»Tempo drosseln auf Aufklärungsgeschwindigkeit«, sagte Vesterham gerade. »Annähern auf zehntausend Kilometer.«
Das Objekt hatte einen Durchmesser von etwa vier Kilometer, was der sechs Kilometer langen Stronghold durchaus Konkurrenz machte. Es vollführte seine seltsamen Sprünge in Abständen von etwa ein bis drei Kilometern.
Morgaine fand die Annäherungsentfernung von zehntausend Kilometern fast noch etwas gering, sagte jedoch nichts.
»Bereiten sie die Kom-Transceiver auf ein starkes Breitbandsignal vor.
Frequenzteiler auf alle Kanäle, AKZ-Priorität.« Vesterhams Stimme klang von Mal zu Mal fester und entschlossener. Morgaine war zufrieden mit ihrer Auswahl.
Das Botschafterschiff hatte sich nun sehr nahe dem fremden Schiff angenähert, wie sie auch auf dem Hologramm erkennen konnte. Wenn etwas passieren sollte, so wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen. Morgaine spürte nichts, weder Angst noch Spannung. Sie war hochkonzentriert.
»Wir senden nun das Begrüßungssignal«, verkündete Vesterham.
Es lag eine fast unheimliche Stille über der Brücke der Stronghold. Lediglich das Summen des PGA und das einiger Computer war zu vernehmen.
Auch auf der Brücke des Botschafterschiffs schien Stillschweigen zu herrschen.
Sie antworten wieder nicht, dachte Morgaine. Sie glaubte nicht an beschränkte Sensor-oder Scanreichweite des fremden Schiffes. Wenn sie geantwortet hätten, hätten sie es schon getan, als die Stronghold versucht hatte, eine Kom-Verbindung aufzubauen.
»Bislang ... keine Reaktion ...«, bestätigte Vesterham schließlich Morgaines Verdacht. »Versuchen optische Signalprozedur.«
Es bestand unter Andragon-Wissenschaftlerkreisen die Theorie, dass eine fremde Rasse nicht zwangsläufig die gleichen Arten der Kommunikation im Raum benutzen musste wie die Andragon-Kantone oder die Krakh. Einige Wissenschaftler glaubten sogar, dass konventionelle Übertragungstechniken rückständig waren und fortschrittliche Rassen durchaus mit visuellen Mitteln Langstreckenkommunikation betrieben. Eine optische Signalprozedur wurde von den Andragon-Kantonen mit unausgereiften Pulslichtvorrichtungen durchgeführt, um in Fällen wie diesem eine Möglichkeit zu besitzen, provisorisch mit visuellen Mitteln zu kommunizieren.
Nach etwa zwei Erdminuten meldete sich Vesterham erneut zu Wort. »Auch in dieser Hinsicht keine sichtbare ... Reaktion ...«
Plötzlich schien einer der Offiziere auf der Brücke des Botschafterschiffes Vesterham zu unterbrechen. »Sir, etwas ... tut sich hier. Etwas an dem Schiff verändert sich.«
Morgaine warf dem Offizier der Scan- und Sensorstation auf ihrer Brücke einen fordernden Blick zu.
»Ich kann das bestätigen«, sagte dieser. »Dieser ... Schleier, der das Objekt umgibt, verändert seine Raumpräsenz. Die Hülle, oder als was auch immer man diese dunkle Struktur bezeichnen soll, scheint seine materiellen Bestandteile ununterbrochen zu verändern.«
Morgaine wurde gereizt. Sie verstand kein Wort. »Konkretisieren sie das so, dass ich es verstehe«, sagte sie bissig.
»Das ist nicht so einfach, Captain.« Der Offizier klang todernst. »Es ... Es ist so. Alles, egal was, besteht aus einem Stoff. Einer molekularen Zusammensetzung. So wie reines Wasser nur aus H2O-Molekülen besteht, verstehen sie was ich meine? Die Hülle des Raumschiffs scheint nicht an dieses Gesetz gebunden zu sein. Aus welchen Stoffen auch immer sie besteht, sie verändern ununterbrochen ihre komplette Daseinsform. Als würde aus H2O auf einmal CO2 werden und im nächsten Moment H2SO3 entstehen, völlig ohne Reaktion oder ohne ... Grund ... Das ist überhaupt nicht möglich! Oder unsere Scanner spielen völlig verrückt ... oder sie werden irregeleitet von irgendeinem Störsignal. Etwas stimmt ni ...«
Es war wohl mehr Morgaines unkontrollierte Nervosität als ihre Wut, die ihre Stimme lauter werden ließ. »Irgendein Signal, irgendetwas ... verdammt noch Mal, konkretisieren sie endlich ihre Angaben, Offizier! Wir sind hier auf einem der fortschrittlichsten Schiffe der gesamten Menschheit und besitzen die besten Technologien überhaupt. Erzählen sie mir nicht, sie hätten nicht die technischen Möglichkeiten, das was hier passiert zu ...«
Weiter kam Morgaine nicht. Auf dem Bildschirm war das fremde Schiff zu sehen, dessen verschwommener Schleier zu zucken und zu pulsieren anfing.
Im nächsten Moment schnellte ein kaum sichtbarer, stummer dunkelblauer Energieblitz daraus hervor und zerfetzte das Botschafterschiff in einer kurzen aufwallenden und sofort erstickenden Explosion. Ein lautes Zischen und eine folgende Stille waren aus dem Kom zu hören. Kaum Wrackteile waren auf dem Monitor zu sehen, wo gerade noch der junge Carl Vesterham mit seiner Fünfzig-Mann-Crew gewesen war.
Morgaine starrte wie von einem Schock getroffen auf den Monitor. Khaust, der die ganze Zeit an einem der seitlichen Verwaltungspulte gesessen und die Situation beobachtet hatte, war aufgesprungen. Auch die anderen auf der Brücke waren entsetzt.
»Eindeutig ... fe ... feindliche Reaktion«, stammelte der Funkoffizier völlig überflüssigerweise, was unter anderen Umständen fast als belustigend betrachtet hätte werden können.
Morgaine schluckte und versuchte sich zu fassen, da es nun ihre Pflicht war.
Sie verdrängte den Gedanken so gut es ging, gerade fünfzig Mann in den Tod geschickt zu haben und ergriff das Wort. »Alarmstufe Rot-Drei.« Ihr Mund war wie ausgetrocknet. »Da wir dieses Verhalten zwangsläufig als feindlich zu deuten haben, werden wir sofort notwendige Maßnahmen vorbereiten.«
Khaust realisierte, dass nun er angesprochen war, obwohl Morgaine immer noch wie gebannt auf den Monitor starrte, auf dem das kaulquappenförmige Objekt umherzuckte, als sei nichts passiert.
»Waffensysteme aktivieren: Geschütztürme, Absolute-Tachyonlanze. Tachyon-Scarlets und Xeter-Geschwader einsatzbereit machen.«
Einige Offiziere warfen ihr fragende Blicke zu. Die Stärke von Xeter-Gefechtskreuzern war enorm. Ein gesamtes Geschwader auf nur ein Objekt dieser Größenklasse loszulassen galt in den Andragon-Kantone wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.
»Und wenn wir ihnen nur Angst machen müssen. Ich darf alle daran erinnern, dass wir die Art der Technologie dieser Spezies nicht kennen. Wir müssen auf alles gefasst sein.« Es war ungewöhnlich für Morgaine, eine verteidigende Haltung vor ihren Untergeordneten einzunehmen, doch die Umstände belasteten sie mehr als vieles, das sie bisher erlebt hatte. Sie wusste, dass wohl viele in diesem Moment dachten, dass ihre Maßnahmen völlig übertrieben waren.
Selbst wenn das Objekt eine unbekannte Technologie besaß, glaubten sie dennoch sagen zu können, dass man mit der unglaublichen Feuerkraft des AKZ ein derartiges Raumschiff ohne Probleme würde ausschalten können. Doch Morgaine war sich seit kurzem mit überhaupt nichts mehr sicher.
Wie aus dem Nichts war die Brücke in Aufruhr. Offiziere steuerten von A nach B, gaben sich gegenseitig hektische Anordnungen und hämmerten verbissen auf den Knöpfen ihrer Konsolen herum. Auch Khaust mischte sich mit eiskaltem Gesichtsausdruck unter das Geschehen und gab die primären Befehle.
Lediglich Morgaine stand auf der Plattform, starrte ausdruckslos wie gewohnt auf den Hauptmonitor und verschränkte die Arme.
Ein lautes Brummen verkündete, dass sich die Absolute-Tachyonlanze des Schiffes auflud. Dieser Vorgang dauerte etwa sieben Erdminuten und fraß enorme Energieressourcen, doch danach würde Morgaine einen Mond zerstören können, wenn sie wollte. Die Kanone konnte jedoch nach Theorie nur einmal pro Zirkulationspfad abgefeuert werden, weil die mangelnden Ressourcen dann keinen weiteren Schuss mehr ermöglichen würden. Am Ende jedes Zirkulationspfades war ein Auftanken der gesamten Schiffsressourcen vorgesehen.
Doch Morgaine befand sich nicht auf einem gewöhnlichen Zirkulationspfad.
Sie war auf einer Sondermission. Dies erschwerte die Energierechnungen zusätzlich.
Plötzlich schrie einer der Offiziere an der Scan-