NO auf Bildungsreise. Bernd Franzinger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernd Franzinger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738016772
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gell? Aber das haben wir gleich«, sagt NO und zaubert ein Schälchen mit feingehackten Zwiebeln und einen randvoll mit dampfender Bohnensuppe gefüllten Teller auf die Bank. »Bitte schön.«

      Gero traut seinen Augen nicht. »Wie hast du denn das gemacht?«

      »Soviel ich weiß, hast du als Jugendlicher keine Folge der Serie ›Raumschiff Orion‹ verpasst.«

      »Stimmt.«

      »Da nannte man diesen energetischen Transformationsprozess ›beamen‹. Also lassen wir es einfach bei diesem Begriff.«

      Gero rümpft die Nase. »Aber ich möchte jetzt nichts essen«, weigert er sich.

      NO breitet enttäuscht die Ärmchen aus. »Gut, von mir aus. Dann gehst du eben zuerst ein bisschen spazieren. Das wird deinen Appetit sicherlich anregen. Aber wenn wir zurück sind, wird gegessen und gepupst. Ist das klar?«

      Gero nickt mit verknittertem Gesicht.

      »Klar wie Kloßbrühe?«

      »Ja«, grummelt Gero und schlendert mit hängendem Kopf los. Er schlägt den Heimweg zu seinem Haus ein.

      Ein riesiger kugelrunder Mond hat sich inzwischen über die Tannenspitzen geschoben und taucht den Wald, die Lichtung und die feuchten Wildwiesen in fahles Licht. Ein Waldkauz stößt seine tremolierenden huuuu-huhuhu-Laute aus. Gero jagen eiskalte Schauer den Rücken hinunter.

      NO schwebt wie eine kleine Wolke neben ihm her. Nach hundert Metern bleibt Gero stehen und wendet sich seinem außerirdischen Begleiter zu.

      »Unser Gespräch war wirklich sehr interessant, NO, aber jetzt bin ich hundemüde und möchte nach Hause in mein Bett. Es war wirklich toll, dich kennenzulernen«, flötet er. »Also, tschüss, mach’s gut.« Gero erteilt seinen Beinen den Befehl, weiterzugehen, doch sie gehorchen ihm nicht.

      »Danke für die Blumen, werter Erdenbürger«, entgegnet NO, der Gero nun wie ein Mond umkreist. »Aber du brauchst dich gar nicht so widerlich bei mir einzuschleimen, denn dein Bett kannst du dir getrost abschminken. Das wirst du in dieser Nacht nämlich nicht mehr sehen, schließlich habe ich noch einiges mit dir vor.«

      »Und was?«, fragt Gero, dem vor Entsetzen die Kinnlade heruntergefallen ist.

      »Wart’s ab. Übrigens enttäuschst du mich gerade gewaltig.«

      »Wieso denn?«

      »Ich habe dir doch vorhin eröffnet, dass ich die vollständige Energiekontrolle über deinen Körper besitze. Hast du das etwa schon vergessen?«

      »Nein, nein«, stammelt Gero.

      »Na, dann ist ja nun hoffentlich alles geklärt zwischen uns beiden.« NO saust in einem Höllentempo noch ein paarmal um Gero herum. Dann bremst er scharf ab. »Huch, war das flott.« Er summt genießerisch. »Ich lieeebe diesen Geschwindigkeitsrausch. Du auch?«

      Gero bläst die Backen auf und knattert wie ein tuckernder Rasenmähermotor.

      »Quatsch. Du fährst ja auch einen dieser lahmen Koreaner – das Standardauto der Gesamtschullehrer, mit dessen Kauf ihr die Arbeitnehmer der deutschen Automobilindustrie unterstützt.«

      NO lässt seine Antennen tanzen. »Dafür hab ich ja auch durchaus Verständnis, denn wenn’s um den eigenen Geldbeutel geht, ist sich eben jeder zunächst einmal selbst der Nächste, gell?«

      Geros Sprechwerkzeuge sind eingefroren. Hilflos muss er mit ansehen, wie er mit stocksteifen Beinen wie auf Schienen zurück zur Sitzbank gefahren wird und dort unfreiwillig Platz nimmt.

      »Halb zog es ihn, halb sank er nieder«, kommentiert NO. Er wartet, bis Gero ihn anschaut, dann fragt er: »Hast du nun endlich Hunger?«

      Trotzig schüttelt Gero den Kopf.

      »Gut, dann unterhalten wir uns eben weiter. Ich möchte gerne noch einmal auf deine eigene Schulzeit zu sprechen kommen. Bist du damit einverstanden?«

      Sein Gegenüber zuckt resigniert mit den Schultern. »Ich hab wohl keine andere Wahl.«

      »So ist es«, bestätigt das gnomenhafte außerirdische Wesen, das nun plötzlich eine grellgelbe Farbe annimmt.

      Gero erschrickt und verschränkt die Arme vor dem Gesicht.

      »Bist wohl ein kleines Sensibelchen, was?«, spottet NO und verwandelt sein Outfit in ein sattes Orange, das er sogleich mit der entsprechenden Duftnote untermalt. »Was hältst du von diesem Geruch? Aromatisch, gell?«

      Gero nickt, woraufhin NO vor Freude wie ein Ferkelchen quiekt. Gero starrt ihn irritiert an.

      »Ich wundere mich ab und an selbst über die mir einprogrammierten akustischen Signale«, bemerkt der kleine Kerl lapidar. »Angeblich sind die menschlichen Geräusche ja auch nicht von schlechten Eltern. Iss jetzt endlich etwas, damit du pupsen kannst!«

      »Ich hab aber doch keinen Hunger«, zeigt sich Gero weiterhin stur wie ein störrischer Esel. Er verschränkt die Arme vor dem Körper und richtet seine zu schmalen Schlitzen verengten Augen auf die nächtliche Stadt.

      »Apropos Eltern, beziehungsweise Elternteil. Im konkreten Fall deine Mutter«, sagt NO.

      Gero reißt den Kopf herum. Ein höllischer Schmerz fährt ihm ins Genick. Er knetet die Nackenmuskulatur und stöhnt: »Was ist mit ihr? Lass doch die arme Frau in Ruhe, die ist schon lange tot.«

      »Aber damals, als du geboren wurdest, hat sie noch gelebt, nicht wahr?«

      »Ja, sicher. Sie ist vor 20 Jahren gestorben, und da war ich bereits 40 Jahre alt.«

      »Du warst also mal ein Kind.«

      »Ja, sicher war auch ich ein Kind, als ich klein war. Was soll diese blöde Frage? Das Thema hatten wir doch vorhin schon mal«, beschwert sich Gero, dem NOs merkwürdiges Nachbohren immer mehr auf den Wecker geht.

      NO ignoriert das Gezeter. »Sind eigentlich alle Menschenkinder gleich schlau?«, will er wissen.

      »Wie meinst du das?«

      »Verfügen alle Kinder über den gleichen Intelligenzquotienten?«

      Gero schürzt genervt die Lippen. »Nein, natürlich nicht. Jeder Mensch«, er rollt die Augen, »und damit also auch jedes Kind, ist einzigartig auf der Welt.«

      »Die Menschen sind also nicht gleich, wenn sie auf die Welt kommen?«

      »Nein«, erwidert Gero, wobei er das Wort wie einen Kaugummi in die Länge zieht. »Jeder Mensch ist von Natur aus hinsichtlich seines Aussehens, seiner Persönlichkeit und seiner Intelligenz anders ausgestattet.«

      Plötzlich reißt er beide Hände empor, so als habe er gerade eine heiße Herdplatte berührt. »Wobei die Anlagen, also die genetische Grunddisposition eines Menschen, gegenüber den Umweltbedingungen, in denen er aufwächst, eine sehr untergeordnete Rolle spielen.«

      »Das heißt?«

      »Das heißt, ein Mensch ist bei seiner Geburt nicht sofort das, was er später ist, sondern er wird erst zu dem gemacht, was er später ist.«

      »Hm«, brummt NO. »Komplizierter geht’s nicht, oder? Wer macht was aus wem?«

      Gero öffnet die Arme zu einer beschwörenden Geste. »Ganz einfach: Das Kind kommt als tabula rasa …«

      »Als abgeschabte Tafel – wörtlich übersetzt«, fällt ihm NO ins Wort. »Man hat mir ein lateinisches Wörterbuch einprogrammiert.«

      »Oder umgangssprachlich ausgedrückt, als unbeschriebenes Blatt zur Welt. Die Einflüsse seiner jeweiligen Umgebung – man nennt diese auch Sozialisationsbedingungen, also Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde, Kindergarten, Schule und so weiter formen ihn zu einer unverwechselbaren Persönlichkeit.«

      »Umgangssprachlich ausgedrückt: Ist die Umgebung dumm, wird auch das Kind dumm.«

      »Wie dumm?«, fragt Gero verdutzt.

      »Na ja, eben