vorher herstellen kann, es verdirbt zu schnell.“
Moses hatte nachgegeben, warf aber ab und zu einen Blick zurück auf die Körbe, um sich zu vergewissern, dass sie geschlossen waren.
Nach Westen wandten sie sich, eine Tagesreise weit, geführt von einem ortskundigen Jäger, der die Wüste kannte und dem Moses vertraute, immer nach Westen, ohne dem Feind auch nur einen Meter näher zu kommen. Am Abend lagerten sie mitten in der Wüste, sie brauchten keine Vorkehrungen zu treffen, kein Feind war zu erwarten, kein wildes Tier, das sich annähern würde, nur sie selbst. Und so schlugen sie ihr Lager auf, brachen es früh am nächsten Morgen wieder ab und wandten sich nach Norden, immer weiter, bis sie am Ende des Tages eine Oase erreichten, in der eine Familie allein wohnte und ihr Dasein fristete. Die Menschen waren zuerst erschrocken, als sie eine so große Streitmacht auf ihre Heimat zukommen sahen, beruhigten sich aber bald, als Moses mit zwei Begleitern als Vorhut zu ihnen kam und ihnen erklärte, ihr Heer bräuchte nichts zu essen, nur viel Wasser, für sich selbst und ihre Tiere.
„Fürchtet euch nicht, wir werden euch nichts stehlen und auch nichts tun, wir brauchen nur viel Wasser, wir werden es euch reichlich lohnen. Morgen ziehen wir wieder ab.“
Beruhigt versprach der Familienvater, bei der Tränke zu helfen. Das Heer lagerte in einiger Entfernung, Reiterketten brachten das nötige Wasser, das in der Oase reichlich war, schnell zu den Menschen und Tieren, nur Moses und seine Unterführer schlugen ihr Lager bei den Gastgebern auf, die feuchte Luft und die leichte Kühlung genießend.
Der Sonnenaufgang des nächsten Tages sah das Heer schon wieder auf dem Marsch. Noch in der Dunkelheit waren Wasservorräte von der Oase zum Heer transportiert worden, jeder Mann hatte sich satt getrunken und einen Vorrat mitgenommen, für sich und für die Tiere, die sie mitführten.
„Wir nehmen nur so viel mit, wie wir in zwei Tagen verbrauchen, keinen Tropfen mehr“, befahl Moses.
„Und wenn der Jäger sich täuscht und wir länger als zwei Tage bis zur südlichen Oase brauchen?“, fragte kritisch ein Unterführer.
„Der Jäger täuscht sich nicht“, Moses Stimme war kalt und schneidend, „und wenn doch, werden wir Durst leiden.“
Stunde um Stunde zog das Heer durch die Wüste unter der brennenden Sonne, die Männer schlurften müde durch den weichen Wüstensand, nur angetrieben durch die eiserne Energie ihres Feldherrn und die Hoffnung auf die reiche Belohnung, die ihnen versprochen war, wenn sie diesen aufständischen Sklaven besiegten. Schwer trugen sie an ihrem Gepäck und an den Waffen, aber kein Ton des Widerspruches erhob sich, am Tag nicht und auch nicht, als sie gegen Abend auf Befehl ihrer Unterführer Halt machten und ihre Zelte errichteten, die gegen die nächtliche Kälte schützen sollten. Der zweite Tag verging ebenso langsam und eintönig, gegen Abend erhob sich ein unbestimmtes Gerücht unter den Kriegern, der Jäger habe den Weg verfehlt, längst müsste die Oase in Sicht sein. Nichts war zu sehen, keine Palme, kein Baum, kein Strauch, die darauf hindeuten könnten, dass sie sich auf dem richtigen