Weltenreise. Julia Beylouny. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Julia Beylouny
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738004298
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Herzen riss erneut auf und begann zu bluten. Sie spürte, dass John ihren Schmerz erahnte. Er drehte sie herum, strich eine graue Strähne aus ihrer Stirn und lächelte. „Komm, wir sollten unserem Gast ein unvergessliches Willkommensessen bereiten. Sie muss nach der langen Reise ausgehungert sein.“

      Der Tisch war eingedeckt und die Dunkelheit würde sehr bald hereinbrechen. Margret entzündete die beiden schmalen Kerzen, die sie in die silbernen Halter gesteckt hatte. Sie rundeten die feine Tischdekoration ab. Schritte ertönten auf der Veranda, als Kriemhild erschien, die Haare vom Wind zerzaust, und die linke Hand am Halsband des Hundes. Sie strahlte über das ganze Gesicht. Ihre helle Haut glitzerte vom Salz und der Gischt, die in der Luft lagen. „Seht mal diesen Streuner hier. Er hat in den Dünen die Möwen gejagt.“

      Jacob wedelte unschuldig mit dem Schwanz und ließ ein leises Jaulen hören. Margret lächelte und ging ihm entgegen. „So? Hast du das wirklich getan? Los, ab in deinen Korb!“

      Sie legte die roten Haare hinter Kriemhilds Ohren. „Er wird beim Essen betteln. Lass dich nicht darauf ein, hörst du? Er hat bereits einen Napf leergefressen. Sein Blick wird versuchen, dich zu täuschen.“

      Das junge Mädchen schaute zum Tisch hinüber. Margret entging die beschämte Röte auf ihren Wangen nicht.

      „Du hättest mich rufen sollen, Tante. Ich hätte dir beim Decken geholfen.“

      „Papperlapapp. Wozu habe ich meinen John? Er liest mir die Gedanken von den Augen ab und schon deckt sich der Tisch von selbst. Geh hoch auf dein Zimmer, zieh dich um und dann iss etwas mit uns. Du bist doch sicher sehr hungrig?“

      „Ja, das bin ich tatsächlich. Ich beeile mich.“

      Sie lief die knarrende Wendeltreppe hinauf. Margret stellte die weißen Porzellanschüsseln bereit. Die Pellkartoffeln dampften. Dazu hatte sie Matjesfilet in Sahnesauce mit Lauch, Nüssen und Rosinen vorbereitet. John schaute über ihre Schulter. „Hoffentlich mag sie Fisch.“

      „Elisabeth sagt, es sei ihr Leibgericht.“

      „Mein unverbesserliches Herz. Du tust alles, damit Kriemhild für immer bleibt, hab ich Recht?“

      „Gönn mir diese kleine Illusion. Es ist doch nur einen Sommer lang.“

      „Es schmeckt sehr gut! Danke, Tante Margret.“

      „Das freut mich. Aber erzähl mal, wie hat dir unser Strand gefallen?“

      Sie musterte das Mädchen und der Anblick ließ ihr Herz höher schlagen. Kriemhild war zwar blass, doch es war eine gesunde Blässe, vornehm, wie Mutter sagen würde. Ihre Wangen und die Nasenspitze waren mit kleinen Sommersprossen gesprenkelt. Ihre schlanke Figur hatte sie in ein enganliegendes Strickkleid gehüllt, das Haar von der Stirn und den Schläfen zurückgebunden. Im Kerzenschein schimmerte es mahagonifarben. Von Kriemhilds Kummer bemerkte man nicht den Hauch einer Spur.

      „Der Strand ist Wahnsinn! Ganz anders als unsere Nordsee. Ich liebe das Meer.“ Sie stockte. „Aber meistens hasse ich es.“

      Margret bemerkte, wie der Blick ihrer Nichte ins Leere fiel. Mit einem Räuspern hoffte sie, die Stimmung zu retten. „Was hast du denn für den Sommer geplant? Womit können wir dir eine Freude bereiten?“

      „Oh, es reicht schon aus, dass ich einfach nur hier sein darf. Ich frage mich die ganze Zeit über, wieso ich erst neunzehn werden musste, um euch zu besuchen? Es ist so wunderschön hier, ich hätte jeden Sommer bei euch verbringen sollen!“

      John ergriff die Hand seiner Frau und sie wünschte, er würde das leichte Beben nicht bemerken.

      „Du wirst sicher schnell Freunde in deinem Alter finden. Wenn die Saison erst begonnen hat, wimmelt es hier nur so von hübschen Kerlen aus der Stadt. Dazu Strandpartys … Glaub mir, langeweilen wirst du dich jedenfalls nicht.“

       Kriemhilds Handy piepte. Sie hatte es mit heruntergebracht und wenn sie zuvor noch gestrahlt hatte, erstarrte sie bei dem Geräusch zu einer leblosen Säule. Mit ein paar Klicks öffnete sie die Kurzmitteilung, überflog sie und legte das Telefon schweigend zurück auf den Tisch. Dann stocherte sie mit der Gabel unentschlossen in ihrem Essen.

      „War er es wieder?“, fragte Margret

      Kriemhild nickte. „Justus weiß nicht, dass ich hier bin. Er will unbedingt mit mir reden, sagt er.“

      John hob eine Braue. „Vielleicht solltest du das Ding ausschalten. Du hast Urlaub und wirklich ein wenig Erholung verdient!“

      „Vielleicht. Danke für das Essen. Ich bin ziemlich erschöpft. Gute Nacht.“

      Sie erhob sich und ging die Treppe hinauf in ihr Zimmer. Margret seufzte. John nahm ihre Hand und lächelte. „Weißt du, irgendwie verstehe ich diesen jungen Burschen. Ihr Anblick kann einem wirklich den Verstand rauben.“

      Kapitel 4

      Tom

      Tom wartete ungeduldig auf die Rückkehr seines Sohnes. Ebenso wie Lynn und Amy. Es gab einen Anlass zu feiern, obwohl Tom längst ahnte, dass Samuel seine Meinung nicht teilen würde. In letzter Zeit stritten sie immer öfter. Er hoffte, sein Sohn würde ihnen die Neuigkeit mit seinen Launen nicht gleich wieder verderben.

      Es war bereits dunkel, als Tom die Scheinwerfes des Jeeps in den Dünen aufblitzen sah. Vermutlich hatte Samuel einmal mehr in den Sandbergen gesessen und Trübsal geblasen. Die Familie saß wartend um den Tisch, lachte und diskutierte, während Lynn das Abendessen bereitete. Irgendwann klickte das Türschloss und Sam versuchte unbemerkt in seinem Zimmer zu verschwinden. Tom hielt sich zurück und warf stattdessen einen Blick zu Amy hinüber, die sogleich aufsprang und in den Flur hinauslief. Den großen weißen Umschlag hatte sie auf dem Tisch liegenlassen. Wenn der Junge nur begreifen würde, wie stolz es Tom machte, dass der Brief endlich angekommen war. Die sehnlichst erwartete Nachricht, die allen – außer Samuel – das Herz höher schlagen ließ.

      „Da ist er ja!“, rief Amy überschwänglich und fiel ihrem Bruder um den Hals. „Kommt alle her und gratuliert dem Superhelden! Er hat es geschafft, dieser Schurke! Lass dich von deiner kleinen Amy knutschen!“

      „Schon gut“, hörte er Sam murmeln. „Ich bin müde und habe keine Lust auf Neuigkeiten.“

      „Du wirst nicht dran vorbeikommen! Dad hat eine Flasche Wein geöffnet … Du weißt, was das bedeutet.“

      „Samuel! Komm doch herein“, rief Lynn. Sie trat in den Türrahmen, legte den Kopf schräg und sah ihn mit ihrem süßesten Lächeln an. „Wir haben mit dem Essen auf dich gewartet. Es gibt Austern, Scholle, Kabeljau … Alles, was dein Herz begehrt.“

      „Mom, bitte. Ich will keinen weiteren Streit provozieren.“

      „Das bist du aber im Begriff zu tun, wenn du nicht kommst.“

      Tom kannte ihre flehenden Blicke nur zu gut. Sie waren Lynns Wunderwaffe, denen ihr Sohn nie widerstehen konnte. Er wusste, dass Sam ihretwegen zustimmen würde. Die Tatsache schmerzte ihn, doch er war erleichtert, dass Samuel überhaupt reinkommen würde.

      „Gebt mir eine Minute. Ich will meine Strandsachen ausziehen.“

      Kapitel 5

      Kriemhild

      Sie hatte geschlafen, als wäre sie tot. Nicht, dass es eine erschreckende Art von tot gewesen wäre. Eher eine gesunde, erholsame. Ihr Bett war so gemütlich, dass sie sich treten musste es zu verlassen. Denn es gab etwas, das sie mindestens genauso reizte.

      Der Strand! Vom Fenster aus beobachtete Kriemhild Möwen. Sie warfen sich sturzflugartig in die Wellen und ergatterten kleine Fische. Kreischend und zänkisch verteidigten sie ihre Beute gegen die Konkurrenz.

      Kriemhild roch die herbe Seeluft, die verlockend in ihre Nase stieg. Am Horizont hinter den Dünen zeichnete sich die Ortschaft ab. Die malerische