Morde und Leben - Leber und Meissner. HaMuJu. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: HaMuJu
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847649823
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zur Haustür und KHK Leber drückte auf den Klingelknopf. Nachdem die Haustür von Birtes Mutter geöffnet worden war, sagten sie, wer sie wären und konnten gleich sehen, wie sich das Gesicht der Frau verwandelte und versteinerte Züge annahm, mit sehr leiser Stimme bat sie die Beamten ins Haus und bot ihnen im Wohnzimmer einen Platz an. Doch den Polizisten war nicht nach Sitzen zumute, es war KHK Lebers Aufgabe, der Frau zu sagen, was mit ihrer Tochter geschehen war, da hielt sich KOK Meissner zurück und war in diesem Moment froh, dass er der Untergebene war. Sie hatten solche Situationen schon einige Male bewältigen müssen und es kostete sie jedes Mal große Überwindung, die schreckliche Nachricht überbringen zu müssen. KHK Leber sah der Frau, die ihn erwartungsvoll anblickte, ins Gesicht und sagte mit gleichmäßigem Tonfall:

      „Ihre Tochter ist tot, man hat sie am Morgen in Meerbeck gefunden und wir haben sie zur forensischen Medizin nach Wesel bringen lassen.“

      Die Frau durchzuckte ein Schauer, Tränen standen ihr in den Augen, KHK Leber stand direkt vor ihr und stützte sie, KOK Meissner half ihm, sie in einen Sessel zu setzen. Dort saß sie lange und stierte vor sich hin, sie war unfähig zu sprechen und weinte schließlich. Als sie begriffen hatte, was geschehen war, ließ sie ihren Tränen freien Lauf und KOK Meissner holte Papiertücher aus der Küche, mit denen sie sich ihre Tränen abwischen konnte. KHK Leber besorgte einen Cognac aus dem Wohnzimmerschrank und bestand darauf, dass Frau Schoemaker ihn trank, aber sie sah sich dazu nicht in der Lage. KOK Meissner suchte beim Telefon nach der Nummer von Herrn Schoemaker, rief ihn an und bat ihn, umgehend nach Hause zu kommen. Eine halbe Stunde später trat er ins Wohnzimmer, wo er seine Frau weinend im Sessel vorfand. KHK Leber teilte ihm in kurzen und knappen Worten mit:

      „Ihre Tochter ist ermordet worden!“. Herr Schoemakers setzte sich neben seine Frau und rang nach Fassung. KHK Leber bot auch Herrn Schoemaker einen Cognac an und der trank das Schnapsglas in einem Zug leer. Der Hauptkommissar fragte die Schoemakers, ob er einen Polizeipsychologen hinzuziehen sollte, aber der Bankier lehnte ab.

      „Wir kommen am nächsten Morgen wieder vorbei und werden gemeinsam nach Wesel fahren, wo sie Ihre Tochter in der Forensik identifizieren sollen“, sagte KHK Leber, „ich weiß, dass das für Sie schwer wird und will alles tun, um es ihnen leicht zu machen, aber die Identifizierung muss nun einmal sein.“ Daraufhin verließen die beiden Polizisten die Schoemakers wieder und fuhren zur Dienststelle zurück. Frau Fahrenholz kam in ihr Dienstzimmer und ließ sich berichten, wie es bei den Schoemakers gelaufen wäre. Die beiden Kommissare erzählten:

      „Die Mutter hat sich sehr schwer getan und ist kaum ansprechbar gewesen, während der Vater relativ gelassen und gefasst gewesen ist, aber der Eindruck kann natürlich auch täuschen, wenn er erst einmal begriffen hat, was wirklich geschehen ist, können in ihm die Trauergefühle auch noch losbrechen.“ Die Chefin sagte:

      „Ich habe mich mit Dr. Domrose, der Schulleiterin des Gymnasiums in den Filder Benden in Verbindung gesetzt und am Nachmittag mit ihr einen Gesprächstermin vereinbart, ich würde gern um 14.30 h mit meinen Beamten zum Gymnasium fahren“, und sie bat die beiden:

      „Machen Sie sich einen Plan für die weitere Vorgehensweise!“, danach verschwand sie wieder. KHK Leber und KOK Meissner dachten, dass die Tatsache, dass Birte vergewaltigt worden wäre, eine weibliche Täterschaft schon einmal ausschloss. Wenn sich am nächsten Tag das erste Entsetzen gelegt hätte, müssten sie sich mit den Eltern unterhalten und herauszukriegen versuchen, wer alles zum Freundeskreis von Birte gehört und wo und mit wem sie ihre Freizeit, besonders die Abende, in der Regel verbracht hatte. Danach würden sie viele Gespräche mit Freundinnen und Freunden führen und so versuchen, sich eine Vorstellung von den möglichen Tätern zu verschaffen, mehr konnten sie im Moment nicht tun. Sie hatten noch eine halbe Stunde für die Kantine und eilten schnell dorthin, um ihr Mittagessen einzunehmen, es gab einen Eintopf, aber das war den Beamten egal, sie waren, was das Essen anbelangte, nicht sehr wählerisch und nahmen jeder einen Teller Wirsing mit Mettwurst. In der Kantine trafen sie auf viele bekannte Gesichter und wurden angesprochen, warum sie auf den letzten Drücker kamen, sie erzählten in aller Kürze, was sich am Morgen alles zugetragen hatte. Um 13.00 h schloss die Kantine und sie konnten gerade noch ihren Cappuccino trinken, bevor sie aufgefordert wurden, ihr Geschirr wegzuräumen und die Kantine zu verlassen. Sie gingen in ihr Dienstzimmer zurück und besprachen, wie sie weitermachen würden, KHK Leber schaltete den PC ein und googelte im Internet nach dem Gymnasium in den Filder Benden. Er brachte einiges zur Schulgeschichte in Erfahrung und erfuhr, dass die Schule 1971 aus einer Abspaltung vom Gymnasium Adolfinum hervorgegangen war. Das Gymnasium lag direkt am Moerser Stadtpark und war schon von daher etwas Besonderes, die Schule hatte mehr als tausendeinhundertfünfzig Schüler und knapp neunzig Lehrer.

      Die Kommissare dachten an ihre eigene Schulzeit zurück, die von KHK Leber fand in Krefeld statt und die von KOK Meissner in Duisburg, beide hatten sie vor fünfundzwanzig Jahren ihr Abitur abgelegt und sich danach bei der Polizei beworben, wo sie mit Kusshand angenommen worden waren. Um 14.30 h kam Frau Fahrenholz und holte die beiden ab, sie nahmen einen Dienstwagen und fuhren in die Zahnstraße. Sie parkten auf dem Lehrerparklatz vor dem Gymnasium, es war nicht viel los dort, es gab zwar Nachmittagsunterricht, aber längst nicht für alle Schüler. Sie liefen auf das Schulgelände und waren von der Sauberkeit des Schulhofes überrascht, auch die Gemälde an der Turnhallenseite gefielen ihnen. Sie betraten das Schulgebäude und liefen gleich auf das Direktorinnenzimmer zu, die Sekretärin meldete die Besucher bei Dr. Domrose an, und die bat sie in ihr Zimmer. Es gab in dem Raum eigentlich kaum etwas, das man hätte gemütlich nennen können, alle Einrichtungsgegenstände genügten minimalen Zweckmäßigkeitsanforderungen, es gab aber gepolsterte Stühle und einen Tisch, um den sie sich setzten. Frau Dr. Domrose ließ von der Sekretärin Kaffee kochen und Plätzchen bringen, bevor sie ihrer tiefen Bestürzung wegen des Todes von Birte Ausdruck verlieh. Sie fragte gleich:

      „Wie weit ist denn die Polizei schon in ihren Ermittlungen fortgeschritten?“, aber dazu konnten KHK Leber und KOK Meissner wirklich kaum etwas sagen, schließlich war die Leiche von Birte Schoemakers erst am Morgen gefunden worden. Frau Dr. Domrose zog plötzlich eine Liste hervor, auf der sie Personen notiert hatte, die zum engen oder lockeren Freundeskreis von Birte gehört hatten, sie hatte fünf Namen unterstrichen, die zu Schülern gehörten, mit denen die Polizisten unbedingt reden müssten. Es handelte sich dabei um drei Mädchen und zwei Jungen, die Birte während ihrer gesamten Gymnasialzeit begleitet, und die sie deshalb besonders gut gekannt hatten. Die Polizisten baten Dr. Domrose:

      „Erzählen Sie doch etwas von Birte, was sie für ein Mensch gewesen, und wie sie in der Jahrgangsstufe zurechtgekommen ist!“ Die Schulleiterin entgegnete:

      „Ich habe mich mit der Jahrgangsstufenleiterin kurzgeschlossen und von ihr einige Auskünfte eingeholt. Demnach ist Birte eine überaus erfolgreiche Schülerin gewesen, sie ist von allen gern gesehen worden und obwohl sie so gute Leistungen gebracht hat, hat sie nicht als Streberin gegolten. Birte hat sehr gut ausgesehen und so mancher Junge hat sich schon an sie herangemacht, sie hat die Jungen aber alle abblitzen lassen, weil sie sich so früh noch nicht hat binden wollen. Es hat einmal eine ganz kurze Liaison mit einem Mitschüler gegeben und alle, die Birte gekannt und das mitbekommen haben, haben darüber gestaunt. Nach zweiwöchiger Dauer ist die Beziehung aber von Birte beendet worden, und sie hat dem Jungen zu verstehen gegeben, dass feste Beziehungen nichts für sie gewesen sind.

      Sie hat sich eingeengt und in ihrem Freiheitsdrang behindert gefühlt, das hat der Junge selbst erzählt. Birte hat einen rundum glücklichen und zufriedenen Eindruck gemacht.

      „Sie hat eine Vorbildfunktion für die anderen Schüler gehabt und schon allein deshalb macht mich ihr Tod so betroffen“, sagte Dr. Domrose und merkte zum Abschluss an:

      „Ich hoffe, dass die Polizei das Schwein bald schnappt und es hinter Schloss und Riegel bringt!“ Die Beamten weiteten das Gespräch danach zum Schein etwas aus, um so auf Umwegen vielleicht mehr über Birte zu erfahren, sie sprachen über Klassen- und Stufenfahrten und wollten wissen wie sich Birte bei solchen Gelegenheiten verhalten hätte.

      Dr. Domrose antwortete:

      „Ich kann auch in diesem Zusammenhang nur Positives berichten, die Klassen- bzw. Stufenleiterinnen hat nur Gutes von Birte erzählt.“ Nach einer Stunde bedankten sich die Polizisten