Liebe findet immer einen Weg. Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Monica Maria Mieck – Herausgeber Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847687207
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gelernt.

      Monica Maria Mieck: untere Reihe – 4. von rechts

      Und in der achten Klasse hatten wir am Montagnachmittag immer Kochen bei ihr. Das hat mir besonders viel Freude gemacht. Einmal war ich mit zwei Schulfreundinnen aus Langeweile bei ihr zu Hause an der Wohnungstür. Wir klingelten mutig, und es dauerte lange, aber sie öffnete uns mit verschlafenen Augen. Sie wies uns nicht einfach unwirsch ab, sondern sie schenkte jedem einen Apfel und entschuldigte sich bei uns mit dem Satz: „Ich bin nicht mehr so jung wie ihr, ich muss mein Mittagsschläfchen halten.“ Zufrieden und beschenkt liefen wir die Treppenstufen wieder auf die Straße hinunter. Ach, heute würde ich mich so gerne noch mit dieser, meiner alten liebenswerten Lehrerin unterhalten wollen, wenn es doch nur möglich wäre! – Mein Rektor hat mir einen sehr weisen Spruch in mein Album geschrieben, zur freundlichen Erinnerung und zur Beherzigung. Ich erinnere mich besonders gerne an diesen warmherzigen Mann, bei dem mir das Singen immer besonders viel Freude gemacht hat. Wie viel Liedgut hat er uns damals vermittelt. Noch heute schöpfe ich daraus für meine therapeutische Seniorenarbeit, die ich mit soviel Hingabe mache.

      Ziemlich weit hinten, auf den fast letzten Blättern in meinem Album hat eine Klassenkameradin mir etwas zum Andenken aufgeschrieben. Sie wünschte mir Gesundheit, Glück und Lebensfrieden, dazu Herzensfröhlichkeit. Diese Schulkameradin habe ich nun auf unserem Klassentreffen vor zwei Jahren wieder gesehen. Es war eine innige und für mich wichtige Begegnung. Seitdem schreiben wir uns jede Woche ein bis zwei Briefe. Wir schenken einander volles Vertrauen, gehen auf jedwede Nöte ein, und wir teilen auch unsere Freuden miteinander. Manchmal leisten wir uns auch ein längeres Telefonat. Zu Weihnachten und zum Geburtstag schenken wir uns eine meist selbst gefertigte liebliche Kleinigkeit. Aber es kommt durchaus auch vor, dass die eine oder die andere ganz spontan eine kleine Freude mit der Post verschickt, die den manchmal schweren Alltag erhellen kann. So habe ich in der vergangenen Woche den Poesiealbumeintrag meiner Freundin kopiert und ihn ihr als Überraschung mit in den Brief gelegt. Inzwischen habe ich nun auch schon meinen 1952 in ihr Album geschriebenen Spruch kopiert in den Händen, den ich damals mehr instinktiv ausgewählt habe. Doch ich würde heute wieder meiner Freundin in ihr Poesiealbum schreiben: „Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können.“ Ich stimme mit Jean Paul voll überein, denn schon als kleine Mädchen haben meine Freundin und ich schon ihre Heimat verloren. Aber die wunderschönen Erinnerungen an meine pommersche Heimat, den Ostseestrand mit Wellen, Wogen und Sand, die weißen Möwen im Flug und das Barfußlaufen über die Muscheln werde ich niemals vergessen. Ein Stück Paradies war auch unser Gollenwald, in den wir mit unserer Mutter zum Blaubeerenpflücken und Pfifferlingesammeln gingen. Solche Erinnerungen wärmen mein Herz in schweren Stunden und kranken Tagen. Ja, sie helfen wir manchmal das schwere Heute zu meistern. Darum werde ich auch Mitte November, wenn ich wieder zum Klassentreffen in die Stadt meiner Jugendjahre fahre, mein Poesiealbum zuerst in meine Reisetasche legen. Denn mein kleines blaues Ledernes hat noch etliche leere Seiten, die ich mit „Klängen“ füllen lassen möchte, die ich noch gerne im Alter, vielleicht in einem einsamen Zimmer, wenn ich nicht mehr hinausgehen kann, gerne höre. Ich möchte noch ein paar Schätze einsammeln, wie man Früchte in einen Korb legt, damit ich mich im Winter meines Lebens daran laben kann.

      Auch wenn du

      nach einem schweren Schicksalsschlag

      zunächst gebrochen am Boden liegst,

      so kannst du doch wieder weiterwachsen

      wie ein geknickter Baum,

      der nach einem mächtigen Sturm

      auch seitlich weiterwächst,

      wenn seine Wurzeln noch

      in der fruchtbaren Tiefe

      verankert sind.

      Erinnerungen an einen goldenen Sommertag

      Beim morgendlichen Aufwachen freue ich mich schon riesig über die Sonnenstrahlen, die unser Kinderzimmer in eine Leuchtstube verwandelt haben. Dann darf ich heute auch gewiss mein schönstes Sommerkleid anziehen; das ganz dünne Weiße, aus durchsichtigem Voile, mit den bunten Blümchen darauf gestickt. Und ich brauche keine Schuhe anzuziehen. Herrlich, diese Leichtigkeit! Aber Schleifen hat mir die Mutter ins Haar gebunden, und im Spiegel schaut mir fast ein pastellfarbener Schmetterling entgegen, der sogar fröhlich singen kann. Eine kindliche Unbekümmertheit nistet sich in mir ein, so als könne mir niemand diesen goldenen Sommertag verderben. Geschwind laufe ich die Treppen herunter und spiele mit anderen Kindern auf der Straße Murmeln knipsen. Spielend kullern die kleinen Kugeln aus Ton, aber die Begehrtesten sind die aus Glas mit bunten schillernden Farbmustern darin. Meine nackten Füße bohren sich in den lockeren Sand hinein. Die warme Luft liebkost meinen kleinen fast nackten Körper. Später laufe ich durstig und hungrig zur Mutter in die Wohnung. Heute gibt es etwas Besonderes zu essen: Grießbrei mit Blaubeeren.

      Nach dem Mittagsschlaf wird es draußen zunehmend dunkler. Es ist sehr schwül geworden, immer mehr dunkle Wolken rücken dicht zusammen. Dann folgen Blitz und Donner, und schon fallen die ersten Regentropfen auf die staubige und durstige Straße. Ich stehe gespannt am Fenster und schaue mir das wahrhaft himmlische Naturereignis an. Jetzt prasselt der Regen in dicken Tropfen laut an die Glasscheiben. Doch nach einer Weile hört es schon wieder auf zu regnen. Auf der Straße fließt nun im Rinnstein ein liebliches Bächlein entlang. Wohlig ist es, mit den nackten Füßen in der warmen Matsche zu wühlen, wie in einer dunklen Breimasse. Im weichen nassen Sand kann ich meine kleinen Fußabdrücke hinterlassen. Die Luft ist frischer geworden und der Himmel wieder blau und klar.

      Am Abend gehen die Eltern, eine Tante und meine Brüder zusammen mit mir in unseren großen schönen Garten. Wir Geschwister spielen noch Fangen miteinander, über Beete hinweg und durch Wege entlang, hinter Hecken, Büschen und Sträuchern geduckt. Die letzten weißen Johannisbeeren, die die Mutter beim Pflücken übersehen hatte, schmecken mir köstlich. Ringelblumen, Löwenmäulchen, Kapuzinerkresse und all die vielen schmackhaften Früchte geben dem Garten eine ganz besondere Stimmung, eine bunte lachende Fröhlichkeit, wie in einem Paradiesgarten, zumindest für Kinder; denn manchmal höre ich die Mutter stöhnen, wenn sie gebückt in der Sonne das massenweise Unkraut jätet. Wenn sie aber die Blätter der Gurken etwas hochnimmt und die großen langen Früchte sieht, frohlockt sie: „Oh, oh.“ Wir Geschwister warten heute ungeduldig darauf, dass es dunkel wird. So lange darf ich sonst nicht aufbleiben. Aber heute ist ja ein ganz besonderer Tag, an dem wir den Sommer feiern wollen. Unsere Tante hat uns nämlich Lampions mitgebracht, die von eigenwilliger Schönheit sind. Meine Brüder bekommen Papierlaternen in Form eines Truthahns und Gockelhahns geschenkt, und ich darf einen schillernd bunten Erpel-Lampion mein eigen nennen. Endlich fängt es langsam an zu schummern, und ich setze mich schon erwartungs­voll in die gemütliche Laube auf die rustikale Holzbank, die mein Vater gezimmert hat. Diese Laube ist ringsherum dicht mit Stangenbohnen umwachsen, und auch die Blätter der rankenden Gemüsepflanze ergeben ein dichtes schützendes grünes Dach. Ich fühle mich in dieser Behausung wie in einem Naturparadies, einem Ort der Glückseligkeit.

      Mit frischen Möhren, die noch Wassertropfen an ihren Spitzen haben, kommen die Brüder von der Regentonne her gelaufen und geben auch mir etwas „Futter“ gegen den aufkommenden Hunger. Danach holt unsere Mutter die Kerzen aus der Tasche, die sie von zu Hause mitgebracht hat. Das Aufstecken der Lichter in den Laternen und das Richten der Haltegriffe ist offenbar Vatersache. Inzwischen ist es auch tatsächlich dunkel geworden, und es weht kein Wind. Mit einem Streichholz zündet unser Vater die Lichter in den wunderschönen Lampions an, und erst jetzt kommen die Farben so richtig zu ihrer Geltung. Und alle Seligkeit auf Erden hat in meinem kleinen Kinderherz Platz. Ich weiß nicht mehr, wie lange ich so dasaß, mit dieser herrlich bunten Papierlaterne in der kleinen Hand, die ich als Leuchtkugel hoch gegen den tiefdunkelblauen Sommernachthimmel hielt. Aber ich bin gewiss, dass dieser