Morde und Leben - Leber und Meissner. HaMuJu. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: HaMuJu
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847649823
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hatte eine Zweiwochenbeziehung und eine Berlinbekanntschaft.“

      „Wer ist denn eigentlich der Junge gewesen, dem Birte nach zwei Wochen den Laufpass gegeben hat?“, wollte KHK Leber wissen.

      „Das ist Marc Reimers gewesen, ein Mitschüler aus der Jahrgangsstufe“, antwortete Svenja und in Berlin ist das ein Daniel Kottke gewesen“, KOK Meissner notierte beide Namen. Svenja nannte die Namen wie beiläufig, beinahe abschätzig, sie maß den Bekanntschaften Birtes offensichtlich keinen großen Wert bei. Es war nicht so, dass die Mädchen lesbisch waren, sie wollten nur keine allzu frühe Bindung eingehen und an einem oberflächlichen Geplänkel waren sie schon gar nicht interessiert. Den Polizisten schien es wie ein Rückfall in die Zeiten konservativer Werte, die Mädchen schoben die Entscheidung für einen Jungen vor sich her, bis sie Kinder haben und eine Familie gründen wollten. Die Phase des sexuellen Abenteuers, des Sich-Orientierens, des Ausprobierens wurde offensichtlich übersprungen, das lag vielleicht an der AIDS-Gefahr, vor der sie sich hüten wollten. Svenja war mit ihrem Roller von Kapellen gekommen, sie sagte:

      „Ich liebe das Rollerfahren, es gibt bei dem herrlichen Sommerwetter kaum etwas Schöneres, ich fahre morgens auch immer mit dem Roller zur Schule, nur in der kalten Jahreszeit nehme ich den Bus und bin deutlich länger unterwegs.“

      „Kannst Du Dir jemanden vorstellen, der Birte ermordet hat?“, fragte KHK Leber sie und merkte wie Svenja schlucken musste, er hatte sie wieder auf das Thema gebracht, das eine Zeit lang verdrängt gewesen zu sein schien. Svenja stand kurz davor, in Tränen auszubrechen und holte eine Taschentuch hervor, sie sagte mit gebrochener Stimme:

      „Ich kann mir niemanden vorstellen, der eine so abscheuliche Tat vollbracht haben kann. Der Tod Birtes ist für mich gewesen, als hätte man mir ein Stück meines eigenen Lebens genommen“, sie hatte dabei ein Wimmern in der Stimme, die Polizisten sahen sich an und wollten die Sache nicht weiter vertiefen.

      „Was willst Du denn einmal werden?“, fragten sie sie zum Schluss, und sie antwortete mit wieder fester Stimme:

      „Ich möchte gern Ärztin werden, ich muss aber noch an meinem Notendurchschnitt feilen, damit ich den Numerus Clausus von 1.4 auch schaffe.“ Die Polizisten wünschten Svenja alles Gute für ihre Schullaufbahn und sie verließ sie wieder. Die Kommissare waren um 17.00 h mit Maria am Hülsdonker Bahnhof verabredet und hatten noch etwas Zeit, sie bestellten sich jeder noch einen Cappuccino und ließen sich durch den Kopf gehen, was Svenja gesagt hatte.

      Im Grunde fehlte in ihren Äußerungen das Quäntchen Information, das sie weiterbrachte, genau wie auch schon bei Anna. KHK Leber meinte, dass sie sich, wenn sie mit Maria gesprochen hätten, als nächsten Marc Reimers vorknöpfen müssten, vielleicht würde ein Gespräch mit ihm sie weiterbringen. Um 16.30 h zahlten sie und fuhren mit ihren Rädern am Kastell vorbei in den Schlosspark, um ihn an seinem Westausgang wieder zu verlassen, sie nahmen die Kranichstraße, fuhren in den Rüttgersweg und in den Bruckschenweg, hielten sich auf der Parsickstraße nach rechts und überquerten die Hülsdonker Straße, nach weiteren zweihundert Metern auf der Geldernschen Straße erreichten sie den Hülsdonker Bahnhof und stellten ihre Räder vor dem Bahnhof ab. Der Hülsdonker Bahnhof stammte noch aus einer Zeit, als man von Oermten mit dem Triebwagen nach Moers fahren konnte. Bahnhöfe seiner Güteklasse gab es noch in Rheurdt, Vluyn, Dicksche Heide und Neukirchen, sie waren alle verkauft worden, in Hülsdonk hatte eine Gaststätte den Betrieb eröffnet, die vornehmlich von jungen Leuten besucht wurde, aber auch Leute im Alter der Beamten gingen dorthin. Sie setzten sich draußen direkt neben den alten Gleisen an einen Tisch, in Zeiten, in denen die Zeche in Neukirchen noch in Betrieb war, fuhren schon mal Kohlenzüge an dem Bahnhof vorbei und machten mit ihren manchmal fünfzig Waggons ordentlich Krach. Die Zeiten waren aber seit der Zechenschließung am 31.12.2001 endgültig vorbei und würden auch nicht wiederkommen.

      Die beiden Polizisten bestellten sich jeder ein alkoholfreies Weizen, das bei der Hitze besonders gut schmeckte. Es hatte aber auch mehr Kohlensäure als normales Bier und erzeugte beim Trinker regelmäßig einen Blubberbauch, weshalb die Beamten früher nie Weizenbier getrunken hatten, das gab es in ihrer aktiven Kneipenzeit auch kaum, niemand trank Weizenbier. Ganz allmählich fand Weizenbier Verbreitung und begann auch den alten Pilstrinkern zu schmecken. Besonders den Mädchen gefiel der feine Geschmack des Weizenbieres zuerst, heute finden sich viele Kneipen, die das Weizenbier sogar zapfen. Um 17.00 h kam Maria Kleinkemkes pünktlich, sie erkannte die Beamten gleich und kam an ihren Tisch, sie stellte sich vor und setzte sich. Auch die Beamten stellten sich vor und fragten Maria, was sie trinken wollte, sie nahm eine Apfelschorle. Sie sah wie schon ihre Freundinnen gut aus, hatte brünettes langes Haar und trug wie viele Mädchen in ihrem Alter Jeans und darüber ein T-Shirt. Sie schaute die beiden Polizisten mit wachen Augen an, als erwartete sie brennende Fragen, der KHK gab ihr aber gleich zu verstehen:

      „Du brauchst Dich nicht zu fürchten, wir wollen nur ein paar ganz allgemeine Auskünfte von Dir haben.“ Als Maria bemerkte, dass sie zwei gewöhnliche Erwachsene vor sich hatte, entspannte sie und trank einen Schluck von ihrer Apfelschorle. KHK Leber bat sie zunächst wie auch die beiden anderen schon, ihr Verhältnis zu Birte zu beschreiben und Maria begann gleich zu berichten:

      „Birte war ein außergewöhnliches und sehr attraktives Mädchen gewesen, sie ist meine beste Freundin gewesen und wir haben zu viert, Birte, Anna, Svenja und ich viel unternommen.“

      „Seid Ihr denn auch schon mal zum Extrablatt gegangen?“, fragte der Kommissar und Maria sagte:

      „Wir sind gelegentlich donnerstags zur Happy Hour gegangen und jeder von uns hat einen Cocktail getrunken. Es sind immer viele Bekannte dort gewesen, sehr viele Oberstufenschüler und sogar unser junger Mathematiklehrer, wir haben einmal sogar den Hausmeister unserer Schule dort gesehen.

      Aber wir sind nicht so oft im Extrablatt gewesen, wir sind viel lieber mit unseren Rädern gefahren oder schwimmen gegangen.“

      „Was weißt Du über Jungenbekanntschaften von Birte?“, fragte sie der Polizist und Maria antwortete, was auch die beiden anderen Mädchen schon erzählt hatten:

      „Birte hat eine zweiwöchige Beziehung zu Marc Reimers unterhalten und sie wieder beendet und auf der Berlinfahrt mit einem Jungen namens Daniel Kottke angebändelt, mehr kann ich dazu nicht sagen und mehr ist da auch nicht gewesen.“

      „Hast Du einen Verdacht, wer Birte umgebracht haben kann?“, wollte der Polizist wissen und plötzlich wurde Maria still und begann zu schluchzen wie auch den anderen beiden stiegen Anna die Tränen in die Augen und KHK Leber gab ihr ein Tempotaschentuch.

      Ihre Stimme war leise geworden als sie sagte, dass sie sich niemanden vorstellen könnte.

      „Birtes Tod ist ein Schlag gewesen, von dem ich mich immer noch erholen muss. Als ich am Morgen an Birtes Grab gestanden habe, habe ich mich von einem Teil meiner selbst verabschiedet, die Beerdigung ist mir so nahegegangen, dass ich zu Hause stundenlang geweint habe.“

      „Das kann ich gut verstehen“, sagte KHK Leber, „wir sind beide auch da gewesen, und auch uns hat die Beerdigung sehr berührt, besonders das Lied Deiner Mitschülerin ist uns unter die Haut gegangen.“

      „Was willst Du denn einmal werden?“, fragten die Polizisten sie und Maria war wieder ganz gefestigt, als sie antwortete:

      „Ich will Elektroingenieurin werden, ich weiß, dass die Elektrotechnik eigentlich das Metier der Jungen ist, ich bin aber nach der Initiative „Mädchen und Technik“ im letzten Jahr auf den Geschmack gekommen. Ich habe auch schon einmal bei Siemens vorgefühlt und dort ist man sehr offen gewesen und hat mir das Arbeitsfeld eines Elektroingenieurs gezeigt.“ Die Beamten wünschten ihr, dass sich ihr Berufswunsch erfüllte, und sie ein gutes Abitur machte, Maria verabschiedete sich wieder, stieg auf ihr Fahrrad und fuhr nach Hause. Die Polizisten beeilten sich, zur Polizeiinspektion zurückzukommen, sie hätten ja eigentlich längst Feierabend. Sie stellten ihre Räder ab und brausten mit dem neuen Flachbildernseher nach Hause.

      Frau Leber war glücklich, endlich einen neuen Fernseher zu bekommen, er machte sich auch sehr gut an seinem Platz im Wohnzimmer und sie brachte den kleinen Apparat wieder zurück auf das Zimmer von Max. Lebers und Meissners