Morde und Leben - Leber und Meissner. HaMuJu. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: HaMuJu
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847649823
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so erfreut waren sie über deren Aussage. Sie bedankten sich noch einmal auf das Herzlichste und verließen das Haus ihrer wichtigen Zeugin wieder. Sie schellten noch bei zwei weiteren Anwohnern, bekamen aber dort keine brauchbaren Auskünfte. Am späten Vormittag fuhren sie zur Polizeiinspektion zurück und ließen sich dort noch einmal durch den Kopf gehen, was ihnen die alte Dame gesagt hatte. Dass es sich bei dem Mörder um einen Mann handeln musste, war ihnen im Grunde von Anfang an klar, dass er möglicherweise eine grauen Kittel trug, nicht. Sie mussten beide an den Platzwart denken, der vielleicht gelegentlich bei seiner Arbeit einen grauen Kittel trug, das müssten sie herausbekommen und fuhren umgehend nach Asberg raus, wo sie den Platzwart zur Rede stellten, aber der konnte glaubhaft versichern, nie eine grauen Kittel besessen zu haben. Die Beamten fuhren daraufhin wieder zurück und gingen in die Mittagspause, sie liefen gleich zur Kantine hoch.

      Es gab an diesem Tag Schweinebraten mit Kartoffeln und Rotkohl, die Polizisten hatten mächtigen Hunger und nahmen jeder zweimal. Die Kantine war voll, vermutlich mundete das Tagesgericht vielen, das Essen war aber eigentlich durchgängig sehr akzeptabel. Um 12.45 h fuhr KHK Leber zum Klever Platz und schellte bei der Hauptzeugin, die ihm gleich öffnete und von ihrem Besuch auf dem Wochenmarkt erzählte. Sie redete gar nicht von ihren Einkäufen, sondern nur darüber, dass sie viele Bekannte getroffen und sich mit ihnen unterhalten hätte.

      „Ich halte mich immer ungefähr eine Stunde lang auf dem Markt auf und rede mit meinen Bekannten über alles Mögliche, so erfahre ich immer das Allerneuste, insbesondere interessiert mich, wer von den alten Bekannten gestorben ist.“ Die alte Dame zog sich ihre Schuhe an und warf eine Jacke über, anschließend folgte sie KHK Leber nach draußen, nachdem sie sich vergewissert hatte, dass auch ihre Schlüssel in ihrer Jackentasche waren. Auf der Polizeiinspektion hatte KOK Meissner alles vorbereitet, das hieß, dass er ein Aufnahmegerät postiert und für die Zeugin einen weiteren Stuhl an ihre Schreibtische gestellt hatte. Sie sagte:

      „Ich muss im Anschluss ins St.-Josefs-Krankenhaus gehen und jemanden dort besuchen, der mit Leberkrebs eingeliefert worden ist und auf der Inneren liegt.“

      „Möchten Sie eine Tasse Kaffee trinken?“, fragte KHK Leber seine Zeugin, aber sie lehnte dankend ab:

      „Zuviel Kaffee ist für meine Pumpe nicht gut“, wie sie sich ausdrückte, sodass die Beamten gleich mit der Befragung begannen. KOK Meissner schaltete das Aufnahmegerät ein und KHK Leber stellte der Frau die gleichen Fragen wie am Vormittag bei ihr zu Hause. Wieder erzählte die Frau von ihrer Beobachtung, wieder sagte sie, dass sie glaubte, einen Mann im grauen Kittel gesehen zu haben, der ein großes Bündel unter den Busch auf dem Klever Platz gelegt hätte. Die Beamten dankten ihr noch einmal für ihre Hilfsbereitschaft und KHK Leber gab der Frau seine Karte, sie sollte ihn anrufen, wenn sie ihren Krankenbesuch beendet hätte, er führe sie dann wieder nach Hause. Als die alte Dame gegangen war, sagte er:

      „Ihre Aussage hat uns einen großen Schritt weitergebracht!“ Auch wenn sie sich nicht auf den grauen Kittel festlegen konnte, ein grauer Kittel war in der Dämmerung auch sehr schwer auszumachen, sie hatten aber immerhin eine Zeugenaussage und die Bestätigung ihrer Annahme, dass es sich bei dem Mörder um einen Mann gehandelt hatte. Sie tranken beide eine Tasse Kaffee und fuhren danach mit den Dienstfahrrädern in die Stadt, sie fuhren zur Grafschafter Passage, stellten ihre Räder davor und schlossen sie gut ab. Sie hatten noch etwas Zeit, bis sie zur Röhre mussten und schauten sich bei Saturn Flachbildfernseher an, KHK Leber interessierte sich für einen, nachdem sein uraltes Röhrengerät kaputtgegangen war und eine Reparatur nicht mehr lohnte.

      Sie verschafften sich aber nur einen Überblick, auch als ihnen ein Verkäufer helfen und sie beraten wollte, bedankten sie sich und sagten ihm, dass sie sich nur umschauen und noch nichts kaufen wollten. Sie hatten so viel Zeit auch nicht und mussten in einer halben Stunde in der Röhre sein, um Anna Lieberecht dort zu treffen. Sie nahmen also wieder ihre Räder und fuhren bei der Sparkasse am Königlichen Hof in die Bankstraße, in der sie dreihundert Meter weiter die Röhre erreichten. Sie fühlten sich gleich an früher erinnert, wie sie ihre Auto dort parkten, wo sie jetzt ihre Räder abstellten, die Erinnerung war ganz angenehm. Sie schauten sich um und erkannten in der Umgebung vieles von dem wieder, was es früher dort schon gegeben hatte. Während ihres Dienstes, den sie all die Jahre in der Polizeiinspektion verrichtet hatten, waren sie nie mehr in der Röhre gewesen. Sie sahen einfach, dass es einen Besucheraustausch gegeben hatte, wahrscheinlich war das schon der vierte oder fünfte, die Röhre war zwar keine reine Jugendkneipe, aber das Publikum war doch deutlich jünger als die beiden Kommissare, und das wussten sie auch. Das gehörte aber zum Prozess des Älterwerdens dazu, dass man bewusstseinsmäßig ganz andere Felder beackerte als früher, alles um einen herum war gealtert, die alten Bekannten, vor allem aber die eigene Wahrnehmung, die einen so etwas wie die Röhre mit ganz anderen Augen sehen ließ als früher.

      Das innere Vibrieren gab es nicht mehr, man zerfloss nicht mehr vor Sehnsucht, wenn man ein schönes Mädchen sah, das war vorbei, aber man trauerte dem auch nicht nach, weil sich einem andere Sphären der Befriedigung erschlossen hatten. Wäre die Art der Aufnahme der Umgebung nicht mitgewachsen und hätte sie sich mit dem Altern nicht mit verändert, müsste man vermutlich verzweifeln, wenn man sich in dem Alter befände, in dem die Kommissare waren, der Blick war weiter, und er war vor allem anders geworden. Sie verspürten beide heute nicht mehr die Aufgewühltheit, wenn sie die Röhre betraten und sich den Blicken der anwesenden Gäste stellen mussten, sie gingen einfach hinein wie in jede andere Kneipe auch und setzten sich an einen freien Tisch. Das hatten sie früher nicht getan, sondern sie hatten praktisch die ganze Zeit über gestanden, aber dass sie so problemlos einen Sitzplatz bekommen hatten, lag sicher an der Tageszeit, am Nachmittag waren einfach noch nicht so viele Gäste da. Als die Kellnerin kam, bestellte sich jeder einen Cappuccino und sie sahen sich um, vermochten sich aber kaum zu erinnern, wahrscheinlich hatte man früher das Interieur gar nicht wahrgenommen und seine Augen nur bei den Mädchen gehabt. Kurze Zeit später setzte sich eine junge Dame an ihren Tisch, die sich als Anna Lieberecht vorstellte, und die beiden Polizisten gaben sich sofort zu erkennen. Anna war ein gutaussehendes attraktives Mädchen und sie kamen gleich ins Gespräch, die Kommissare entspannten die Atmosphäre sofort und nahmen Anna die Scheu, die sie am Telefon noch gezeigt hatte. KHK Leber fragte sie:

      „Was möchtest Du trinken?“ und sie bestellte sich eine Cola light, er erzählte Anna:

      „Mein Kollege und ich sind vor mehr als fünfundzanzig Jahren ab und zu in die Röhre gefahren und haben uns hier mit unseren Freunden vergnügt.“ Anna sah ihn groß an und lächelte, KHK Leber konnte nicht sagen, ob das Freundlichkeit oder Mitleid war, er kümmerte sich aber auch nicht darum. Er fragte Anna:

      „Wie würdest Du Dein Verhältnis zu Birte Schoemakers beschreiben?“ und Anna antwortete gleich:

      „Birte ist meine beste Freundin gewesen! Ich bin seit der achten Klasse im Gymnasium in den Filder Benden mit ihr zusammen gewesen, wir haben uns nach der Schule beinahe täglich getroffen und gemeinsam unsere Freizeit verbracht.“

      „Was habt Ihr denn so unternommen?“, fragte KHK Leber nach und hoffte, so vielleicht eine Andeutung von einer Freizeitbeschäftigung zu bekommen, die sie noch nicht kannten. Anna berichtete von gemeinsamen Besuchen des Freibades Solimare, die sie immer besonders genossen hatte, weil sich die Augen aller Badbesucher im Beisein von Birte auf sie richteten.

      „Birte ist ausnehmend schön gewesen, die Gespräche der Besucher sind beinahe verstummt, wenn Birte in ihrem Bikini durch das Bad gelaufen ist. Wir haben uns oft zudringlicher Jungen erwehren müssen, wenn wir auf der Liegewiese gelegen haben, Birte hat sie freundlich aber bestimmt immer verscheucht.“

      „Sind denn die anderen Mädchen auch dabei gewesen, wenn Ihr im Freibad gewesen seid?“, fragte der Kommissar nach und Anna antwortete:

      „Sehr oft sind Svenja und Maria dabei gewesen. Manchmal haben wir zum Schutz vor allzu forschen Verehrern Jungen aus der Jahrgangsstufe mitgenommen, die bei uns lagen und so signalisierten, dass man Birte und mich in Ruhe lassen musste.“

      „Hat denn Birte eine Jungenbekanntschaft gehabt?“, wollte der Polizist wissen und Anna sagte:

      „Es hat eine Beziehung gegeben, die ist aber nach zwei Wochen von Birte beendet