Morde und Leben - Leber und Meissner. HaMuJu. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: HaMuJu
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847649823
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sich an, was man zu sagen hatte.

      Auf diese Weise hatten sie beide damals Mädchen kennen gelernt, die Bekanntschaften waren aber immer nur von kurzer Dauer. Man ging immer leicht angeheitert wieder nach Hause, wenn man vier bis fünf Halbe getrunken hatte und manchmal wurde auf der Straße randaliert, was die Anwohner regelmäßig auf die Palme brachte, und die die Polizei riefen. Die Polizei sah aber immer nur zu, dass die Leute friedlich blieben und in ihre Autos verschwanden, sie achtete besonders auf die Fahrer, dass diese nüchtern waren und sich nicht etwa besoffen hinter das Steuer setzten. Am nächsten Morgen fuhren KHK Leber und KOK Meissner nach Meerbeck, um einige Anwohner am Klever Platz zu befragen, vielleicht hatte ja doch einer von ihnen beobachtet, wie Birte Schoemakers von ihrem Mörder unter den Busch gezerrt worden war. Sie fuhren mit ihrem Dienstwagen die gleiche Strecke, die sie auch am Mittwoch, als sie zum Fundort von Birtes Leiche gefahren waren, genommen hatten, die Homberger Straße durch die Bahnunterführung und danach links bis zum Klever Platz. Sie stellten ihren Wagen an den Straßenrand und gingen zu der Platzseite, von der aus sie den besten Blick auf den Fundort hatten, man sah allerdings nur das ausladende Buschwerk, mehr nicht. Sie schellten einfach nach Belieben an einer Haustür und eine ältere Frau öffnete ihnen, sie fragte unwirsch, was die Beamten wollten. KHK Leber und KOK Meissner stellten sich vor und fragten:

      „Können Sie sie sich nicht vielleicht erinnern, etwas gesehen zu haben, was mit dem Mord zu tun gehabt hat?“ Ohne groß zu überlegen fuhr sie den Beamten über den Mund sie bemerkte nur:

      „Ich habe der Polizei alles gesagt, was ich weiß“ und schlug den Polizisten die Tür vor der Nase zu. Die Kommissare schauten sich verdutzt an, konnten aber nichts machen, es bestand schließlich keine Verpflichtung, Auskünfte zu erteilen. Sie standen vor einer Reihe renovierter Zechenhäuser, die schmuck aussahen und Gemütlichkeit ausstrahlten, sie hatten einen Vorgarten und waren eingeschossig. Sie boten nicht übermäßig viel Platz, gemessen am heutigen Platzbedarf für Familien jedenfalls, dennoch wurden auf engstem Raum viele Kinder großgezogen, man rückte zusammen und wusste sich mit den beengten Verhältnissen zu bescheiden. Es gab unten ein WC, den Kellerabgang, eine Küche und einen Wohnraum und oben lagen noch zwei Zimmerchen mit Schrägen, das reichte früher vielen Familien aus, es musste ausreichen. Hinter einem solchen Zechenhaus schlossen sich ein Hof und ein großer Garten an, auf dem Hof standen die Kaninchenställe mit den gepflegten Belgischen Riesen, sie gaben sonntags reichlich Fleisch für die Familie, wenn der Vater samstags ein Kaninchen geschlachtet hatte. Manche hielten sich in einem kleinen Koben ein Schwein und mästeten es bis zum Winter, wenn es geschlachtet wurde. Zum Schlachten holte man sich jemanden aus der Nachbarschaft, der sich mit dem Schlachten auskannte.

      Es wurden die Schinken ausgelöst, die Hachsen zur Seite gelegt und die Koteletts geschnitten, aus dem Kopffleisch wurde Sülze gemacht. Die Hauptarbeit aber war das Wursten, das in erster Linie ein Kochen war, Blut- und Leberwurst kamen in Einweckgläser und wurden in den Keller gebracht, wo sie neben das Obst gestellt wurden, das im Sommer eingeweckt wurde. Im Garten hielten sich die Leute damals alles wichtige Gemüse, das zur deutschen Küche gehörte, und jeder verstand etwas von Gartenbau. Die Beamten schellten im Nachbarhaus, als sich aber schon die Tür auftat und ein junges Paar das Haus verließ und sich von der Hausbewohnerin, wahrscheinlich ihrer oder seiner Mutter, verabschiedete. Die Polizisten traten einen Schritt zur Seite, um dem Paar nicht im Weg zu stehen und stellten sich bei der Hausbewohnerin vor. und bevor diese sagen konnte, dass sie schon alles erzählt hatte, gaben sie vor, noch besondere Fragen zu haben und die Frau ließ die beiden herein. Sie gelangten in ein sehr ordentliches und sauberes kleines Wohnzimmer, das für den heutigen Geschmack etwas altbacken eingerichtet war. Die Frau räumte die Kaffeetassen, die noch auf dem Tisch gestanden hatten, in die Küche und fragte die Beamten, ob sie einen Kaffee wollten, es wäre noch frischer Kaffee in der Kanne. Die Kommissare nahmen gern einen Kaffee und die Frau bot ihnen sogar selbstgebackenen Apfelkuchen an, auch davon nahm jeder dankbar ein Stück.

      Sie aßen zunächst ihren Kuchen auf, bevor die Frau sie fragte, was denn das für besondere Fragen wären, die sie hätten und die Beamten rückten mit der zum x-ten Male gestellten Frage heraus:

      „Haben Sie nicht etwas gesehen, was mit dem Mord in Verbindung gebracht werden kann?“ Die Frau reagierte nicht gerade erbost auf diese Frage, war aber auch nicht gerade erfreut, nun doch die alte Leier serviert zu bekommen. Die Polizisten verwiesen darauf, dass sie doch schließlich dem Fundort der Leiche genau gegenüber wohnte, also auch etwas gesehen haben könnte. Die Frau blieb ganz ruhig und merkte an:

      „Ich habe diese Frage schon mindestens zehnmal beantwortet, ich kann doch nicht irgendetwas erfinden, was ich in Wirklichkeit gar nicht gesehen habe!“ Die Kommissare merkten der gelangweilten Stimmlage der Frau an, dass sie besser gingen, bevor sie am Ende noch hinausgeworfen würden, bedankten sich für Kaffee und Kuchen und verabschiedeten sich wieder. Sie kamen sich in diesem Moment vor wie Bettler, die um eine milde Gabe flehten, sie mochten bei solchen Gelegenheiten ihren Beruf nicht besonders, weil sie zu passiven Empfängern von Gnadenakten ihrer Gegenüber wurden. Sie gingen eine Haustür weiter und kamen an das Nachbarhaus, das exakt so gehalten war wie das Haus zuvor, es unterschied sich nur in der Haustür, die irgendwann einmal ausgetauscht und durch eine Kunststofftür ersetzt worden war.

      Sie schellten und wieder öffnete ihnen eine alte Dame, vermutlich waren die Männer tot und die Frauen lebten ein zufriedenes Leben, solange es ihnen körperlich gut ging, finanziell waren sie durch die Witwenrente abgesichert, die zwar nicht besonders üppig ausfiel, sparsamen Menschen aber, die sie waren, zum Leben reichte, das Haus war ja in der Regel längst abbezahlt. Die Beamten stellten sich vor und wurden von der Frau, die vielleicht fünfundsiebzig Jahre alt war, hereingebeten. Sie sagten gleich, dass sie wüssten, dass der Frau die Frage, die sie ihr stellen wollten, schon mehrere Male vorlegt worden wäre. Trotzdem wollten sie von ihr wissen, ob sie nicht etwas bemerkt hätte, was den Mord an Birte Schoemaker betraf. Die Frau antwortete zum Erstaunen der Beamten:

      „Mir hat in diesem Zusammenhang noch niemand eine Frage gestellt, ich kann mir das auch nicht erklären, aber bei mir hat noch nie jemand deswegen geschellt.“ KHK Leber starrte KOK Meissner an und er fragte die Frau direkt:

      „Haben Sie etwas gesehen?“ Sie machte eine kleine Überlegenspause, bevor sie sagte:

      „Ich habe durch Zufall aus dem Fenster im ersten Stock geschaut und in der Dämmerung kaum etwas wahrgenommen, dennoch habe ich jemandem bemerkt, der etwas Großes zum Busch auf dem Platz zerrte.“ Die Polizisten wurden sofort hellhörig und fragten nach, KOK Meissner begann, sich Notizen zu machen, er fragte die Frau:

      „Können Sie nicht genauer sagen, was sie gesehen haben?“ Die Frau antwortete:

      „Ich habe ja schon bemerkt, dass die Dämmerung stark eingesetzt hat und man kaum etwas hat erkennen können.“

      „Hat es sich um einen Mann oder eine Frau gehandelt?“, fragte KOK Meissner nach und die Frau sagte mit absoluter Bestimmtheit:

      „Es ist ein Mann gewesen, den ich gesehen habe, das habe ich an der Art erkannt wie er sich bewegt hat, außerdem hat doch eine Frau kaum das große Etwas zum Busch schleppen können!“

      „Können Sie den Mann nicht beschreiben?“, insistierte der Beamte und die Frau überlegte lange, bevor sie antwortete:

      „Ich glaube, dass der Mann einen grauen Kittel getragen hat, ich kann mich da aber auch täuschen!“

      „Haben Sie ein Auto erkannt?“, fragten die Polizisten nach, aber da musste die Frau passen:

      „Er ist sicher mit einem Wagen gekommen, den hat er aber für mich nicht sichtbar abgestellt. Er hat sein Bündel am Busch abgelegt und ist gleich wieder gegangen, heute weiß ich, dass es sich bei dem Bündel um das Mordopfer Birte Schoemaker gehandelt hat.“ Die Kommissare dankten der Frau über alle Maßen für ihre wichtige Aussage und baten sie:

      „Fahren Sie doch mit uns zur Polizeiinspektion, damit wir dort Ihre Aussage protokollieren können.“ Da erhob die Frau aber schärfsten Protest:

      „Ich will unbedingt noch zum Markt, und wenn ich mit Ihnen führe und gegen Mittag zurück wäre, würde der Markt gerade schließen. Kann ich nicht um 13.00 h kommen?“, fragte