Morde und Leben - Leber und Meissner. HaMuJu. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: HaMuJu
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847649823
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um ihnen einen Eindruck zu vermitteln. Pünktlich um 15.30 h wurden sie von zwei jungen Männern angesprochen und es war klar, das waren Marc und Jens, die Polizisten baten die beiden, sich an ihren Tisch zu setzen. Da die Beamten nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen wollten, fragte KHK Leber die beiden, ob sie schon Schulaufgaben gemacht hätten. Die schauten ihn daraufhin an, als wüssten sie nicht, was er von ihnen wollte und der Hauptkommissar entspannte die Atmosphäre sogleich wieder, indem er sich für seine blöde Frage entschuldigte, ihm wäre einfach nichts Besseres zur Gesprächseröffnung eingefallen. KOK Meissner sagte:

      „Wir waren am Vortag in Eurer Schule und haben mit der Schulleiterin über Birte Schoemaker gesprochen, mein Kollege und ich haben Dr. Domrose sehr nett gefunden und uns in Eurem Gymnasium wohl gefühlt.“ Marc pflichtete dem Oberkommissar bei und sagte:

      „Dr. Domrose wird eigentlich von jedem gemocht, sie ist auch im Unterricht sehr nett und versteht etwas von ihrem Fach, sie unterrichtet Chemie.“

      „Wisst Ihr, ob Dr. Domrose Birte Schoemaker unterrichtet hat?“, fragte KHK Leber und Jens antwortete:

      „Das war in der Sekundarstufe I gewesen, als ich mit Birte zusammen in der 9. und 10. Klasse gewesen bin, da haben wir beide Chemie bei der Schulleiterin gehabt. Ich bin damals völlig auf Birte abgefahren und sogar in sie verliebt gewesen, sie hat aber von mir nichts wissen wollen, weshalb ich wochenlang traurig gewesen bin. Birte ist schon zu jener Zeit Klassenbeste gewesen und hat sich mit jedem gut verstanden, sie ist immer der Typ gewesen, der alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat ohne dabei arrogant zu werden.“ Marc sagte:

      „Ich bin erst in der 7. Klasse zum Gymnasium in den Filder Benden gekommen, habe seitdem aber immer mit Birte zusammen Unterricht gehabt. Auch ich bin von Anfang an fasziniert von Birte gewesen, sie hat aber nie jemanden an sich herangelassen, weshalb auch ich meine Hoffnungen schnell begraben musste.“ Die Polizisten stellten eine Standardfrage, nämlich, ob sich die Jungen jemanden vorstellen könnten, der als Täter in Betracht käme, aber beide schüttelten sofort ihre Köpfe.

      „Wir kennen niemanden, der einen Groll gegen Birte gehabt hat, wir sind beide völlig fassungslos gewesen, als wir von Birtes Tod gehört haben.“

      „Könnt Ihr denn sagen, wo und wie Birte ihre Freizeit verbracht hat?“ und Marc antwortete, dass er wüsste, dass Birte zweimal pro Woche Tennis in Asberg gespielt hätte, ansonsten hätte sie sich auch schon ein paar Mal zur Happy Hour donnerstags im Extrablatt blicken lassen.

      „Wer geht denn sonst noch alles dahin?“, fragte KHK Leber nach und Marc antwortete:

      „Dort sind immer viele Oberstufenschüler anzutreffen, wir haben einmal sogar unseren Mathematiklehrer dort gesehen, der ist noch sehr jung und hat keine Familie, auch der Hausmeister ist schon einmal dort gewesen. Man bekommt im Extrablatt in der Happy Hour einen Cocktail für 3.90 Euro, für den man sonst um die 7.00 Euro bezahlen muss.“ Was wollt Ihr denn einmal werden?“, fragte KHK Leber die beiden plötzlich und Jens sagte, dass er Wirtschhaftsingenieurwesen studieren und in die Autoindustrie gehen wollte, Marc antwortete, dass er an ein Lehramtsstudium dachte, ihm lägen die Fächer Sport und Mathematik, aber er hätte sich noch nicht festgelegt. Marc und Jens hatten sich jeder ein Spagettieis bestellt, das ihnen KHK Leber selbstverständlich ausgab, er sagte:

      „Wir sind mit unserer Befragung fertig, wenn wir noch weitere Fragen haben, melden wir uns noch einmal bei Euch.“ Die Jungen verabschiedeten sich per Handschlag und fuhren auf ihren Rädern nach Hause, KOK Meissner meinte, dass die beiden doch zwei ausgesprochen nette Vertreter der jungen Generation gewesen waren. Sie zahlten, schwangen sich auf ihre Diensträder und fuhren zur Polizeiinspektion zurück, stellten die Räder dort ab und machten Feierabend.

      Sie nahmen sich auf der Fahrt ins Wochenende vor, am Montag noch einmal zu Schoemakers zu fahren und dem Ehepaar ein paar Fragen zu stellen. Zu Hause trieb sie beide eine Unruhe, die ihre Ehefrauen immer an ihnen beobachteten, wenn sie an einem Fall saßen, so wie in diesem Moment. KHK Leber saß mit KOK Meissner bei einer Flasche Bier auf seiner Terrasse, sie überlegten hin und her und wussten im Moment noch nicht weiter, aber beiden war klar, sie würden den Täter erwischen und ihn vor Gericht bringen. Sie machten nicht viele Worte und ließen es in sich arbeiten, wenn sie so da saßen, wollten sie nicht gestört werden, das wussten ihre Frauen aus langjähriger Erfahrung, und sie ließen sie in Ruhe. Das ganze Wochenende war mit den beiden nicht viel anzufangen, sie grillten nicht und machten keine Radtour. Am Montagmorgen fuhren sie, nachdem sie bei Schoemakers angerufen und ihren Besuch angekündigt hatten, nach Vinn. Birtes Eltern sahen schlecht aus, ihr Vater hatte eine Woche Urlaub genommen, um bei seiner Frau sein zu können, beide waren sie in tiefer Trauer, der Vater hatte seine Tochter vergöttert, und auch die Mutter hatte ihr Kind geliebt KHK Leber fragte:

      „Ist es möglich, dass wir uns unterhielten?“, und Herr Schoemaker bat die beiden Polizisten hinein und bot ihnen eine Tasse Kaffee an, er hatte ein ernstes, noch nicht gefasstes Gesicht. Seine Frau sah noch immer verweint aus und wischte sich die Tränen, sie war aber ansprechbar.

      „Was können Sie uns über Birtes Freizeitverhalten sagen?“, fragte KHK Leber sie beide und Frau Schoemakers antwortete mit gebrochener Stimme:

      „Birte hat in Asberg Tennis gespielt, zweimal die Woche, zu anderen Dingen hat sie keine Zeit gehabt.“

      „Ist Birte denn nicht auch einmal in die Stadt gegangen, zum Cafe Extrablatt zum Beispiel?“, hakte der Hauptkommissar nach und Frau Schoemakers entgegnete:

      „Unsere Tochter ist höchstens einmal dort gewesen, sie hat aber dort keinen Alkohol getrunken und ist nie mehr im Extrablatt gewesen.“

      „Was wissen Sie denn über Freundschaften Ihrer Tochter, Birte ist schließlich siebzehn Jahre alt gewesen und hat sehr gut ausgesehen?“ Sofort erwiderte Frau Schoemakers, ihre Stimme war jetzt fest geworden:

      „Unsere Tochter hat sich nichts aus Jungen gemacht, dazu hat sie keine Zeit gehabt.“

      „Und was ist mit Mädchen gewesen?“, fragte KHK Leber nach und gleich antwortete Birtes Mutter:

      „Es hat da die Clique gegeben, zu der Svenja Kollartz, Anna Lieberecht und Maria Kleinkemkes gehört haben, die vier haben schon mal etwas unternommen, sind Fahrradgefahren oder schwimmen gegangen, abends sind sie nur selten aus gewesen.“

      Auch den Eltern stellten die Polizisten ihre Standardfrage, ob sie sich jemanden als Täter vorstellen könnten, aber da mussten die Eltern passen, sie konnten sich niemanden vorstellen, der Birte böse gewesen wäre. Die Beamten ließen sich Birtes Zimmer zeigen und fanden dort alles in einem aufgeräumten und sauberen Zustand vor, „so ist Birte eben gewesen“, sagte die Mutter, „sie hat Unordnung und Schmutz gehasst.“ Auf ihrem Schreibtisch lagen Fotos, die Birte mit ihren Freundinnen zeigten, KOK Meissner setzte sich auf den Schreibtischstuhl und öffnete eine Schublade, er fand dort Birtes Tagebuch, in dem sich für vergangenen Dienstag die letzte Eintragung fand. Er zeigte das Tagebuch seinem Kollegen und die Polizisten steckten es mit Erlaubnis der Mutter ein.

      „Vielleicht enthält das Tagebuch ja einen Hinweis auf den Mörder.“ Sie bedankten sich für den Kaffee und fragten:

      „Wann findet denn Birtes Beerdigung statt?“, und die Mutter antwortete, dass sie ihre Tochter in zwei Tagen beerdigen wollten. Die Kommissare verließen die Schoemakers wieder und fuhren zur Polizeiinspektion zurück, setzten sich in ihr Dienstzimmer und ließen sich durch den Kopf gehen, was Frau Schoemaker gesagt hatte, es war ihnen klar geworden, dass sie nicht alles von Birte wusste. Man merkte ganz deutlich wie sie ihre Wunschvorstellungen in ihre Tochter projizierte, sie dachte an ein unbescholtenes und strebsames Mädchen, das Birte ja möglicherweise auch gewesen war, aber sicher wohl nicht für immer sein wollte. Birte war wahrscheinlich ein ganz normales Mädchen, das seine Fühler auch zum anderen Geschlecht ausstreckte, nur eben nicht so deutlich wie das andere taten. Sie nahmen sich das Tagebuch vor und jeder blätterte darin herum, es reichte knapp zwei Jahre zurück, Birte hatte immer die Tagestemperaturen und den Himmel beschrieben, sie hat akribisch festgehalten, mit wem sie sich wo getroffen hatte, aber die Beamten fanden beim ersten Durchblättern keine heiße Spur, sie hatte sich ausschließlich mit ihren Freundinnen getroffen. Birte war siebzehn